Mobile Commerce/Banken wollen neuen Absatzkanal auftun

Mobile Brokerage: Nur noch wenige Schritte bis in die Welt des Big Business

18.08.2000
Mobile Commerce hat viele Facetten. Eine davon sind Banktransaktionen via WAP-Handy. Geschäft machen die Banker allerdings noch nicht wirklich. Mit dem mobilen Gerät begibt man sich auf Neuland, das aber Bankinstitute jetzt betreten müssen, damit sie bei der technologischen Weiterentwicklung nicht abgehängt werden. Zudem verbessert der WAP-Zugang die Kundenbindung, was Arno Laxy* am Beispiel des Online-Brokers Consors zeigt.

"Wir sehen WAP derzeit als einen Zwischenschritt auf dem Weg zu einem allgemein akzeptierten Standard für den Mobile Commerce. Wichtig ist uns aber, frühzeitig dabei zu sein und unseren Kunden jetzt mobile Anwendungen anzubieten", erläutert Ulrich Franken, als Projektmanager IT-Märkte bei Consors in Nürberg für Mobile Commerce zuständig.

Der WAP-Hype hat sich gelegt, Ernüchterung macht sich allerorten breit. Noch auf der CeBIT im Februar schien es, als ob WAP und Mobile Commerce den E-Commerce vom Treppchen des meist benutzten Hype-Wortes verdrängen würden.

Doch mittlerweile wurden die euphorischen Prognosen vom Jahresanfang längst nach unten korrigiert, und auch im Online-Brokerage ist von der WAP-Manie nichts mehr zu spüren. Franken bestätigt dies: "Momentan liegt die Zahl der Transaktionen via WAP pro Tag im dreistelligen Bereich." Gründe dafür sieht er in der späten Verfügbarkeit entsprechender Geräte und der niedrigen Übertragungsgeschwindigkeit. Marktforscher sehen dies ähnlich. In einer aktuellen Untersuchung nennt das Frankfurter Marktforschungsinstitut Forit die noch geringe Datenübertragungsrate im GSM-Netz von 9,6 Kilobytes pro Sekunde und die meist winzigen Bildschirme als Gründe für den bisher ausgebliebenen Erfolg. Hinzu kommt die geringe Zahl verfügbarer WAP-Handys. Der Studie zufolge nannten im März dieses Jahres nur fünf Prozent von 505 Mobiltelefonierern ein WAP-Handy ihr Eigen. Indes, auch wenn Mobile Commerce via Wireless Application Protocole hinter den allgemein geschürten Erwartungen zurückbleibt, ist das für die Online-Broker aus dem Frankenland kein Grund, von dem gewählten Pfad abzuweichen. Dieses Geschäftsmodell einer mobilen Handelsplattform hat Zukunft, wenn sich die Analysten nicht täuschen.

Durlacher Research veröffentlichte 1999 eine Studie, derzufolge der europäische M-Commerce-Markt von 323 Millionen Euro im Jahr 1998 auf fast 23 Milliarden Euro 2003 wachsen wird. Angesichts der aktuellen Probleme dürfte diese Einschätzung aber viel zu hoch gegriffen sein.

Eine brandaktuelle Studie des Beratungs- und Forschungsunternehmens Ovum mit Sitz in Boston, London und Melbourne berücksichtigt diese Schwierigkeiten, erwartet aber weiterhin hervorragende Geschäftsperspektiven für Mobile Commerce. Die Auguren von Ovum gehen für das Jahr 2006 von 1,5 Milliarden Mobilfunkbenutzern weltweit aus. Davon sollen 684 Millionen Menschen auf Microbrowsern basierende Dienste einsetzen.

Neben traditionellen Absatzkanälen wie Filialen, Selbstbedienungsterminals und Online-, Internet- sowie Telefonbanking beginnen diese Dienste einen neuen Kanal zu etablieren. Im Mobile Brokerage gehören dazu das Abrufen von Finanznachrichten wie Kursinformationen in Echtzeit oder nahezu in Echtzeit, von Mitteilungen über die Auftragsausführung, von Informationen zum eigenen Portfolio oder auch Erwerb und Verkauf von Wertpapieren. Hinzunehmen kann man auch noch Chart-Analysen zu Wertpapieren in den Kundendepots. Ganz neu ist die Abwicklung von Payback-Transaktionen via WAP-Handy.

WAP-Unfertigkeit nicht verteufeln"Payback" bezeichnet eine Art Rabattkartenverfahren. Mit jedem Kauf bei Partnern dieses Systems, wie zum Beispiel Kaufhof, werden dem Kunden Punkte gutgeschrieben. Auch die Nürnberger Broker beteiligen sich an diesem Kundenbindungssystem: Jeder Neukunde erhält eine Gutschrift von 1500 Punkten. Sie berechtigen zum Tausch in Bargeld oder zur Überweisung auf ein inländisches Bankkonto. Dabei entsprechen 100 Punkte dem Wert eines Euros. Voraussetzung hierbei ist lediglich, Teilnehmer bei Payback zu sein. Dieses System lässt sich zwar auch ganz klassisch in einem Laden oder beim Online-Banking einsetzen, die Kombination mit dem WAP-Handy erschließt aber dessen orts- und zeitunabhängige Nutzung.

