Börsenwert des Konzerns soll weiter erhöht werden

Mobilcom unterstreicht den Wandel zum Netzbetreiber

18.02.2000
HAMBURG (gh) - Die Mobilcom AG verfolgt weiter den Kurs eines Komplettanbieters in Sachen Internet, Mobilfunk und Festnetztelefonie. Im Geschäftsjahr 1999 konnten die Norddeutschen mit einem imposanten Umsatzzuwachs ihre Position als Nummer drei in Deutschland festigen. Weitere Unternehmensgründungen im Internet-Bereich und nach Möglichkeit deren Börsengang sollen Wachstum und Marktkapitalisierung noch einmal drastisch erhöhen.

Mobilcom-Vorstandsvorsitzender und -Mehrheitsaktionär Gerhard Schmid ist bekanntlich nie um ein Wort verlegen. Man betrachte sich "als klare Nummer drei hinter der Deutschen Telekom und Mannesmann/Vodafone", erklärte der Mobilcom-Chef auf der Bilanzpressekonferenz des Unternehmens - und fügte hinzu: "Wenn ein Übernahmeangebot sinnvoll und für die Aktionäre attraktiv ist, werde ich der Letzte sein, der einer solchen Offerte im Weg steht." Beide Äußerungen beschreiben das Dilemma, vor dem der einstige Shooting-Star im deutschen TK-Markt steht: Mobilcom hat 1999 ein beeindruckendes Wachstum vorgelegt und mit einer breiten Diversifizierung - vor allem im Internet-Geschäft - auch seine strategische Position im Markt verbessert. Gerade deshalb gelten die Norddeutschen schon seit längerem als potentieller Übernahmekandidat ausländischer TK-Giganten.

Die Zahlen, die Schmid präsentieren konnte, sind jedenfalls - mit geringfügigen Einschränkungen - als sehr positiv zu werten. So kletterte der Umsatz gegenüber 1998 um 66 Prozent von 1,47 auf 2,44 Milliarden Mark. Der Jahresüberschuss nach Steuern stieg um 73 Prozent von 140,8 auf 244,3 Millionen Mark. Hier floss allerdings der Börsengang der Internet-Tochter Freenet.de ein (siehe Seite 68 "Mobilcom-Spross will sich in Europas Online-Szene etablieren"), der mit zusätzlichen Erlösen von 153 Millionen Mark zu Buche schlug. Beim Vorsteuergewinn musste das im schleswig-holsteinischen Büdelsdorf ansässige Unternehmen jedoch gegenüber dem Vorjahr ein deutliches Minus von 251 auf 123 Millionen Mark hinnehmen. Der Mobilcom-Chef begründete dies zum einen mit hohen Aufwendungen für Netzinfrastruktur (135 Millionen Mark) sowie Vertriebsprovisionen, Marketing und Werbung (261 Millionen Mark), aber auch mit den Tarifsenkungen und dem damit verbundenen Margenverfall im Mobilfunk- und Festnetzgeschäft. "Das haben wir ja so gewollt", fügte Schmid in Anspielung die von ihm stets gepflegte Rolle als Preisbrecher und Enfant terrible des Markts hinzu.

Die Zahl der Kunden stieg in allen drei Geschäftsfeldern stark an. Im Mobilfunk verzeichnete Mobilcom Ende vergangenen Jahres 1,86 Millionen Kunden. Darin enthalten sind 530000 Verträge der Tochtergesellschaften D-Plus und Telepassport. Das Wachstum der Muttergesellschaft lag hier bei 449000 Neukunden - von 881000 zum Jahresbeginn 1999 auf 1,33 Millionen per Ende Dezember. Im Festnetz erhöhte sich die Anzahl der Preselection- Vertragskunden (inklusive D-Plus und Telepassport) auf 603000. Das Internet-Geschäft wies den Angaben zufolge eine "ähnliche Wachstumsdynamik" auf. So konnte die Zahl der Internet-Nutzer im vergangenen Jahr auf 820000 und die Zahl der verkauften Internet-by-Call-Minuten auf 392 Millionen erhöht werden.

