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Modernes Insulin macht Diabetikern das Leben leichter

21.02.2008
Von Handelsblatt 
Heute entscheidet sich, ob die Krankenkassen die Bezahlung für Patienten mit Diabetes Mellitus Typ 1 übernehmen. Experten rechnen mit einem klaren Nein und prognostizieren einen Umsatzrückgang für die Präparate. Dabei liegt Deutschland im internationalen Vergleich schon zurück.

FRANKFURT. Uwe Hellner ist seit fast dreißig Jahren zuckerkrank. Seine Bauchspeicheldrüse kann überhaupt kein Insulin mehr produzieren. Früher musste der heute 48-Jährige immer eine halbe Stunde vor dem Essen ein chemisch hergestelltes Humaninsulin spritzen, damit der Blutzuckerspiegel nach der Mahlzeit wieder ausgeglichen wurde. Seit einigen Jahren bekommt Hellner gentechnisch hergestellte, kurzwirkende Insulinanaloga verschrieben, die er wegen ihrer schnellen Wirkungsweise direkt zum oder nach dem Essen spritzen kann.

"Das macht mein Leben viel einfacher", sagt Hellner. Er muss nicht mehr nach der Uhr spritzen und essen. Und er muss nichts in sich hineinstopfen, was ihm möglicherweise gar nicht schmeckt, nur damit das vorher gespritze Insulin "etwas zu tun" bekommt und er nicht unterzuckert und im schlimmsten Fall kollabiert.

Ob Uwe Hellner und andere Patienten mit der Diabetes Mellitus Typ 1 in Zukunft gentechnisch hergestellte, kurzwirkende Insulinanaloga von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet bekommen, darüber berät heute der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA). Der ist das oberste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung der Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Krankenhäuser und Krankenkassen in Deutschland. Er bestimmt in Form von Richtlinien den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für mehr als 70 Millionen Versicherte und legt damit fest, welche Leistungen der medizinischen Versorgung von der GKV erstattet werden.

Insulinhersteller wie Novo Nordisk oder Lilly rechnen damit, dass sich der Ausschuss so entscheidet, wie schon 2006 bei der ernährungsbedingten, im Volksmund als Altersdiabetes bezeichneten Typ-2-Variante: Weil der medizinische Zusatznutzen der kurzwirkenden Insulinanaloga nicht belegt ist, gebe es keinen Grund, die rund ein Drittel teureren gentechnisch hergestellten Mittel von den gesetzlichen Krankenkassen erstatten zu lassen, befand der G-BA damals. Er folgte damit der Begründung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, das im Auftrag das G-BA den Nutzen der Insulinwirkstoffe untersucht hatte.

"Wir gehen davon aus, dass der Umsatz mit Insulinanaloga in Deutschland zurückgehen wird, wenn der G-BA seiner Beschlusspraxis folgt", heißt es bei Lilly Deutschland. Das sei jedenfalls 2006, als die Entscheidung in Bezug auf die Diabetes Typ 2 Patienten fiel, so gewesen. Während die Umsätze mit den kurzwirkenden Insulinanaloga international deutlich zweistellig wachsen, hinkt der deutsche Markt hinterher. 2006 stagnierte die Verordnung für die kurzfristigen Insulinanaloga, 2007 ging sie sogar ganz leicht zurück. Humaninsuline beanspruchen mit 61 Prozent den größeren Teil der Verordnungen für sich, zeigen die Zahlen des Instituts Insight-Health.

Dass 2007 immerhin noch 37 Prozent der Verordnungen kurzwirksame Insulinanaloga betreffen, liegt an Rabattverträgen, die alle vier Hersteller der gentechnisch hergestellten Insulinprodukte mit dem Gros der gesetzlichen Krankenkassen gemacht haben. Denn der G-BA legte fest, dass seit Oktober 2006 gentechnisch hergestellte Insulinanaloga für Diabetes Typ 2 Patienten von den Kassen erstattet werden, wenn sie nicht teurer als Humaninsulin sind.

Mit den Rabattverträgen sorgen die Hersteller dafür, dass ihre Insulinanaloga verschreibungfähig bleiben: Novorapid von Novo Nordisk, Humalog von Lilly, Apidra von Sanofi Aventis und Liprolog von Berlin-Chemie. Da die Rabattverträge nicht transparent sind und mit jeder Kasse einzeln ausgehandelt werden, ist der offizielle Herstellerabgabepreis für kurzwirksame Insulinanaloga nicht gesunken.

Verdienen können die Hersteller mit kurzwirksamen Insulinanaloga in Deutschland immer noch, auch wenn sie ihre Produkte durch die Rabattverträge insgesamt etwa ein Drittel günstiger abgeben: "Es rechnet sich noch", heißt es bei einem Unternehmen. Aber die Margen liegen deutlich niedriger als in anderen Ländern und damit spielt Deutschland bei der Kalkulation der Refinanzierung von Forschungsausgaben für die weltweit agierenden Konzerne ein geringere Rolle.