Grafik-Chip fürs Handy

Mobile World: Nvidia drängt mit Microsoft in den Handy-Markt

11.02.2008
Von Handelsblatt 
Die High-Tech-Schmiede Nvidia hat Großes vor. In Zusammenarbeit mit Microsoft hat der kalifornische Grafikspezialist einen Hochleistungschip entwickelt, der als Basis für die nächste Generation von Microsoft-Smartphones dienen wird. Der Chip soll die Konkurrenz für das iPhone beleben - er vereint Heimkino mit der Funktionalität des Smartphone.

SANTA CLARA. Die Konkurrenz für das iPhone ist kaum größer als ein Daumennagel. In Barcelona auf dem Mobile World Congress präsentierte der kalifornische Grafikspezialist Nvidia heute einen kompletten Hochleistungs-PC auf nur einem Chip als Basis für die nächste Generation von Microsoft -Smartphones. Der Chip, laut Nvida in "enger Zusammenarbeit mit Microsoft" entwickelt und nur mit Windows Mobile lauffähig, wird die komplette Smartphone-Funktionalität beinhalten und ein Heimkino gleich mit.

Microsoft will so seinen Hardwarepartnern schnellstmöglich die Chance bieten, Telefone vergleichbar mit Apples iPhone zu konstruieren. Microsofts-Telefonpartner wie etwa Palm oder Motorola verlieren in rasantem Tempo Marktanteile an den Smartphone-Revoluzzer Apple. Im Januar in San Francisco konnte Apple-Chef Steve Jobs vermelden, dass sein iPhone im dritten Quartal 2007 bereits mit fast 20 Prozent Marktanteil die Nummer zwei im US-Smartphonemarkt hinter Blackberry (RIM) mit 39 Prozent war - und so viel Marktanteil hatte wie Palm, Motorola und Nokia zusammen.

Jetzt soll das eher öde daherkommende Windows Mobile mit Hilfe des Nvidia-Chipssatzes aufgebohrt werden. Erste Entwicklereinheiten mit einem iPhone-ähnlichen Multi-Touchscreen von Sharp, GPS, Wimax und TV sollen demnächst ausgeliefert werden. Die Massenproduktion des Chips "APX 2500" wird für Ende des zweiten Quartals erwartet. Als erster Handy-Chipsatz wird er Videos in HD-Qualität (720 Bildzeilen) aufzeichnen und auch auf Flachfernsehern in HD-Qualität (per HDMI-Anschluss) wiedergeben können. Er wird Dienste wie 3D-Navigation mit Microsoft Virtual Earth ermöglichen. Der eingebauter GeForce-Grafikchip aus dem PC-Bereich wird dreidimensionale Nutzeroberflächen ermöglichen, wie sie heute auf MS Vista- oder Apples Leopard-PCs zu finden sind.

Jen-Hsun Huang ist geradezu euphorisch. "Das ist nicht weniger als der Beginn der zweiten Computerrevolution", sagt der CEO von Nvidia. Die High-Tech-Schmiede - die das Wirtschaftsmagazin Forbes gerade erst zum Unternehmen des Jahres 2007 gekürt hat - hat sich viel vorgenommen. Der britische Konkurrent ARM hat nach eigenen Angaben seine Chips in 90 Prozent aller in Barcelona ausgestellten Mobiltelefone verbaut. Darunter das erste Windows-Smartphones von LG, das KS20 im Prada-Stil, oder Samsungs "Blackjack II", ebenfalls mit Windows Mobile 6. Dominierende Player bei reinen Applikationschips sind Firmen wie Texas Instruments oder Qualcomm. Nvidia ist hier blutiger Neuling.

Aber wenn der Generationswechsel ansteht, will der PC-Spezialist in den Gewässern von ARM, AMD, Texas Instruments und Qualcom räubern: "iPhone hat das Smartphone neu definiert. Standen früher Kalender und E-Mail im Vordergrund, ist es heute visuelles Computing", sagt Mike Rayfield, Manager der Handheld-GPU-Gruppe im Gespräch mit dem Handelsblatt. Das öffnet die Tür für geballtes Know How aus 15 Jahren PC-Grafikkarten und High-End-Computerspielen. Der Einsatz lohnt sich: Die Marktforscher von IDC glauben, dass sich der Markt nur für Applikations-Prozessoren in Mobiltelefonen bis 2010 auf 3, 3 Milliarden Dollar verdoppeln wird. Gartner rechnet für 2012 mit sechs Milliarden Dollar.

Rayfields Ingenieure in dem futuristischen Bau aus Glas und Stahl im Herzen des Silicon Valleys sind motiviert bis in die Haarspitzen: Der "APX 2500" ist das erste Gemeinschaftsprodukt von Nvidia und Portalplayer. Portalplayer hatte Chips für die ersten fünf Generationen des iPods geliefert, war aber beim iPod touch und dem iPhone ausgebootet worden. Ohne Apple brach das Geschäft weg und Nvida kaufte die Firma 2007. Jetzt sinnt man mit Microsoft auf Rache.

Und die passt auf eine Siliziumscheibe und wird im ultramoderen 45nm-Prozess gefertigt. Das verringert den Stromverbrauch dramatisch. Zehn Stunden HD-Video oder bis zu 100 Stunden MP3-Musik seien möglich. "Ich glaube", so Rayfield, "dass wir mit APX 2500 das Wachstum von Smartphones mit Windows-Betriebsystemen signifikant verbessern können." "Wir sehen gerade einen bemerkenswerten Umschwung im Markt", bestätigt auch Adrian Hartog, Senior Vice President bei AMD Consumer Electronics. "Multimedia war früher Spielerei. Heute verlangen die Käufer es und arbeiten auch damit." Seit der Übernahme des Grafikchipherstellers ATI gibt AMD im Mobilfunk mächtig Gas. Vom Chip-Riesen NXP werden in Barcelona ebenfalls neue Produkte erwartet. Nvidia hat im Geschäftsjahr 2007 rund 3,1 Milliarden Dollar umgesetzt und und einen Nettogewinn 448 Millionen Dollar erzielt nach 301 Millionen Dollar im Vorjahr.