Für das laufende Geschäftsjahr stellte der Mobilcom-Chef ein Umsatzwachstum auf rund vier Milliarden Mark in Aussicht. Gleichzeitig wolle man durch eine massive Verbesserung der Kostenstruktur ein zweistelliges Plus beim Gewinn erzielen. Mit Bezug auf die wochenlange Übernahmeschlacht zwischen Vodafone und Mannesmann ließ Schmid klar erkennen, dass er offenbar bemüht ist, den Börsenwert seiner Company so schnell und so weit wie möglich nach oben zu treiben: "Wenn uns jemand kauft, wird dies keine billige Veranstaltung". Als "bisherigen Höhepunkt" der Unternehmensgeschichte bezeichnete er deshalb auch die Gründung, Marktpositionierung und den Börsengang von Freenet.de. Hier sei es binnen weniger Monate gelungen, für die "Aktionäre einen zusätzlichen Wert von mehr als acht Milliarden Mark zu schaffen", betonte Schmid mit Blick auf die aktuelle Marktkapitalisierung der eigenen Internet-Tochter.

Ein Modell, das bei den Norddeutschen Schule machen soll. So liebäugelt man offenbar mit der Übernahme weiterer kleinerer Internet-Service-Provider (ISPs). Vor allem aber gibt es konkrete Pläne für eine weitere Neugründung. Die neue Tochter wird sich, wie Schmid ausführte, dem Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen widmen und als Business-to-Business-Anbieter kleinen und mittelständischen Firmen ein Softwarepaket als Basis für die Konzeption von Intranets und Extranets liefern. Damit soll es für die Betriebe einfacher werden, einen Internet-Aufritt ohne teure externe Beratungs- und Serviceleistungen selbst zu gestalten. Bausteine für dieses Produkt soll die Hamburger Startup-Company Channel One GmbH liefern, an der Schmid selbst mit 25 Prozent beteiligt ist. Noch im ersten Halbjahr will man mit diesen Aktivitäten im Markt im Rahmen einer neuen AG starten. Den Börsengang peilt Schmid an, sobald das Unternehmen mehr als 10000 Kunden hat. "Warum nicht schon in diesem Jahr?" lehnte sich der Mobilcom-Chef aus dem Fenster.

Auch die schon etablierte Internet-Tochter Freenet.de soll quasi als Akquisitionsmaschine instrumentalisiert werden. Schmid kann sich hier vorstellen, dass beispielsweise Content-Anbieter (zum Beispiel Musikvertriebsfirmen) bei Freenet.de bevorzugt beworben und bekannt gemacht werden. Gleichzeitig will man sich bei diesen Anbietern zumindest in Form von Minderheitsbeteiligungen einkaufen. Das restliche Procedere ist bekannt: Beim etwaigen erfolgreichen Gang an die Börse könnte Mobilcom kräftig mitverdienen.

Zusätzlichen Schwung in das Internet-Geschäft soll auch ein zweiter Versuch mit einer "Flatrate", also einem monatlichen Festpreis, bringen. Bereits im Januar 1999 hatte Mobilcom ein solches Angebot wegen überlasteter Leitungen schnell wieder vom Markt nehmen müssen. Jetzt aber habe man, so Schmid, die Leitungskapazität um das 10000fache ausgebaut. Ab der CeBIT sollen nun Tarife für analoge, ISDN- und DSL-Zugänge in Verbindung mit eigenen Ortsnetzanschlüssen angeboten werden. Für 110 Millionen Mark habe Mobilcom schließlich ein 3500 Kilometer langes bundesweites Glasfasernetz verlegt und sich, so Schmid, vom "Wiederverkäufer von Telefonminuten zum Netzbetreiber gewandelt".

Abb.: Familienzuwachs: Geht es nach Gerhard Schmid, soll der Mobilcom-Konzern bald weitere Töchter bekommen. Quelle: Mobilcom