Mobile E-Mail verkürzt Reaktionszeiten

12.07.2006
Von 
Diplomkaufmann Frank Zscheile ist Freier Journalist in München-Westend.
E-Mail-Push-Dienste bieten Unternehmen und Einzelnutzern die Möglichkeit, Entscheidungswege zu verkürzen und die Produktivität zu steigern. Doch die Lösungen weisen Vor- und Nachteile auf.
Inzwischen gibt es eine breite Palette an Push-E-Mail-Lösungen für Privat- und Business-Anwender.
Inzwischen gibt es eine breite Palette an Push-E-Mail-Lösungen für Privat- und Business-Anwender.

Streng genommen bedeutet Mobile E-Mail nichts anderes als die Möglichkeit, elektronische Post auf einem tragbaren Endgerät, insbesondere einem Handy beziehungsweise Smartphone, empfangen zu können. Möglich ist dies bereits seit der Einführung der ersten WAP-Handys. Doch erst der E-Mail-Push-Dienst "Blackberry" samt dem gleichnamigen Endgerät von Research in Motion (RIM) hat dem Verfahren Jahre später zum Durchbruch verholfen. Woran liegt das? Noch mehr als auf anderen Plattformen spielt im mobilen Bereich die Usability, also die einfache, intuitive Bedienbarkeit, eine entscheidende Rolle.

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Dabei gibt es einige wichtige Kriterien. Das Wesentlichste ist die Möglichkeit, E-Mails offline verfassen zu können. Wer schon einmal seinen in einem Web- oder WAP-basierenden Mail-System auf der Handy-Tastatur mühsam erstellten Text wegen Netzschwankungen verloren hat, weiß, dass dies keine zeitgemäße Lösung ist. Dabei gibt es viel komfortablere Möglichkeiten, verfügt doch inzwischen nahezu jedes bessere Handy über eine Mail-Software, die Mails über Imap (Internet Message Access Protocol) oder POP 3 (Post Office Protocol, Version 3) abrufen und offline erstellte E-Mails über SMTP (Simple Mail Transfer Protocol) versenden kann. Neuere Geräte bieten zudem die Möglichkeit der SSL-Verschlüsselung, so dass die Lösung auch im Unternehmenskontext eingesetzt werden kann. Je nach Einstellungen werden die Mails in bestimmten Zeitintervallen abgerufen.

Vorsicht bei Billig-Accounts

Für den privaten Anwender ist mit dieser Lösung bereits ein Höchstmaß an Usability erreicht. Empfehlenswert ist allerdings, nicht unbedingt Kosten durch die Verwendung eines kostenlosen Mail-Kontos zu sparen, denn im Mobilfunknetz wird für jede E-Mail gezahlt, also auch für Spam und Werbe-Mails. Kostenpflichtige Accounts mit Spam-Filter, wie sie etwa der Dienst Cortado.de anbietet, können sich hier schnell bezahlt machen.

Doch Imap, POP 3 und SMTP beziehen sich lediglich auf E-Mails. Mit so genannten Synchronisationslösungen wie Activesync von Microsoft oder der neu zu Nokia gehörenden Intellisync-Lösung können zusätzlich zwischen dem mobilen Gerät und dem Arbeitsplatz auch noch Kalendereinträge, Aufgaben und vieles andere abgeglichen werden, was einen nicht zu unterschätzenden Effizenzgewinn darstellt.

Wozu Push?

Worin liegt der Vorteil, dass E-Mails sofort und nicht in 15-Minuten-Intervallen eingehen? Wer jemals auf einem Blackberry-Event war, weiß, dass man sich dort mal schnell via Mail zum Treffen an der Hotelbar in den nächsten fünf Minuten verabredet. Doch das verpasste Freibier ist natürlich nicht das Kriterium für die Nutzung von E-Mail-Push. Das Ziel ist die Beschleunigung von Entscheidungen: Ohne Push kann die Koordination zwischen vier Entscheidungsträgern ein bis zwei Stunden benötigen, mit Push in guten Fällen weniger als fünf Minuten.

Welche Push-E-Mail-Lösungen?

Grundsätzlich kann man zwischen Lösungen mit und ohne Network Operation Center (NOC) unterscheiden. Zu den Diensten, die E-Mails über ein eigenes Rechenzentrum an die mobilen Endgeräte weiterleiten, zählen neben Blackberry die Lösungen von Good Technologies und Visto. Microsofts Direct Push und Nokia Intellisync kommen dagegen ohne ein solches NOC aus.

Ein wesentlicher Vorteil der Blackberry-Lösung liegt darin, dass RIM ein Endgerät liefert, dessen gesamte Hardware auf die E-Mail-Software abgestimmt ist. Doch auch andere Lösungen sind inzwischen für den Einsatz von Push-Mail gut gerüstet - vorausgesetzt, man nutzt zum E-Mail-Empfang den auf den Geräten installierten nativen Client. Dies ist beispielsweise bei Nokia Intellisync und bei Microsoft Direct Push der Fall. Was viele nicht wissen: Die Lösung der Gates-Company lässt sich nicht nur mit Handys mit dem Betriebssystem Windows Mobile 5.0 verwenden. Sie eignet sich für sämtliche Geräte, die "Exchange Activesync" unterstützen, dank Lizenzvereinbarungen zählen dazu etwa auch Smartphones mit Symbian-OS wie Produkte aus Nokias E-Serie. Dienste wie Good oder Blackberry Connect dagegen laufen als eigenständige Anwendung neben dem Standard-E-Mail-Client und können vielfach nicht die gleiche Integrationsstufe bieten.

