Die Zukunft von E-Learning

Mobiles Lernen mit Tablet und Phone liegt voll im Trend

19.11.2013
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Michael Sudahl lebt in Stuttgart und arbeitet in Schorndorf. Der gelernte Banker und Journalist beschäftigt sich seit 20 Jahren mit den Themen Personal, Karriere und IT. Daneben berät er Firmen in internen und externen Kommunikationsfragen, erstellt Kundenmagazine, schreibt Fachartikel und moderiert Prozesse rund um die Felder Unternehmensstrategie, öffentliche Wahrnehmung und Unternehmenskultur. Darüber hinaus hat er eine mehrjährige Ausbildung zum Körpertherapeuten (Cranio) abgeschlossen und ist inzwischen ebenfalls als Coach und Trainer tätig. 
Das klassische E-Learning ist nicht tot und lässt sich auch nicht komplett ersetzen. Doch flexible und mobile Lernarrangements gewinnen an Beliebtheit.

Michaela Klein nutzt die Zeit, wenn sie täglich zwischen Wohnung und Arbeitsplatz pendelt, um an ihrem Smartphone zu lernen. Sitzt sie im Zug von Stuttgart nach Ulm, liest sie Karteikarten. Die 25-Jährige hat eine nebenberufliche Weiterbildung zum Fachwirt im Gesundheits- und Sozialwesen als Jahrgangsbeste abgeschlossen. Jetzt bereitet sie sich in nur 25 Tagen auf den IHK-Betriebswirt vor. Allerdings sind die 751 Karteikarten nicht mehr aus Papier oder Pappe. Sie sind auf ihrem Mobiltelefon gespeichert. Klein lernt gerne damit: "Das ist gut für die Motivation, man erhält sofort Aufschluss über den aktuellen Wissensstand."

Die Tablets sollen das klassische E-Learning revolutionieren: Lernen soll endlich an jedem Ort und zu jeder Zeit problemlos funktionieren.
Die Tablets sollen das klassische E-Learning revolutionieren: Lernen soll endlich an jedem Ort und zu jeder Zeit problemlos funktionieren.
Foto: Ariston Verlag

Jochen Stargardt hat die Karteikarten vom Papier auf die Handys seiner Lehrgangsteilnehmer "transformiert". Die Weiterbildungsakademie Carriere & More mit Sitz in Korb bei Stuttgart arbeitet schon seit 2005 mit Lern-CDs. "Damals nur mit Audio-Files", erinnert sich Stargardt. Inzwischen bietet die Privatakademie mit bundesweit zehn Standorten Unterrichtsmaterial als Youtube-Erklärvideos oder MP4-Dateien. Sogar einstündige Talk-Runden gibt es zu sehen - im Format wie sonntagabends bei Günther Jauch. Allerdings geht es nicht um Politik, sondern um Unterrichtsstoff: Wirtschaftsdozenten diskutieren etwa über verschiedene Rechtsformen oder Personalstrategien. "Alles zum Herunterladen und Mitnehmen, für den mobilen Konsum geeignet", sagt Stargardt.

Immer mehr lernen unterwegs

Dass sich die Investition in mobiles Lernen lohnt, hat der Gesellschafter und Qualitätsbeauftragte von Carriere & More schon vor Jahren erkannt. Als Grund für die nun steigende Akzeptanz bei seinen Lehrgangsteilnehmern sieht der Betriebswirt vor allem die inzwischen bedienungsfreundliche Technik. "Die rasante Entwicklung der Smartphones hat das mobile Lernen wahrlich beflügelt", so der Unternehmer. Zwar hätten schon früher Kursteilnehmer Kästen mit Karteikarten mit nach Hause genommen, um dort zu lernen. "Wir wissen aber aus den Rückmeldungen unserer mehr als 10.000 Seminarbesucher, dass immer mehr unterwegs lernen."

Ähnliches bestätigt Stefan Janssen. Der Europa-Chef des E-Learning-Anbieters Skillsoft mit Sitz in Düsseldorf verbindet mit dem mobilen Lernen das sogenannte Micro-learning. "Wir beobachten eine steigende Nachfrage von Kursen, die zwei bis fünf Minuten dauern", stellt der Manager fest. So greifen alle, egal ob Sachbearbeiter oder Führungskraft, vor allem dann zu mobilen Lernangeboten, wenn sie aktuelle Probleme lösen wollen, erklärt Janssen und gibt ein Beispiel: "Über mobil durchsuchbare Online-Bibliotheken forschen etwa IT-Experten nach Lösungen für ihren derzeitigen Programmierauftrag." Oder Führungskräfte überbrücken Wartezeiten am Flughafen oder abends im Hotel mit dem Anschauen und Lesen beispielsweise von Kurzvideos oder Arbeitspapieren, in denen Topmanager als Experten ein Thema analysieren. Möglich sei das Unterwegs-Lernen zwar schon lange, bestätigt auch Janssen, einen spürbaren Schub habe Skillsoft jedoch die Umstellung auf SaaS (Software as a Service) oder auf die Cloud gebracht. Über personalisierte Web-Accounts könnten Mitarbeiter von Firmen auf ihre persönliche Lernlandschaft zugreifen. Die Software wird nicht mehr gekauft, sondern gemietet.

