Mobile Kommunikation mit VoIP

12.01.2007
Von Stefan Gneiting 
Kommunikationsinfrastrukturen für mobile Mitarbeiter kristallisieren sich für Unternehmen zunehmend als erfolgskritisch heraus. Voice-over-IP-Anwendungen können hier wertvolle Dienste leisten.

Wer eine Voice-over-IP-fähige Nebenstellenanlage nur installiert, um mit der Ablösung der leitungsvermittelnden TK-Infrastruktur Kosteneinsparungen zu realisieren, ignoriert das eigentliche Potenzial von VoIP. Die Integration der Sprachübertragung in IP-Netzwerke ist vor allem Basis für die Realisierung neuer Dienste, die die Einbindung von Sprachfunktionen in Geschäftsprozesse und -anwendungen erlauben. Sie erleichtert darüber hinaus die Einführung flexibler Arbeitsformen, die die Mitarbeiter nicht mehr an ihren Schreibtisch fesseln, wenn sie Zugriff auf ihr Nebenstellentelefon haben wollen. Mit VoIP können Angestellte beispielsweise auch an ihrem Heimarbeitsplatz mit dem Telefon an die Firmen-IP-Anlage andocken und bleiben so auch im Heimbüro unter ihrer Geschäftsnummer erreichbar. Eine wichtige Rolle fällt hierbei dem SIP-Standard (Session Initiation Protocol) zu. "Mobile Mitarbeiter und Teleworker lassen sich dank der SIP-Dienste der Provider effektiv in die Unternehmenskommunikation einbinden", sagte Manuel Baum von der ICB Internet Consulting for Business GmbH auf dem VoIP-2007-Kongress der Computerwoche. "Der SIP-Standard unterstützt mobile Teilnehmer und enthält bereits die Festlegungen für eine intelligente Rufweiterleitung", ergänzt Baum. Die Fundamente für mobile Arbeitsformen sind damit also gelegt.

VoIP in Drahtlosnetzwerken

Am einfachsten lässt sich "echte" Mobilität in Unternehmensgebäuden und auf dem firmeneigenen Gelände realisieren. Hierzu genügt die Installation einer drahtlosen Erweiterung der IP-Anlage auf Grundlage eines WLAN-Standards der IEEE 802.11-Familie wie sie von allen großen Herstellern angeboten wird. Voraussetzung für die Bewegungsfreiheit ist eine hinreichende Zahl von Access-Punkten, die eine lückenlose Versorgung garantieren. Außerdem muss eine gute Sprachqualität für das drahtlose VoIP sichergestellt sein. Entsprechende Quality-of-Service-Mechanismen können für eine Priorisierung der Sprachdatenpakete sorgen und so eine gute Sprachqualität garantieren. Hier soll der Standard IEEE802.11e künftig Fortschritte bringen. Innerhalb geschlossener Netze, wie es Unternehmens-WLANs darstellen, kann jedoch auf die Priorisierung von Sprachdatenpaketen verzichtet werden. "Voraussetzung für den Verzicht auf Dienstgüteparameter für die Sprachübertragung ist eine ausreichende Bandbreite in den Funknetzen", gibt Prof. Dr. Thomas Magedanz von der Technischen Universität in Berlin zu Bedenken. "Innerhalb der Unternehmen kann man im Allgemeinen das zu erwartende Datenaufkommen hinlänglich genau abschätzen und das Funknetz anhand dieser Daten entsprechend auslegen." Genau diese Abschätzung ist aber das Problem in öffentlichen Netzen und an Hotspots. "Da können Sie nicht im Voraus wissen, wie viele Nutzer sich einbuchen und welche Bandbreitenkapazitäten sie mit Datendownloads belegen. Die Implementierung von Quality-of-Service-Mechanismen und eine Priorisierung von Sprachdaten sind auf jeden Fall erforderlich", ergänzt Prof. Dr. Magedanz.

Hohe Nachfrage nach WiFi-Telefonen

Auch Marktbeobachter attestieren der Sprachübertragung über drahtlose Netzwerke eine rosige Zukunft. Nach Angaben von Infonetics Research wird sich der Umsatz mit WiFi-Telefonen bis 2009 jährlich mindestens verdoppeln, teilweise sogar fast verdreifachen. Bisher kommen in den Unternehmen vor allem WiFi-fähige Single-Mode-Telefone zum Einsatz. Doch erst "Dual-Mode WiFi/Mobilfunk-Endgeräte werden den richtigen Wachstumsschub bringen", glaubt Richard Webb, Analyst bei Infonetics Research. Schon 2009, so die Prognose des Marktforschers, stammen 92 Prozent des Umsatzes mit WiFi-Telefonen aus dem Verkauf von Dual-Mode-Handys.

