Usability statt Featuritis

Mobile World: Handy-Branche greift Innovationen des iPhone auf

11.02.2008
Es war die "Erfindung des Jahres", urteilte das Magazin "Time". Kaum ein Handy hat aus dem Stand heraus eine solche Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit und bei den Verbrauchern wecken können wie das iPhone von Apple.

Bereits Wochen vor den Verkaufsstarts in den USA und Teilen Europas sorgte das iPhone für einen in der Branche bis dahin nicht gekannten Medienrummel. Dabei sind etliche Geräte der Konkurrenz technisch besser ausgestattet als das Apple-Mobiltelefon. Doch Experten sind sich einig: Das iPhone setzt alle etablierten Hersteller unter Druck und bringt neuen Schwung in die Branche. Auf der Mobilfunkmesse Mobile World Congress in Barcelona zeigen nun von heute an etliche Handy-Hersteller, mit welchen Innovationen sie den Vorstoß von Apple kontern wollen.

"Absolut neu beim iPhone war, dass sich Netzbetreiber um einen einzelnen Hersteller rissen", sagt Markus Eckstein, Fachredakteur der Zeitschrift "connect". Üblich war es bislang, dass Neueinsteiger in der Branche erst lange bei den Providern vorstellig werden mussten. Die von Vodafone in Deutschland angestrengte Klage gegen den Exklusiv-Vertrieb durch T-Mobile in Deutschland zeugte auch von den Befürchtungen in der Industrie, dass das Modell von Apple, bei dem der Computer- und iPod-Hersteller sich bei den Datendiensten kräftig am Umsatz beteiligen lässt, industrieweit Schule machen könnte.

Zeitgleich zum Start des iPhone in Deutschland hatte T-Mobile-Konkurrent Vodafone Samsungs Handy Qbowl ins Rennen geschickt und versuchte, mit dem reich ausgestatteten Gerät zu kontern. Das aufschiebbare Gerät mit einer kompletten QWERTZ-Tastatur und Touchscreen sollte dem iPhone den Wind aus den Segeln nehmen. Doch obwohl das Qbowl mit dem schnellen Datendienst HSDPA arbeitet, bemängelten viele Branchenbeobachter die im Vergleich umständliche Bedienung. Das schlug sich auch im Absatz nieder: Auf ein verkauftes Qbowl bei Vodafone kamen statistisch gesehen 3,5 iPhones bei T-Mobile.

Über viele Jahre hinweg hatten die Hersteller ihre Handys zu wahren Alleskönnern aufgerüstet und die Geräte mit immer mehr Funktionen ausgestattet. Schneller UMTS-Zugang, integrierter MP3-Player, Megapixel-Kamera, Voice-Aufnahme, Messaging-Funktionen, Adressbuch und E-Mail-Empfang drängten das reine Telefonieren bald in den Hintergrund. Mit dem iPhone scherte Apple aus dieser Entwicklung jedoch demonstrativ aus und verzichtete zugunsten der Bedienbarkeit auf manches Feature: "Ungewöhnlich in der Branche war, dass Apple statt auf weitere Leistungsfähigkeit und Funktionsvielfalt das Gewicht auf einfache und 'coole' Bedienung legte", sagt Eckstein.

Zwar unterstützt das iPhone statt der dritten Mobilfunkgeneration UMTS lediglich den leistungsschwächeren GSM-Datendienst EDGE. Doch das einfache Navigieren mit dem Finger über das berührungsempfindliche Display und die Möglichkeit, über die Zoom-Funktion auf Websites zu surfen, machte diesen Mangel in den Augen vieler Nutzer deutlich wett. Die Attraktivität eines großen Touch-Displays haben inzwischen viele Hersteller erkannt.

Nach der Ankündigung des iPhone im vergangenen Jahr standen binnen kürzester Zeit die ersten "iPhone-Killer" auf dem Plan. In Deutschland war der Mobilfunkanbieter O2 mit dem "HTC Touch" dem Branchenneuling sogar zuvorgekommen. Inzwischen kündigte Motorola mit dem "Moto U9" einen neuen Verfolger an: Das Klapp-Handy, das ebenfalls nur den EDGE-Standard unterstützt, verfügt über ein großes berührungsempfindliches Außendisplay aus Glas, über das sich der MP3-Player mit dem Finger bedienen lässt.

Ebenfalls als iPhone-Konkurrent gilt in der Branche auch das jüngst von dem Navigations-Spezialisten Garmin angekündigte "nüvifone", das mit reicher Ausstattung und integrierter Navigationssoftware ins Rennen gehen soll.

In Sachen Bedienungskomfort hat auch Microsoft die Verfolgungsjagd aufgenommen. Auf der Mobile World in Barcelona will der Softwaregigant sein Handy-Betriebssystem Windows Mobile 6.1 vorstellen. Die neuen Windows-Smartphones sollen mit Hilfe der Software "OneNote" das Speichern von Sprache, Schrift und Zeichnungen ermöglichen. Angelehnt an das große Vorbild soll der mobile Internet Explorer auch eine "Zoom-Out"-Funktion erhalten, die die Navigation durch einzelne Websites erleichtern soll. Das einfache Zoomen mit der Bewegung von zwei Fingern auf dem Bildschirm wie beim iPhone wird Microsoft allerdings erst beim nächsten Handy-Betriebssystem Windows Mobile 7 integrieren, schätzen Experten.

Gemessen an den Stückzahlen, die Apple verkauft, ist der Einfluss des iPhone auf die Branche durchaus bemerkenswert, sagt Eckstein. Gemessen an dem gesamten Handy-Markt mit mehr als 1,1 Milliarden verkauften Geräten seien die iPhones zwar "Peanuts". Doch im Markt der Smartphones, der sich lange Zeit behäbig entwickelt hatte und zuletzt den ersten größeren Anstoß durch das E-Mail-Handy "Blackberry" von RIM erhielt, habe sich Apple binnen kürzester Zeit weltweit auf den dritten Platz geschoben, ermittelte die Marktforschungsfirma Canalys. Mit einem Marktanteil von 6,5 Prozent verwies das iPhone nach dem weiter unangefochtenen Marktführer Nokia (52,9 Prozent) und RIM (11,4 Prozent) Motorola mit ebenfalls 6,5 Prozent Marktanteil, aber etwas weniger verkauften Geräten knapp auf den vierten Platz. (dpa/tc)