Apps dürfen nicht teuer sein

Eine vom MMB-Institut veröffentlichte Studie bestätigt den Trend zu mobilem Lernen. Das zentrale Fazit der Befragung von 74 E-Learning-Experten im deutschsprachigen Raum lautet: "Mobile Learning entwickelt sich in den nächsten drei Jahren zur Umsatzlokomotive." App Store und Android Market entwickelten sich zu den wichtigsten Plattformen für den Vertrieb. Dennoch sei nur eine Minderheit der Befragten der Meinung, dass Endkunden zehn Euro für eine App zu zahlen bereit seien.

Stefan Janssen, Skillsoft: "Microlearning, also elektronische Kurse von zwei bis fünf Minuten liegen im Trend."
Stefan Janssen, Skillsoft: "Microlearning, also elektronische Kurse von zwei bis fünf Minuten liegen im Trend."
Foto: Stefan Janssen/Skillsoft

Auch interessant: Mobile Lerner bevorzugen Angebote, die speziell für Smartphones oder Tablets erstellt wurden, die also keine mobile Adaption bestehender Kurse darstellen. Wie Skillsoft-Mann Janssen sieht auch die Studie das Mikrolernen in einer zentralen Rolle, sei es am Arbeitsplatz oder unterwegs. "Cloud Computing und Software as a Service werden dabei die Rahmenbedingungen des betrieblichen Lernens bestimmen", bilanzieren die Macher der Studie.

Besonders starke Nachfrager mobiler Lernangebote sind die sogenannten Digital Natives. Deren spielerischen Umgang mit Online-Angeboten erklären Experten mit der alltäglichen Nutzung des Internets. Doch wer mobiles Lernen nur im akademischen Umfeld verortet, liegt falsch. Bereits 2010 hat der Buchverlag Holzmann Medien aus Bad Wörishofen sechs verschiedene Meister-Apps eingeführt.

Sie bereiten gewerkübergreifend auf die Meisterprüfung vor. Dabei geht es um betriebswirtschaftliche und rechtliche Kenntnisse sowie berufs- und arbeitspädagogisches Wissen. Den potenziellen Markt schätzt das Medienhaus auf jährlich 22.000 Meisterschüler unterschiedlichster Gewerke ausgehend von den jährlich abgelegten Meisterprüfungen.

Konkret sehen die Apps so aus: Jede enthält 25 bis 100 Fragen. Zu jeder Frage gibt es drei Antworten, von denen nur eine richtig ist. Der Übende bekommt zum Schluss ein Ergebnis, wie viele Fragen er richtig beantwortet hat.

Ebenfalls nicht uninteressant: Die Inhalte der einzelnen Apps können auch in einem Zwei-Spieler-Modus trainiert werden. "Da steckt die Idee dahinter, dass Kollegen in einen spielerischen Wettbewerb treten können", verdeutlicht Achim Sacher, stellvertretender Buchverlagsleiter, die Gaming-Komponente in den Apps.

Geworben hat das Medienhaus für das mobile Lernangebot über diverse Wege: Anzeigen, Flyer, Presseinformationen für Fachredaktionen verbreitet und die Handwerkskammern informiert.

Webinare haben noch Zukunft

Nicht ganz unkritisch sieht Andreas Nau den Trend zum mobilen Lernen. Der Chef von Easysoft, einer Softwareschmiede für Bildungs-Management-Systeme in St. Johann, hält Apps zum Unterwegslernen als Wiederholungs- oder Assistenzwerkzeug zwar für geeignet. Allerdings meint der Unternehmer, dass mobiles Lernen "Präsenzseminare nie komplett ablösen kann". Auch die eingangs zitierte Studie des MMB-Instituts betont: "Die Dominanz des Themas Mobile Learning bedeutet nicht den Abschied von bewährten Lern-Arrangements." Unternehmen würden auch zukünftig vor allem auf Blended-Learning-Szenarien setzen - die Mischung aus traditionellen Lernformen und virtuellen sowie mobilen Elementen.

Die Studien-Macher sehen vielmehr, dass sich klassische Unterrichtsformen in virtuelle Klassenräume und Webinare verlagern und so eine Zukunft haben. Und auch das reine E-Learning sei längst nicht tot. Das Gros der befragten Experten sieht im Web-Based-Training nach wie vor eine bedeutsame Form des betrieblichen Lernens. Zum gleichen Schluss kommt Nau: "Bei unseren Schulungstagen in den Firmen geht es zu 75 Prozent um Prozessoptimierung", sagt der Unternehmer, und nur zu einem Viertel um die technischen Funktionen der Software. Workflow-Analysen seien nicht via mobiles Lernen machbar, so Nau. Allerdings könnten Apps anschließend bei der reinen Wissensvermittlung gute Helfer sein, um das Gehörte zu festigen. (hk)