TK-Trends/Das Festnetz lebt

Moderne Dienste aus alten Leitungen

16.01.2004
"Das Festnetz ist alt, modernen Funknetzen gehört die Zukunft", lautet ein gängiges Pauschalurteil. Doch Carrier und Hersteller wehren sich zunehmend dagegen: Mit innovativen Diensten und Initiativen versuchen sie gemeinsam, den alten Kabeln neues Leben einzuhauchen. Von Claus Lindemann*

Obwohl UMTS noch in den Kinderschuhen steckt und der Launch des neuen Mobilfunkstandards weiter auf sich warten lässt, nimmt das Angebot an Datendiensten für Mobiltelefone stetig zu. Pop-Hits als polyphone Klingeltöne, Superstars im Hintergrund und ein kaum zu überblickendes Angebot an News-Diensten aus Wirtschaft, Sport und Politik ringen um die Gunst der Handy-Besitzer und sorgen für allmählich steigende Umsätze bei den Anbietern. Hinzu kommen die umfangreichen Portale der Netzbetreiber wie T-Zones, Vodafone live oder I-Mode.

Im Gegensatz dazu beschränken sich die Angebote im Festnetz bisher weiterhin auf Sprachdienste. Doch auch Festnetzbetreiber sind auf der Suche nach neuen Geldquellen. Sie müssen ihre Umsätze steigern und sind zusammen mit der Industrie auf einem guten Weg, mit so genannten Fixed-Line-Multimedia-Messaging-Services (F-MMS) attraktive Datendienste auch über alte Kabel anzubieten. Mittels grafischer Benutzeroberflächen auf Telefon-Displays und Anwendungen wie Bildnachrichten oder dem Versand von Fotos über das Festnetz versucht die Branche, ihre Position im Kampf gegen die Mobilfunkanbieter zu stärken.

Da die Kosten für die bestehenden GSM-Netze im Mobilfunk gedeckt sind und wegen des hohen Konkurrenzdrucks sinken seit geraumer Zeit die Verbindungspreise. Aufgrund dieser Entwicklung treten Mobilfunk- und Festnetzanbieter zunehmend in gegenseitigen Wettbewerb, und die klassische Festnetztelefonie verliert Marktanteile. Gleichzeitig bauen die Mobilfunker ihre Angebote an mobilen Datendiensten weiter aus, um die Umsätze zu steigern. Viele Festnetzbetreiber sind dagegen nach einer Phase der ambitionierten Expansion hoch verschuldet. Zugleich führen sie untereinander einen heftigen Preiskampf. Durch reine Sprachdienste sind daher mittelfristig keine signifikanten Umsatzsteigerungen zu erwarten.

Konvergenz der Dienste

Vor diesem Hintergrund sind Anbieter und Hersteller zu der Überzeugung gelangt, dass nur aus der Konvergenz zwischen Mobilfunk und Festnetz zusätzliche Einnahmen zu generieren sind. Die Branche arbeitet daher mit Hochdruck an der Marktreife von F-MMS-Lösungen und versucht, ähnlich attraktive Multimedia-Services anzubieten, wie sie im Mobilfunk schon heute zur Verfügung stehen.

F-MMS ist indes nicht der erste Versuch, Datendienste im Festnetz anzubieten. Bereits seit einigen Jahren ist der Versand von Textnachrichten im Festnetz (F-SMS) möglich. Zählt SMS im Mobilfunk nach wie vor zu den meistgenutzten Diensten, konnte sich der Service im Festnetz bis heute nicht auf breiter Basis durchsetzen. Aufgrund fehlender einheitlicher Standards ließen sich SMS-Nachrichten im Festnetz zunächst nicht zwischen den verschiedenen Carriern verschicken. Zudem wurde der Service von Anbietern und Herstellern gleichermaßen nicht in großem Umfang beworben. So verfügen nur wenige Anwender über Festnetztelefone mit Unterstützung für F-SMS, die überdies nur zu einem Bruchteil aktiv genutzt werden.

Schon seit dem Jahr 2000 gibt es unter Dienstanbietern und Herstellern Überlegungen, mit Multimedia-Services im Festnetz die eigene Stellung gegenüber dem Mobilfunk zu stärken und so neue Geldquellen zu erschließen. Dabei haben die Anbieter aus dem Fehlstart von F-SMS und dem erfolgreichen Launch von mobilen Datendiensten gelernt und die Notwendigkeit gemeinsamer, offener Standards erkannt.

Mit der Gründung des Fixed-Line-MMS-Forums (www.fixedlinemms.org) wurde Ende 2002 ein Gremium für die Entwicklung dieser Standards geschaffen. Eines der vorrangigsten Ziele des Forums, zu dessen treibenden Kräften beispielsweise die Deutsche Telekom AG und Siemens zählen, ist es, noch im laufenden Jahr F-MMS-fähige Dienste und Endgeräte erfolgreich im Markt einzuführen.

Das F-MMS-Forum definiert die Interoperabilität zwischen den Angeboten der verschiedenen Netzbetreiber, Anbieter und Hersteller sowie zu den Angeboten und Geräten im Mobilfunk als Schlüssel zum Erfolg. Dabei setzen die mehr als 30 im Forum vertretenen Unternehmen erstmals in der Festnetztelefonie auf offene Standards, die gemeinsam mit dem European Telecommunications Standards Institute (ETSI) entwickelt werden.

