Mobilfunk-Boom soll bis 1997 fuer einen Return of Investment sorgen Telekom beginnt Regelbetrieb des Datenfunkdienstes Modacom

18.06.1993

DORTMUND (gh) - Eine neue Aera im Bereich professioneller mobiler Datenkommunikation will die Deutsche Bundespost Telekom mit dem Service "Modacom" (Mobile Data Communication) einlaeuten. Der X.25- basierte Funkdienst geht nach einjaehrigem Probelauf nun in den Regelbetrieb und soll bis Ende 1995 weitgehend flaechendeckend ausgebaut werden.

Rund 250 Millionen Mark hat das Bonner Postunternehmen in den Ausbau seines neuen Datenfunkdienstes investiert - eine Vorleistung, die sich, wie Klaus Hummel, fuer den Mobilfunk-Bereich zustaendiger Telekom-Vorstand, anlaesslich des offizielllen Modacom- Startschusses betonte, bereits 1997 in Form eines kumulierten Pay- backs amortisiert haben duerfte. Schon 1998 jedenfalls kalkulieren die Telekom-Verantwortlichen mit einem Jahresumsatz von mehr als 200 Millionen Mark.

Modacom sei, so Hummel, nicht nur das juengste Kind der Telekom- Familie, sondern das zur Zeit auch "einzige Angebot im Bereich terrestrischer mobiler Datenuebertragungssysteme". Das System besteht aus mobilen Terminals (spezielle Einbau- und Handgeraete, Laptops mit integriertem Funkmodem oder portable Rechner, die mit einem Funkmodem verbunden werden), dem von der Telekom betriebenen Funknetz, Basisstationen mit Datex-P-Anschluss beziehungsweise Zugangsmoeglichkeit zu einem anderen X.25-Netz sowie firmenspezifischer Software.

Bereits heute ist Modacom nach Angaben der Telekom in den wichtigsten Wirtschaftsregionen der Bundesrepublik verfuegbar, bis Ende 1995 soll mit rund 900 Basisstationen eine Flaechendeckung von etwa 80 Prozent erreicht sein. Zielgruppen des mobilen Datenfunkdienstes sind in erster Linie

Branchen wie das Transportgewerbe (Stichwort: Flotten-Management), weite Bereiche des Aussendienstes sowie oeffentliche Einrichtungen und Organisationen wie Polizei, Feuerwehr und Notdienste.

In den genannten Anwendungsszenarien soll der Telekom-Dienst eine neue Art der Kommunikation ermoeglichen: die Kontaktaufnahme zum firmeneigenen Grossrechner via Laptop beziehungsweise Funkmodem und X.25-Mietleitungen mit einer Uebertragungsrate von 9,6 Kbit/s. Allein bei den Modacom-Endgeraeten rechnet der Bonner Carrier mit einem Umsatzvolumen von 500 Millionen Mark fuer die jeweiligen Hersteller; insgesamt will die Telekom rund 250 000 Modacom- Terminals an den Mann bringen. Dies entspraeche, wie Hummel erlaeuterte, etwa der Haelfte des zu erwartenden Gesamtmarktes in Deutschland - der Rest duerfte auf einen zweiten Betreiber entfallen, fuer den das Bundesministerium fuer Post und Telekommunikation demnaechst eine Lizenz ausschreiben wird.

Ihren Optimismus in Sachen Mobilfunk begruenden die Telekom- Verantwortlichen mit Umsatz- und Marktprognosen. So soll bereits 1994 das gesamte Mobilfunk-Geschaeft der mittlerweile vom Ministerium genehmigten und ab 1. Juli 1993 selbstaendigen Telekom- Tochter Detemobil 3,5 Milliarden Mark in die Kasse des Postgiganten bringen; wozu allerdings die beiden Funktelefonnetze C und D1 mit geschaetzten 90 Prozent den groessten Teil beitragen werden. Darueber hinaus sei man, wie es bei der Modacom- Praesentation hiess, mit fast 1,5 Millionen Teilnehmern der groesste Mobilfunk-Netzbetreiber Europas.

Ob der neue Telekom-Dienst angesichts der hochgeschraubten Erwartungen mit Erfolg bestehen wird, bleibt jedoch abzuwarten. Insider kritisieren unter anderem, dass - trotz entsprechenden Marketings - mit der Datenuebertragung via Modacom bereits an den bundesdeutschen Grenzen Schluss ist. Mit Ausnahme Schwedens und Grossbritanniens gibt es europaweit keine vergleichbaren Netz- Infrastrukturen, hinzu kommt das altbekannte Problem der unterschiedlichen Auslegung des X.25-Protokolls. Anders als etwa bei den GSM-basierten Mobilfunk-Netzen fehlt es auch an einem europaweiten Standard fuer die Funkuebertragung - ein Manko, mit dem Experten noch auf Jahre hinaus rechnen und zudem vor einer Zweiteilung des europaeischen Marktes warnen, da neben dem Telekom- Ausruester Motorola auch der schwedische TK-Riese Ericsson ein zwar vergleichbares, aber auch inkompatibles System entwickelt hat.

Die Modacom-Euphorie daempfen duerfte auch die Tatsache, dass sich der Funkdienst derzeit noch als relativ teures Vergnuegen entpuppt. So ist die von der Telekom vorgesehene Tarifstruktur zwar fuer den Nahbereich ausgelegt und somit wesentlich preiswerter als etwa beim vergleichbaren Satellitendienst "Inmarsat", allein die Hardwarekosten fuer ein Datenfunkmodem beziehungsweise portables Modem schlagen derzeit jedoch mit 3000 bis 5000 Mark zu Buche. Hinzu kommen die Kosten fuer die Entwicklung der jeweils notwendigen spezifischen Anwendungssoftware.

Diese soll, so sieht es das Vermarktungskonzept der Telekom vor, gemeinsam mit kooperierenden Softwarehaeusern entwickelt und auf den Markt gebracht werden. Gleichzeitig hat das Bonner Postunternehmen - nicht ohne Pikanterie - Unternehmen als sogenannte Systemintegratoren vertraglich an sich gebunden, mit denen man sonst, gerade auch im X.25-Bereich, in hartem Wettbewerb steht. So koennen Modacom-Benutzer ihre Daten auch ueber die X.25- Netze der privaten Netzbetreiber Inas und Info AG transportieren; mit der Daimler-Benz-Tochter Debis fuehre man derzeit Gespraeche ueber dieses Thema.

Spaetestens 1995 soll Modacom eine Flaechendeckung von etwa 80 Prozent erreicht haben.