3D in Mode:

Mode von morgen: 3D-Avatare machen Models Konkurrenz

28.04.2008
Von Handelsblatt 
Mehrmaliges Umschneidern gehört für Modedesigner zur Normalität. Doch mit derart zeitaufwendiger Feinarbeit könnte bald Schluss sein - denn Avatare sollen künftig den Job übernehmen, für den sonst Models oder Kleiderpuppen herhalten müssen. Mit neuer 3D-Technik schneidern Modedesigner Bekleidung passgenau auf die Körper der Kunden zu.

"Änderungen am Schnittmuster und immer wieder neues Umnähen lässt sich inzwischen gut am Computer erledigen", sagt Jörn Kohlhammer, Abteilungsleiter Echtzeitlösungen für Simulation und Visual Analytics am Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung (IGD). "Virtuelles Prototyping wird für die Bekleidungsindustrie zunehmend ein Thema." Die Technik hat längst das Entwicklungsstadium hinter sich gelassen. Moderne Software kann zweidimensionale Schnittvorlagen in 3D-Entwürfe umsetzen, an denen Designer selbst Details wie Schatten- und Faltenwurf erkennen können. Das IGD hat in dem vom Bund geförderten Verbundprojekt "Virtual Try On" nun eine Software entwickelt, die mit den mittels eines 3D-Körperscans gewonnenen Maßen für passgenaue Schnittteile sorgt, diese virtuell vernäht und anschließend an einem Avatar darstellt.

Ein weiterer Vorteil: Am Rechner können Kunden und Designer genau verfolgen, wie Bewegungen sich auf die Kleidung auswirken - wie beispielsweise ein Sakko fällt, wenn jemand am Ärmel zupft. Möglich machen dies Fortschritte in der Computertechnik. "Neuartige Algorithmen berechnen Änderungen in Echtzeit", sagt Kohlhammer. Dabei beziehe der Computer allerdings nur wichtige Daten mit ein, um die Berechnung nicht zu komplex werden zu lassen. Designer müssen aus diesem Grund zwar Abstriche bei der graphischen Darstellung machen. Allerdings gibt dies dem Programm eine größere Flexibilität. Sogar die Art des Stoffs wirkt sich dabei auf die Darstellung aus - denn schließlich fällt derber Denim anders als reine Seide.

Ein "Stretch-Modus" gibt zudem farblich wieder, wo der Stoff besonders spannt, damit der Schneider am Computer noch einmal nachbessern kann. Die Software wird nun von der Firma Assyst unter dem Namen "Vidya" vertrieben. Das Unternehmen will die Lösung an Bekleidungshersteller und große Modehäuser verkaufen. IGD-Experte Kohlhammer kann sich zudem vorstellen, dass Inhaber von Modegeschäften den Kunden bald im Laden ihre neue Garderobe direkt auf den Leib zuschneidern werden.

Die Computertechnik verändert die herkömmlichen Design- und Herstellungsprozesse. "3D-Werkzeuge sind im Kommen", sagt Martin Rupp, Bereichsleiter Bekleidungstechnologie der Hohensteiner Institute. Nachdem erste Lösungen bereits zum Einsatz kämen, werde sich die Entwicklung rasch verbreitern. "Wer mit den Scans seiner Hausmodels arbeitet, spart Zeit und Kosten. Er muss nur noch einen Prototypen herstellen, den der Designer dann absegnet", sagt Rupp. Allerdings sei noch Forschungsarbeit notwendig, um alle denkbaren Bewegungen und Lichtverhältnisse zu simulieren.

An der digitalen Schneiderei arbeiten mittlerweile eine ganze Reihe an Projekten. So haben im Forschungsvorhaben "Intexma" Bekleidungshersteller und Computerspezialisten eine virtuelle Darstellung von Maßkonfektion entwickelt. Mit Scannern, wie sie beispielsweise die Firma Human Solutions aus Kaiserslautern anbietet, kann das System so erfasste Daten auf einen Avatar übertragen. Der Schneider kann an der virtuellen Puppe Konfektionsmaße wie Halsweite, Brustumfang, Taille, Ärmellänge und Merkmale wie Körperhaltung oder Körperform einstellen. Selbst Hautfarbe, Frisur und Gesichtszüge können berücksichtigt werden - damit ein Kunde sich besser mit seinem künstlichen Abbild identifizieren kann. Damit nicht genug: Der Avatar soll die Garderobe auch in unterschiedlichen Situationen präsentieren: so etwa in der Natur bei Sonnenschein oder in einer Straßenschlucht bei trübem Wetter.

Weiter sind bereits die Forscher des Berliner Fraunhofer-Instituts für Nachrichtentechnik Heinrich-Hertz-Institut (HHI). Sie haben einen Spiegel für die virtuelle Anprobe von Schuhen entwickelt, den Unternehmen schon im Markt einsetzen. So nutzt beispielsweise Adidas die HHI-Lösung in Geschäften in London, Paris und Lille. Hier können Kunden ihre Turnschuhe individualisieren und vorher im Spiegel begutachten, wie der Schuh am Fuß aussehen wird. Eine Kamera zeichnet Füße und Beine des Kunden auf und zeigt diese als Videoszene auf dem Bildschirm. Darauf spiegelt die Software dann per 3D-Bildverarbeitungstechnik die verschiedenen Schuhmodelle ein. Das Programm gibt sogar die Bewegungen der Kunden wieder. Die Forscher wollen ihr System auf der Internationalen Funkausstellung im Herbst in Berlin zeigen.

HHI-Entwickler Peter Eisert sieht in derartigen Lösungen einen Zukunftsmarkt: "Die Technik steht und wird wichtiger werden. Die Fertigung wird flexibler. Die Hersteller können damit auf immer individuellere Kundenwünsche kostengünstig eingehen." Das Anwendungsspektrum sei breit - von Bekleidung über Brillen und Frisuren bis hin zu Schmuck, sagt Eisert. "So kann ein Juwelier den Kunden seine teuersten Stücke vorführen, ohne dafür gleich den Panzerschrank ausräumen zu müssen."