Mobile Kommunikation/Software-Agenten loesen das Adressierungs- Problem

Mobile-IP-Standard vereinfacht logische Verbindungen in Netzen

03.05.1996

Mehr als zwei Jahre hat es gedauert, bis die Mobile-IP- Arbeitsgruppe der Internet Engineering Task Force (IETF) den Entwurf Nr. 15 des jetzt vorliegenden Mobile-IP-Standards veroeffentlichte. Wichtige Vereinbarungen fuer die Spezifikation wurden waehrend der "Mobile-Fest"-Veranstaltung im vergangenen Jahr getroffen. Hier trafen Technologieexperten zusammen und stellten ihre Implementierungen vor, um bestehende Probleme der Interoperabilitaet zu beseitigen.

Die anschliessenden Tests fuehrten zur Verfeinerung des Protokolls und schliesslich zur Veroeffentlichung der Entwuerfe 14 und 15 der IETF. Diese, so glauben die Anbieter, sind stabil und umfassend genug, um nun mit der endgueltigen Produktentwicklung beginnen zu koennen.

Historisch gesehen ist die Forderung nach einem umfassenden Standard fuer Mobile IP eng verknuepft mit der zunehmenden Verbreitung von portablen Eingabe- und Registrierungsgeraeten wie beispielsweise Handhelds, die etwa in Point-of-Sale-(POS- )Anwendungen, Lagerverwaltungs- oder Versandsystemen zum Einsatz kommen.

Diese mobilen Geraete sind in der Lage, innerhalb eines festgelegten Deckungsbereichs, auch Zelle genannt, mit einem Radius von normalerweise maximal 50 Metern Informationen zu senden und zu empfangen. Der Anwender kann auch beim Wechsel in benachbarte Zellen weiterhin Informationen senden und empfangen, solang diese Teil desselben IP-Netzwerksegments ist.

Der Nachteil dabei ist, dass Unternehmen fuer jedes einzelne Segment mobile Geraete kaufen und konfigurieren muessen. Geht beispielsweise ein Anwender vom Versand zur Anlieferung, nutzt ihm sein Handheld- Geraet nichts, wenn sich die beiden Bereiche in verschiedenen Segmenten befinden.

Ein Loesung waere sicherlich die Abschaffung der Netzwerksegmentierung. Sie duerfte aber zu Ueberlastung, Fehlern und Problemen mit Antwortzeiten fuehren, zu deren Vermeidung die Segmente entwickelt wurden. In der Vergangenheit hatten Unternehmen daher nur die teure und umstaendliche Moeglichkeit, fuer jeden Anwendungsbereich neue Handheld-Geraete anzuschaffen.

Mit dem neuen Mobile-IP-Standard soll nun die Alternative geschaffen werden. Die Norm zielt darauf ab, sich waehrend einer bestehenden Verbindung mit mobilen Geraeten frei zwischen verschiedenen Segmenten bewegen zu koennen.

Fest installierte Schreibtischgeraete werden zunehmend durch Laptops, Palmtops oder persoenliche digitale Assistenten ergaenzt. Kann der Anwender diese Geraete jedoch nicht in das eigene Netzwerksegment einbinden, wird er ueber die mobilen Geraete keine Informationen empfangen koennen. Der Mobilitaetsvorteil ist also begrenzt.

Wechselt ein Anwender etwa zeitweise in ein anderes Segment, kann er E-Mails nur empfangen, wenn die Routing-Tabellen der betroffenen Router aktualisiert wurden. Nur dann leitet der Router des "Heimsegments" die an den mobilen Client verschickten Pakete zum richtigen Segment. Ohne eine neue IP-Adresse oder eine aktualisierte Router-Tabelle ist das Netzwerk nicht in der Lage, das mobile Geraet im fremden Segment zu adressieren.

Erschwerend kommt hinzu, dass TCP/IP-Netze (Transmission Control Protocol/Internet Protocol) eine Bestaetigung des Datentransfers fordern. Bleibt diese aus, startet das Protokoll die Uebertragung erneut. Dieser Mechanismus generiert demnach zwei Probleme: Der mobile Anwender erhaelt keine Pakete, und die zahllosen Sendeversuche blockieren das jeweilige Netzwerksegment.

Der neue Mobile-IP-Standard loest dieses Aergernis mit Mobilitaetsagenten in jedem Subnetzwerk. Der Agent fungiert dabei als Low-level-Software-Router, der alle an einen registrierten mobilen Client gerichteten Pakete weiterleitet. Dieses Verfahren bietet den Vorteil, dass ein groesserer Teil der Intelligenz im Agenten gebuendelt ist. Somit ist der Netzwerk-Stack auf dem mobilen Rechner soweit als moeglich entlastet.