Einen weiteren Ansatz bietet der seit April angebotene Dienst "Pocket Web" von United Internet, der ausschließlich für Nutzer von Accounts bei GMX, Web.de sowie 1&1 in Frage kommt und die Verwendung eines speziellen Gerätes voraussetzt. Das Telefonieren ist nur über eine Bluetooth-Freisprecheinrichtung möglich.

Management von Anhängen

Das Datenvolumen der E-Mail-Texte ist in der Regel sehr übersichtlich. Problematischer wird es bei großen Attachments, denn diese können ja gleich ein mehrere Megabyte großes und damit entsprechend teures Datenvolumen verursachen. Die Dienste von Good und Blackberry/RIM lösen das Problem, indem sie anstelle des Anhangsdokuments nur eine Vorschau senden. Das spart zwar Datenvolumen, schließt aber die Weiterverarbeitung des Dokuments aus. Microsoft und Nokia bieten zur Ansicht von Anhängen lokale Anwendungen wie "Pocket Office" und "Quick Office" an.

Vorschau statt Volldokument

Da mobile Anwender auf dem kleinen Gerät in der Regel ungern tatsächlich Dokumente modifizieren wollen, entsteht ein recht hohes Datenvolumen, ohne dass der tatsächliche Nutzen dies unbedingt rechtfertigt. Einen anderen Ansatz verfolgt der Softwarehersteller Thinprint mit seinem "Content Beamer": Zwar bleibt das Anhangsdokument erhalten, aber es wird nur eine mit diesem Dokument verbundene Vorschau zum mobilen Device gesandt. Das eigentliche Dokument verbleibt auf dem Server. Dieser Ansatz bietet nicht nur den Vorteil, dass - wie bei Blackberry und Good - eine wesentlich geringere Datenmenge übertragen und damit Bandbreite und Zeit gespart wird, sondern der Anwender kann darüber hinaus weitere Arbeitsschritte an dem auf dem Server verbliebenen Dokument vornehmen. So ist ein Ausdruck auf einem Netzwerkdrucker oder der Versand des Dokumentes als Fax in Sekunden erledigt. Und auch ein Ausdruck des Dokuments auf einem mobilen Drucker ist in Originalqualität über Bluetooth oder Infrarot jederzeit möglich.

Für den privaten Anwender, aber auch für kleinere bis mittlere Unternehmen sind gehostete Postfächer empfehlenswert. Das Angebot reicht vom kostenlosen Account bei Web.de oder GMX über kostenpflichtige Angebote wie den Blackberry Internet Service bis zu Hosted-Exchange-Angeboten wie beispielsweise Cortado.de.

Für Unternehmen, die die Kosten eines eigenen Mail-Servers nicht scheuen, bietet Microsofts Exchange Server 2003 SP2 eine bereits eingebaute Push-Mail-Lösung. Der Blackberry Enterprise Server oder auch Nokia Intellisync setzten auf Microsoft Exchange auf und ergänzen die Lösung um etliche weitere Funktionen in Bezug auf die Synchronisation, die Sicherheit und den Zugriff auf Anwendungen. Beide lassen sich auch mit weiteren Mail-Systemen wie beispielsweise Lotus Notes betreiben.

Tarife

Bei der Wahl des passenden Tarifs wird es kompliziert, denn die Angebote ändern sich ständig. Daher sollte das Volumen großzügig geschätzt werden, denn die Erfahrung zeigt: Eine einmal überschrittene Volumengrenze verursacht schnell wesentlich höhere Kosten als der Mehrpreis für ein eventuell zu hohes Volumen. Zu beachten ist ferner, dass sich die verschiedenen Push-Mail-Systeme auch in ihren Datenvolumen unterscheiden, insbesondere was das Dokumenten-Handling angeht. Hier rechnen sich schnell Lösungen, die es ermöglichen, Dokumente ohne Download zu lesen. Sollen die mobilen Devices im Ausland genutzt werden, gilt unbedingt zu beachten, dass die Roaming-Gebühren gerade in den Datentarifen sehr hoch sein können.

Wie geht es weiter?

Auch wenn Microsoft & Co. nun mit eigenen Push-Lösungen auf den Markt drängen, verunsichert das die Blackberry-Anwender in der Regel nicht. Sie sind bereits heute in der Lage, noch wesentlich mehr als Push-E-Mail zu nutzen. Das Spektrum reicht vom schnellen Surfen im Internet bis zum einfachen Zugriff auf betriebliche Anwendungen über Web-Services. In jedem Fall gilt Mobile Push als eine der Killerapplikationen der nächsten Jahre. Zu Recht, führt es doch nachweislich zu mehr Produktivität und kürzeren Entscheidungsprozessen. (mb)