In diesen neuen Diensten sehen die meisten Analysten auch den Mehrwert von M-Commerce-Anwendungen, trotz aller Startschwierigkeiten. Einhellig appellieren sie an Unternehmen, jetzt in WAP-Technologien zu investieren und diese schnell umzusetzen. Der Verfasser der Ovum-Studie, Michael Mac Kenzie, wehrt sich beispielsweise dagegen, die "Unfertigkeit" von WAP zu verteufeln: Das Übertragungsprotokoll sei nie als endgültige Lösung für das Internet konzipiert worden. Wer jetzt keine WAP-fähigen Anwendungen fördere, gerate bei der nächsten Weiterentwicklung der mobilen Übertragungstechnologien, die dann möglicherweise auf XML aufsetzen, schnell ins Hintertreffen. Wichtig sei, einen professionellen Kundensupport zu bieten und nicht erst bessere Technologien abzuwarten. Heute müssten Geschäftsmodelle entwickelt werden, die dem Anwender den Nutzen vermittelten, gerade auch im Vergleich zu Internet-Angeboten, die ja in der Regel kostenlos sind.

Sollen mit mobilen Diensten, seien sie nun WAP-basierend oder auf der Grundlage eines anderen künftigen Standards konzipiert, mittelfristig Einnahmen erwirtschaftet werden, muss deren Vorteil schnell einsichtig und real sein. Die Gartner Group empfiehlt in einer Betrachtung über die Chancen von Banktransaktionen mit Handy - "Research Brief: Cellphones: A New Way of Banking in Germany" - von Ende Mai dieses Jahres den Banken, den Markt für Mobile Banking schnell zu betreten, um mit der Marktreife neuer, weiter fortgeschrittener Standards möglichst bereits im Jahr 2001 Profit aus dem M-Commerce zu ziehen.

Diese Erkenntnisse gelten insbesondere auch für das Mobile Brokerage. Als neuer Absatzkanal im Bereich Online-Finanzdienstleistungen fristet es vom Transaktionsvolumen her zwar noch ein Schattendasein im Vergleich zu den "traditionellen" Kanälen. Einer kürzlich veröffentlichten Erhebung des Beratungshauses Mummert + Partner zufolge handeln von den gegenwärtig 15 Millionen Internet-Nutzern in Deutschland knapp zwei Millionen online mit Aktien. Der gesamte Sektor dürfte, so die Unternehmensberatung, in den nächsten Jahren kräftig boomen. Die Berater rechnen bis 2010 mit bis zu zwölf Millionen Online-Depots - der Großteil davon bei Discount-Brokern. Das Marktpotenzial sei so gewaltig, dass für das Mobile Brokerage ein beträchtlicher Anteil davon abfallen dürfte, wenn die oben genannten Rahmenbedingungen erfüllt werden.

Davon ist auch Discount-Broker Consors überzeugt. Der Online-Banker mit aktuell bis zu 100000 Wertpapiertransaktionen am Tag, derzeit mehr als 900 Mitarbeitern und einer Börsenkapitalisierung von zirka 4,8 Milliarden Euro hat in seiner kurzen Geschichte frühzeitig technologische Innovationen in sein Geschäftsmodell integriert. Anfangs - 1994 - begannen der Firmengründer Karl Matthäus Schmidt und vier Mitstreiter der ersten Stunde mit der Weiterleitung einer Handvoll Faxaufträge zur Wertpapierorder an ein konventionelles Börsensystem. Später kam die telefonische Bestellung über ein Touchtone-Verfahren, anschließend Online-Order über T-Online und ab 1996 das Internet hinzu. M-Commerce ist der jüngste Zugangsweg seit Februar 2000.

Konzentrierte sich das Angebot zunächst nur auf die Orderabwicklung, so diversifizierte das Bankhaus sein Portfolio von Diensten wie Intraday-Trading in Deutschland und den USA über die Entwicklung einer breiten Palette von derzeit rund 2000 Fonds bis zu Informationen rund ums Börsengeschehen. Das Haus liefert Wertpapierkurse in Echtzeit, sowohl via Online-Banking als auch via WAP-Gerät.

Die derzeitige zweistufige Architektur ist mit den Anforderungen gewachsen. Sie besteht aus einem Großrechner-Backbone, verteilt auf zwei Standorte - Nürnberg und Hof -, und dem Frontend mit den verschiedenen Anwendungen für die jeweiligen Zugänge, nämlich WAP, Internet, T-Online, Telefone und immer noch Fax. Die Verbindung zwischen Frontend und Backend stellen Kommunikationsrechner her. Es handelt sich um Vorrechner von Fujitsu-Siemens und Unix-Server von Sun Microsystems, auf denen eine Eigenentwicklung mit spezifischen Schnittstellen für jeden Zugangskanal eingesetzt wird. Geschäftskritischer Kern ist das Backbone mit BS2000-Großrechnern und der Bankenanwendung "Kordoba". Die zwei physikalisch voneinander getrennten Rechenzentren sind über breitbandige Leitungen so verbunden, dass auch beim Ausfall eines Rechenzentrums das andere die Last noch vollständig übernehmen kann. Die Zeichnung der T-Online-Aktien überstand der innovative Broker nicht zuletzt deswegen, weil speziell dafür die Rechnerkapazitäten nochmals erhöht wurden.