Um sich zu identifizieren, senden die Agenten fortwaehrend sogenannte Unicast-Pakete. Eine geaenderte Identitaet des sendenden Agenten teilt dem Client-basierenden Mobile Node mit, dass er auf seinem Weg das Segment gewechselt hat. Empfaengt der Client keine Unicast-Pakete von seinem eigenen Home Agent mehr, meldet sich ein unbekannter Foreign Agent. Waehrend des Dialogs mit diesem, veranlasst der Mobile Node seinen Gespraechspartner, dem Home Agent ein Registrationspaket zu uebermitteln. Diese Nachricht enthaelt Angaben ueber die aktuelle Position des mobilen Clients im Netzwerk.

Sobald der Mobile Node registriert wurde, verwendet der Agent des heimischen Segments die IP-Adresse des Foreign Agent als Zwischenadresse (Care of Address = COA) fuer den sich bewegenden Teilnehmer. Der Home Agent benutzt dazu die Kapselung (oder Tunneling). Die zu versendenden Pakete fuer den Mobile Node werden dabei mit einer temporaeren IP-Adresse versehen. Der Foreign Agent entkapselt das Paket und sendet das Orginal direkt an den Mobile Node. Das Ergebnis ist ein unterbrechungsfreier Informationsfluss, der den Endanwender problemlos erreicht.

Ein wesentlicher Aspekt bei der Ausarbeitung des neuen Standards war die Sicherheit der Mobile-IP-Architektur. Dazu spezifiziert das IEEE (Institute of Electrical and Electronic Engineers) folgende Loesung: Wechselt ein mobiles Geraet den Standort und registriert sich in der Folge ueber einen Foreign Agent bei seinem Home Agent, wird die Identitaet des Mobile Node durch ein Authentifizierungssystem abgefragt. Das heisst, der Foreign Agent leitet die Registrationsanfrage des Mobile Node zur endgueltigen Authentifizierung an den entsprechenden Home Agent weiter. Gleichzeitig ueberprueft aber auch der Mobile Node die Identitaet des Home Agents.

Fuer den Anwender verlaufen diese Aktionen transparent. Das Mobile- IP-Protokoll erfordert minimale Eingriffe. Der Benutzer muss bei der Installation lediglich die Informationen ueber die Auswahl seines Home Agent und der Sicherheitsinformation weitergeben. Foreign Agents funktionieren dann ohne speziellen Konfigurationsaufwand. Die Setup-Routinen fuer den Mobile Node starten meist automatisch.

Der Mobile-IP-Standard duerfte den Trend in Richtung IP als allgemeines Kommunikationsprotokoll verstaerken - die ersten verfuegbaren Applikationen versprechen zumindest Probleme flexibler und mobiler Organisationen zu loesen.

Kuenftige TCP/IP-Stack-Versionen werden vermutlich die neuen Mobile-IP-Standards integrieren. Wer dessen Flexibilitaet nutzen will, sollte die Loesungen der verschiedenen Anbieter genaustens pruefen: Die Integration des neuen Mobile-IP-Standards wird kuenftig ein Zeichen fuer State-of-the-Art-Technologie sein.

Kurz & buendig

Ueber ein ausgekluegeltes Kommunikationsprotokoll des Mobile-IP- Standards haben Teilnehmer auch beim Wechsel in fremde Netzsegmente Zugriff auf die gewohnten Ressourcen. Das Standardgremium IETF etabliert dazu zwei Typen von Agenten, die mobilen Geraeten temporaere IP-Adressen zuteilen. Damit Anwender, die sich in fremden Netzsegmenten befinden, wie gewohnt Nachrichten empfangen und senden koennen, tauschen die Agenten untereinander und mit dem entfernten und sich bewegenden Knoten Informationen aus.

Das DHCP-Protokoll

Der Mobile-IP-Standard unterstuetzt ein weiteres Verfahren: das Dynamic Host Configuration Protocol (DHCP). Als Einzelloesung verfuegt DHCP in einer mobilen Umgebung nur ueber eine eingeschraenkte Dynamik, da alle Applikationen geschlossen werden muessen, bevor die neue temporaere Adresse wirksam werden kann.

In Verbindung mit Mobile IP entsteht eine leistungsfaehige mobile Loesung. Die vorgeschlagene Mobile-IP-Spezifikation legt fest, dass ein mobiler Client versuchen sollte, eine COA von einem DHCP- Server zu erhalten, bevor er ueber einen Foreign Agent arbeitet. Wenn er eine gueltige IP-Adresse (COA) ueber DHCP erhalten konnte, entschluesselt der Mobile Node die von seinem Home Agent empfangenen und gekapselten Pakete selbst.

*Art Michaud ist Senior Product Marketing Manager bei FTP-Software in Unterhaching.