Die Nachfrage nach Endgeräten, mit denen man sowohl im unternehmenseigenen WLAN-Netz als auch unterwegs per Mobilfunk telefonieren kann, ist eine logische Folge der ständig steigenden Mobilität der Mitarbeiter. Nach IDC-Studien sind derzeit europaweit 47,1 Prozent der arbeitenden Bevölkerung in Jobs beschäftigt, die eine Mobilität verlangen. Dabei können erst 16,8 Prozent der mobilen Mitarbeiter auf eine drahtlose Anbindung zurückgreifen. Eine Zahl, die sich nach Schätzungen von IDC bis 2010 auf 25,8 Prozent erhöhen wird.

Aber je weniger die Mitarbeiter an ihrem festen Arbeitsplatz anzutreffen sind, desto schwieriger ist es, sie in die Kommunikationsprozesse des Unternehmens einzubinden. Die Folge einer ungenügenden Infrastruktur: stockende Abläufe, Zeitverzögerungen und nicht genutzter Leerlauf. Die IDC-Analysten kommen daher zum Schluss, dass eine ICT-Infrastruktur, die Mitarbeitern, Kunden und Lieferanten ein mobiles Arbeiten erlaubt, deshalb zu den wichtigsten Voraussetzungen für unternehmerischen Erfolg zählen.

Dual-Mode-Telefone unterstützen Mitarbeitermobilität

Dabei ist eine enge Einbindung von drahtlosen Geräten in die TK-Anlage unabdingbar - auch aus Kostengründen. So stellten nämlich Analysten des Marktforschungsunternehmen Strategy Analytics bereits im August 2005 fest, dass mehr als ein Drittel der Angestellten, die ein Mobiltelefon für Geschäftszwecke nutzen, dieses auch in ihrem Büro am Arbeitsplatz für Telefonate verwenden. Es ist anzunehmen, dass dieser Anteil heute sogar noch deutlich höher liegt. Resultat der Verlagerung von Festnetzgesprächen ins Mobilfunknetz sind rasant steigende Telefonrechnungen. Dieser Trend könnte gestoppt werden, falls die Unternehmen Lösungen einsetzen, die es ermöglichen, die Mobiltelefone der Mitarbeiter drahtlos in die Nebenstellenanlage einzubinden.

Wie das funktionieren kann, zeigt der jüngst von BT angekündigte Dienst Fusion, mit dem sich der Anbieter zunächst an kleine Unternehmen wendet. Mitarbeiter können mit ihrem Dualmode-Endgerät - derzeit stehen das Nokia 6136, das Motorola A910 und demnächst auch das Samsung P200 zur Auswahl - im Unternehmen über das interne WLAN telefonieren. Unterwegs sind sie per Mobilfunk erreichbar, oder im Einzugsbereich von Hotspots können sie auch das dortige WLAN zum Telefonieren nutzen. Der Clou des Angebots ist die nahtlose und automatische Übergabe einer Verbindung von einem Netz ins andere. BT greift dabei auf eine Technologie zurück, die unter dem Begriff Unlicensed Mobile Access bekannt ist.

Roaming zwischen WLAN und GSM

Dabei handelt es sich um eine Technologie, die Dienste eines GSM/GPRS-Mobilfunknetzwerks auch über andere Funkverbindungen wie beispielsweise Bluetooth oder IEEE802.11a, b, g bereitstellt. Die Festlegungen beinhalten auch das Roaming zwischen den unterschiedlichen Infrastrukturen: Gelangt ein UMA-Telefon mit einer bestehenden Verbindung ins Mobilfunknetz in die Reichweite eines drahtlosen Hotspots oder eines Unternehmens-WLAN, dann wird diese automatisch an das WLAN-Netz übergeben. Kernstück einer UMA-Installation ist der UMA-Controller. Er stellt eine Verbindung vom Dual-Mode-Endgerät über einen gesicherten Tunnel durch das WLAN ins Mobilfunknetz her.

Während BT mit Fusion und auch Nokia in einem Pilotprojekt im finnischen Oulu auf UMA setzen, realisiert die T-Com einen ähnlichen Dienst auf Basis von SIP (Session Initiation Protocol). Die Telekom-Tochter offeriert Privatkunden mit T-One einen Dual-Mode-Dienst. Die Kunden können dabei mit dem Dual-Mode-Handy TC300 unterwegs per Mobilfunk telefonieren, während sich das Gerät zu Hause per WLAN in einen ans Festnetz angeschlossenen Router einbucht. Eine automatische und nahtlose Übergabe von einem Netz ins andere kann die T-Com mit dem SIP-basierten Dienst bisher nicht anbieten.