UMTS/Großer Entwicklungsbedarf für UMTS-Applikationen

Mobile Anwendungen verlangen Integration

05.12.2003
In erster Linie wird UMTS den Anwendern mehr Bandbreite bieten. Doch nicht die höhere Transferrate, sondern neue Applikationen werden die Treiber für UMTS sein. Mobile Anwendungen geben aber nur dann Sinn, wenn sie voll in die Geschäftsprozesse integriert sind.Von Sung Ha und Stefan Wilhelm*

Die Nutzung mobiler Telekommunikationstechnologien und Services hat sich in einigen Branchen als entscheidender Wettbewerbsfaktor herausgestellt. Die technische Grundlage für das mobile Business bilden dabei der heutige Mobilfunkstandard GSM und seine Erweiterung GPRS - doch leider ist die Datenübertragungsrate auf gut 40 Kbit/s begrenzt. Bei einigen Anwendungen dauert der Transfer deshalb sehr lange, und das kostet Nerven. Wenn der neue Mobilfunkstandard UMTS 2004 endlich an den Start geht, werden zunächst Übertragungsraten von etwa 80 bis 100 Kbit/s erwartet. Es stellt sich also die Frage: Bringt das Mehr an Bandbreite den großen Durchbruch für mobile Geschäftsanwendungen?

UMTS wird seine Vorteile da ausspielen können, wo eine schnelle Übertragung und hohe Bandbreiten gefragt sind. Das ist vor allem bei Video- und Multimedia-Anwendungen der Fall, weil sie die größten "Bandbreitenfresser" sind. Für den Privatkunden ist da zum Beispiel die Videotelefonie mit UMTS interessant, weil sich die Gesprächspartner dank eingebauter Kamera und Display während des Gesprächs sehen können. Verschiedene Szenarien und neue Einsatzgebiete sind jedoch auch für Business-Anwendungen denkbar, wie folgende Bespiele zeigen.

Szenario mobiler Schaden-Manager: Gutachter von Versicherungsunternehmen müssen oft weite Strecken zurücklegen, um den Ort des Geschehens zu untersuchen. Das kostet die Versicherer viel Geld, da die Experten mehr Zeit mit Reisen verbringen als mit dem Gutachten selbst. Die Idee ist deshalb, nicht den teuren Gutachter, sondern einen weniger qualifizierten Mitarbeiter an den Unfallort zu schicken. Von dort übermittelt er dem Sachverständigen Livebilder und mündliche Informationen per Kamera und Telefon und filmt nach dessen Anweisungen den Schadensfall. Die Aufnahmen werden sofort archiviert und stehen jederzeit zur Verfügung. Versicherungen können auf diese Weise ihre Kunden schon am Unfallort betreuen und Vertragspartner wie zum Beispiel Autovermietungen frühzeitig einbinden.

Szenario M-Government: Kommunen haben viele Angestellte, die überwiegend im Außendienst arbeiten, beispielsweise im Straßenbau, der Vermessung, dem Umweltschutz oder der Entsorgung. Mit entsprechenden mobilen Endgeräten ausgerüstet, könnten sie Daten vom Status der Maschinen oder Bilder baufälliger Kanäle direkt von ihrem Einsatzort an das zuständige Amt übermitteln und so weitere Ortstermine vermeiden. Das spart den Kommunen Kosten und Zeit bei ohnehin knappen Kassen: Die Angestellten können mit den neuen Technologien mobil online arbeiten und Daten, Bilder und Videos direkt in die städtischen Systeme eingeben, wo die Informationen vorgehalten werden. Außerdem entfällt die doppelte Eingabe der Daten.

Es wird noch etwas dauern, bis diese Szenarien Realität werden. Einer aktuellen Studie der Basler Medienexperten Prognos zufolge wird sich UMTS frühestens 2006 nennenswert durchsetzen. Dafür gibt es mehrere Gründe: Zum einen ist eine deutschlandweite Netzabdeckung wegen der hohen Investitionskosten unrealistisch. Die UMTS-Lizenzbedingungen schreiben den Netzbetreibern lediglich eine Netzabdeckung von 50 Prozent der Bevölkerung bis Ende 2005 vor. Da sich die Betreiber aus Kostengründen zunächst auf die Ballungsräume konzentrieren, werden zum Start von UMTS nur rund acht Prozent der Fläche der Bundesrepublik abgedeckt. Manche Unternehmensanwendungen wären unter diesen Umständen sinnlos.

Zum anderen richten sich die ersten UMTS-fähigen mobilen Anwendungen und Endgeräte zunächst einmal an die Privatnutzer, denn in dieser Klientel wittern die Netzbetreiber und Hersteller den größten Markt. Sie werden deshalb gemeinsam mit den Geräteherstellern versuchen, den Markt möglichst schnell mit neuen, Multimedia-fähigen Handys zu durchdringen, die UMTS und GSM beherrschen. Die Marktforscher von Prognos schätzen, dass UMTS-Dienste zunächst als Premium-Angebote für die ursprünglich für GPRS entwickelten Dienste und Applikationen platziert werden. In einigen Jahren, so die Hoffnung der Netzbetreiber, können sie dann ganz auf UMTS setzen. Das hätte den Vorteil, dass sie die verfügbaren Frequenzen viel effizienter nutzen und damit eine viel höhere Bandbreite preiswerter anbieten können als mit dem heutigen Standard.