Der Mainframe wird auch künftig das Kernstück der IT-Umgebung bleiben, er genügt den Anforderungen an Transaktionssicherheit und -volumen sowie den rechtlichen Ansprüchen an den Datenschutz.

Die Einbindung des WAP-Zugangs in die IT-Architektur gestaltete sich relativ einfach: Die entsprechende Anwendung wurde als Eigenentwicklung zu den vorhandenen Frontends hinzugefügt und über die Kommunikations-Server mit dem BS 2000-Mainframe verbunden.

Die Anwendung, der "Mobile Broker", nutzt zur Authentifizierung derzeit noch eine Direktverbindung zu D2, weil die standardmäßigen Sicherheitsmechanismen des WAP-Protokolls für diesen Teil der Verbindung noch nicht ausreichen. Das Konto für die Applikation wird über die Eingabe der Kontonummer, der Handy-Nummer und des "Phone Broking PIN" aktiviert.

Diese Freischaltung registriert den Kunden als Nutzer des Mobile Brokers. Durch Anklicken der Web-Dienste zum Beispiel über die Hotlinks im D2-Portal erscheint die Startseite wap.Consors.de auf dem Handy-Menü. Der Anleger kann sich dann durch alle Menüpunkte wie beispielsweise Kursabfrage, Order oder Depot durchhangeln und Finanztransaktionen tätigen. So weit die Theorie.

In der Praxis funktioniert dies zwar technisch, die Transaktionen bewegen sich an einem durchschnittlichen Tag aber nur im dreistelligen Bereich - marginal, im Vergleich zu den anderen Kanälen. IT-Manager Franken sieht darin kein Problem, gehe es doch derzeit darum, "die Technologie kennen zu lernen und zu zeigen, dass Mobile Brokerage prinzipiell funktioniert". Sobald die Geräte andere Eigenschaften haben, wie zum Beispiel größere Bildschirme, ist der erste wichtige Schritt getan. "Die zweite Etappe wird die Verfügbarkeit neuer Standards wie GPRS mit deutlich höherer Übertragungsrate sein", ergänzt er. Dies dürfte schon in den nächsten zwölf bis 18 Monaten zu einer Verschmelzung von WAP mit neuen Standards wie GPRS und UMTS führen.

Ein alternativer Zugang zum InternetZur allgemeinen Strategie bemerkt Felix Egloff, Managing Director International Operations: "Die eigentliche Bedeutung des Mobile Brokerage sehen wir aktuell darin, dem Kunden einen alternativen Zugangsweg zu bieten. In Spitzenlastzeiten der etablierten Kanäle erhält der Kunde damit einen Wettbewerbsvorteil, da er trotz Überlastung des Internet über WAP immer noch Kontostandsanfragen oder auch den einen oder anderen Wertpapierdeal tätigen kann." Auch wenn noch keine Zahlen vorliegen, erhofft sich der Online-Broker damit auch, die Zufriedenheit der Kunden und damit deren Bindung an das Unternehmen zu erhöhen sowie generell neue Kunden durch diese WAP-Offerte zu gewinnen.

Der Bedarf scheint jedenfalls da zu sein. Und die Vorzüge springen ins Auge. Gartner nennt als Vorteile mobiler Bankgeschäfte via WAP, inklusive Mobile Brokerage, neben dem orts- und zeitunabhängigen Einsatz insbesondere die Tatsache, dass über einen Bildschirm angewählte Dienste leise sind. Sensible Daten wie persönliche Identifikationsnummern (PIN) müssen nicht in aller Öffentlichkeit geäußert werden. Sind dann die mobilen Endgeräte jenseits aller Marketing-Aussagen auch noch so komfortabel, dass sie es mit Kanälen wie Internet oder T-Online aufnehmen können, dann dürfte dem Mobile Brokerage und M-Commerce tatsächlich eine rosige Zukunft bevorstehen.

*Arno Laxy ist freier Journalist in München.

Das UnternehmenAls Karl Matthäus Schmidt 1994 mit einem Studienkollegen das erste deutsche Discount-Broker-Haus gründete, hatte er ähnliche Beweggründe wie viele Startups heutzutage. Ihn störte die bisherige Praxis der Wertpapierberatung, inklusive der zahlreichen bei der Aktienorder anfallenden Gebühren. Gemeinsam überlegten sie sich, wie sie es besser und billiger machen könnten. Mit der Idee des Discount Brokerage war auch Consors geboren. Heute weist der Broker eine Börsenkapitalisierung von 4,6 Milliarden Euro auf. Im Jahre 1999 leitete das Unternehmen für seine rund 200000 Kunden 7,2 Millionen Orders weiter. Im ersten Halbjahr 2000 wurden bereits 7,6 Millionen Transaktionen an die Börse geroutet. Mittlerweile betreut man konzernweit rund 449 000 Kunden.