Interoperabilität ist ein entscheidendes Kriterium für den Erfolg von F-MMS. Nur wenn die Dienste unterschiedlicher Anbieter sowie die verschiedenen Endgeräte nahtlos miteinander kommunizieren, kann die Industrie mittelfristig den durchschnittlichen Umsatz pro Kunde steigern und ihre Marktposition gegenüber dem Mobilfunk verteidigen. Gerade hier können die Unternehmen von der mittlerweile immensen Verbreitung datenfähiger Mobiltelefone profitieren.

Subventionierte Festnetztelefone

Während jedoch Handys in der Regel vom Anbieter subventioniert werden und die Kunden deshalb etwa alle 18 Monate über ein neues Telefon mit aktuellen Funktionen verfügen, liegt die Betriebsdauer bei Festnetzgeräten bei knapp zehn Jahren. Die Möglichkeit, zunächst mit Handy-Besitzern über MMS-Anwendungen zu kommunizieren, wird daher eine entscheidende Rolle bei der Verbreitung der Multimedia-Dienste spielen. Um für den Durchbruch moderner Festnetztelefone zu sorgen, müssen Anbieter auch in diesem Bereich über geeignete Subventionsmodelle nachdenken. Mit attraktiven Angeboten können sie F-MMS erfolgreich machen.

Zugleich müssen gerade Netzbetreiber verstärkt in den Auf- und Ausbau einer IP-basierenden Infrastruktur investieren. Überlegungen dieser Art sind im Festnetz noch nicht umgesetzt, während die Konsolidierung in Richtung IP im Mobilfunk bereits weit fortgeschritten ist. IP-basierende Netze sind die Voraussetzung für ein breites Angebot an attraktiven Datendiensten und ermöglichen eine schnellere und flexiblere Implementierung entsprechender Angebote. Auch können Komponenten zum Ausbau der Netze einfacher integriert werden. F-SMS und Voice over IP markieren zwar bereits erste Schritte in diese Richtung. Dennoch hinkt der Markt bei der breiten Umsetzung von "Next Generation Networks" hinter den Entwicklungen im Mobilfunk her.

Preispunkte gesucht

Mitentscheidend für den Erfolg von F-MMS werden außerdem die modernen Anwendungen und deren Preisgestaltung sein. Die Anwender messen die Industrie letztlich daran, ob sie in der Lage ist, von ihnen gewünschte Applikationen zu einem akzeptablen Preis anzubieten und den Nutzen der neuen Angebote einer ebenso breiten wie heterogenen Zielgruppe zu vermitteln. Auch in dieser Hinsicht kann der Zusammenschluss der Industrie im F-MMS-Forum die nötigen Grundlagen schaffen, indem die Firmen gemeinsam notwendige Maßnahmen ergreifen, um praxisorientierte Standards, Produkte und Anwendungen zu schaffen.

Um im hart umkämpften Markt für Telefonie weiterhin die Stellung neben dem Mobilfunk zu halten, müssen Festnetzanbieter und Hersteller die Konvergenz zwischen Festnetz-, Mobilfunk- und WLAN-Umgebungen nutzen und neben den etablierten Sprachdiensten auch mit Multimedia-Angeboten neue Umsätze generieren. Dazu zählen etwa der Download von Bildern und Klingeltönen oder die Möglichkeit, Text-, Bild- und Filmnachrichten zu versenden und zu empfangen. Mit F-MMS ist die Industrie auf einem guten Weg, doch sind bis zur flächendeckenden Einführung noch zahlreiche Probleme zu überwinden. Der partnerschaftliche Ansatz, den die beteiligten Unternehmen mit ihrer Arbeit im Fixed-Line-MMS-Forum demonstrieren, hat die organisatorischen Voraussetzungen für den erfolgreichen Launch von MMS-Diensten im Festnetz geschaffen.

Goldschürfen im Team

Jetzt kommt es allerdings darauf an, getroffene Entscheidungen schnell in die Tat umzusetzen und den Markt frühzeitig auf die neuen Angebote vorzubereiten. Wenn die Unternehmen weiterhin gemeinsam an der Zukunft von F-MMS arbeiten, können die neuen Dienste tatsächlich zur Goldader für die Branche gedeihen. (ajf)

*Claus Lindemann ist Technical-Partner-Manager bei Openwave in München und vertritt das Unternehmen im Fixed-Line-MMS-Forum.

Angeklickt

Festnetz-Carrier haben es nicht leicht gegen die bunte Welt der mobilen Datendienste. Da durch die Sprachtelefonie kaum Umsatzwachstum zu erzielen ist, weichen die Konzerne auf neue Einnahmequellen aus. Mit so genannten Fixed-Line-Multimedia-Messaging-Services (F-MMS) sollen künftig attraktive Datendienste auch über alte Kabel angeboten werden. Einen weiteren Fehlstart wie bei der SMS im Festnetz können sich die Telcos nicht mehr leisten.