Verzögerte UMTS-Nachfrage

Schon bei vergleichbaren technologischen Durchbrüchen wie der Entwicklung und schnellen Verbreitung des Internets und der E-Mail waren Forschungsinstitute, technikbegeisterte Einzelanwender sowie einige wenige innovative Unternehmen die Treiber. Das Gros der Firmen folgte erst mit der Etablierung von Standards, Software und Hardware. Der Bandbreitenbedarf stieg nicht nur durch die vermehrte Nutzung, sondern insbesondere durch anderes Nutzungsverhalten. Einfache Web-Inhalte wichen aufwändigeren multimedialen Darstellungen, E-Mails wurden durch große Anhänge ergänzt.

Bei UMTS ist eine ähnliche Entwicklung abzusehen. Viele Unternehmen werden zunächst bei der mobilen Anbindung ihrer Mitarbeiter auf GPRS setzen und erst in einigen Jahren mit UMTS nachziehen. Die Gründe: Erstens fehlt es an unternehmensspezifischen Anwendungen, die nur mit UMTS funktionieren. Zweitens fallen die Preise für GPRS. Und drittens bietet die geringe UMTS-Netzabdeckung zunächst wenig Anreiz umzusatteln. Eine starke Nachfrage im UMTS-Markt wird also erst mit einem deutlichen Verzögerungseffekt eintreten. Nicht das pure Interesse an einer höheren Transferrate, sondern neue Anwendungen sowie Endgeräte werden nach dem breitbandigen Standard verlangen.

Im Lauf der Entwicklung wird es spezifische Lösungen für die einzelnen Branchen wie Logistik, Bauwirtschaft oder Versicherungen geben. Grundsätzlich gilt hierbei jedoch: Mobile Anwendungen geben als Insellösungen keinen Sinn. Sie bringen erst dann Wettbewerbsvorteile, wenn ein Unternehmen sie in die vorhandenen Geschäftsprozesse einbindet. Dabei steigt der Wert von mobilen Business-Anwendungen mit der Integrationstiefe. Einen echten Nutzen bringen die Lösungen erst dann, wenn die Informationen auch automatisiert weiterverarbeitet und Medienbrüche bis zum mobilen Mitarbeiter vermieden werden. Unabhängig von GSM oder UMTS sollten die Verantwortlichen erst untersuchen, welche Geschäftsprozesse im Unternehmen sich überhaupt für die Nutzung mobiler Lösungen eignen. Entscheider sind gefordert, zum einen potenzielle Einsatzfelder zu ermitteln und zum anderen kritisch zu hinterfragen, welche Mitarbeitergruppen für mobile Lösungen in Frage kommen. Denn wenn die Daten der Außendienstmitarbeiter in der Zentrale neu in die Systeme eingepflegt werden müssen, ist wenig gewonnen. Die Zeitersparnis am "mobilen Ende" der Prozesskette verbessert nicht zwangsläufig den Prozess als Ganzes. (pg)

*Sung Ha und Stefan Wilhelm sind Berater des Geschäftsbereichs Strategy & Innovation der Detecon International GmbH in Eschborn und Bonn.

Angeklickt

Unternehmen, die mobile Anwendungen im Einsatz haben, sind auf ein zuverlässiges Trägermedium angewiesen. Gegen eine professionelle Nutzung von UMTS könnten jedoch Faktoren sprechen wie

- keine Flächendeckung in Deutschland,

- günstigere GPRS-Tarife,

- ein Mangel an für UMTS entwickelten Applikationen sowie

- deren mangelhafte Integration in die gesamten Geschäftsprozesse.

Funktionsweise von 3G

Unter Universal Mobile Telecommunications System (UMTS) versteht man den Mobilfunkstandard der dritten Generation (3G). Der größte Unterschied von UMTS gegenüber seinen Vorgängern ist die deutlich höhere Datenübertragungsrate, die theoretisch bis zu 2 Mbit/s beträgt. Der heutige Mobilfunkstandard Global System for Mobile Communications (GSM) schafft dagegen nur 14,4 Kbit/s. Mit der Erweiterung General Packet Radio Service (GPRS) ist eine Datenübertragungsrate von etwa 40 Kbit/s möglich. GPRS nutzt für die Datenkommunikation die Vorteile der paketorientierten Übertragung und der Kanalbündelung und wird als Zwischenschritt zwischen GSM und UMTS auch als 2,5G bezeichnet. UMTS ist ein völlig neues Netz, in dem sowohl Sprache als auch Daten in Paketen verpackt verschickt werden. Aufgrund der effektiveren Frequenznutzung bietet UMTS neben der höheren Datenübertragungsrate eine bessere Netzqualität. Jedoch wird die festgelegte Bandbreite in den Funkzellen bei UMTS auf die Nutzer verteilt: je mehr Nutzer, desto weniger Bandbreite für den Einzelnen.

Abb: Bandbreitenbedarf

Nur wenige 3G-Services werden im Jahr 2005 eine hohe Bandbreite erfordern. Quelle: Detecon & Diebold