Mobil auf Datenreise

07.12.2006
Die technologische Entwicklung schreitet rasant voran. Nicht alles, was geht, ist auch wirklich nützlich. CIOs und CEOs wissen, mobile Lösungen sind kein Selbstzweck, sondern sollten immer die Geschäftsprozesse unterstützen.

Mobility ist wichtig, scheint aber derzeit nicht mehr im Fokus der IT-Entscheider zu stehen. „Ganz klar ist es für CEOs und CIOs, dass es vor der Anschaffung die richtigen Einsatzszenarios und verlässliche ROI-Berechnungen geben muss“, betont Wolfram Funk, Senior Advisor bei der Experton Group. Andererseits setzen bereits viele Unternehmen auf Mobility-Lösungen für ihre Mitarbeiter. Mehr als 70 Prozent aller Firmen in Deutschland nutzen mobile Anwendungen. Das ist das Ergebnis einer Studie der Marktforscher von Forrester. Bei der Abgrenzung, was alles zur Mobilität dazugehört, fangen aber oft schon die Schwierigkeiten für die Experten an. Laptops etwa sind mittlerweile schon zum Allgemeingut geworden und ähneln Desktops so sehr, dass sie manche Mobility-Experten nicht mehr dazurechnen wollen. „Mobility ist all das, was es den Mitarbeitern ermöglicht, mehr Flexibilität zu bekommen. Etwa damit sie zu Hause oder beim Kunden ans Firmennetz angebunden sind“, definiert Russell Green, unabhängiger Consultant für Mobility.

Mitarbeiter treiben Mobility

Viele Unternehmen drängen mittlerweile darauf, dass ihre Mitarbeiter Aufgaben von unterwegs ebenso schnell und gut erledigen können wie von ihrem Büroarbeitsplatz aus. Vor allem im Finanzbereich, bei Wartungsmitarbeitern und den Kräften in Gaststätten gehört Mobility mittlerweile selbstverständlich dazu. „Wenn ein Versicherungsvertreter mit Laptop zum Kunden kommt und der Wettbewerber mit handgeschriebenen Formularen, dann ist das ein klarer Wettbewerbsvorteil“, sagt Frank Heuer, Senior Analyst bei TechConsult. So rüsten jetzt auch die Unternehmen auf, die mobile IT im Außendienst bislang noch nicht einsetzten.

Leider haben noch immer nicht alle Unternehmen eine klare Strategie für Mobilitätsthemen entwickelt. Dabei sollten Richtlinien für den Einsatz von Mobilsystemen frühzeitig festgelegt werden.„In vielen Betrieben tragen die Mitarbeiter ihre Geräte ins Unternehmen und schließen sie einfach an“, so Experton-Group-Berater Funk. Ein Albtraum für jeden sicherheitsbewussten CIO.

Hersteller setzen auf Consumer

Doch vielleicht ein Grund, warum so viele Hersteller noch immer verstärkt auf den Consumer statt auf Unternehmen als Abnehmer für ihre Mobility-Produkte setzen. „Völlig widersinnig“, findet das Funk. Auch wenn es insgesamt mehr Privatanwender als Business-Kunden gibt. „Es ist doch für die Firmen viel profitabler und mit viel weniger Aufwand verbunden, gleich ein ganzes Unternehmen mit Mobilitätslösungen auszustatten – etwa jeden Mitarbeiter mit einem Laptop auszurüsten“, findet er.

Viele Anwender wundern sich über die Hersteller. Sie fragen sich etwa, warum es bei den Mobilfunknetzbetreibern immer noch keine maßgeschneiderten Angebote für Unternehmen gibt. In einem Round-Table-Gespräch der COMPUTERWOCHE mit ITLeitern großer Unternehmen machten diese vor Kurzem ihrem Unmut und ihrer Unzufriedenheit Luft. „Unter dem Strich stehen wir vor dem Dilemma, dass ich als Geschäftskunde Leistungen auf gehobenem Level benötige, die viele Anbieter nicht darstellen können“, beschrieb Manfred Schlottke, Vorstandsvorsitzender des Telekomforums, die Situation. Während mit großem Marketing-Aufwand neueste Features für Privatkunden angepriesen würden, sei es kaum möglich, Angaben über so wichtige Dinge wie die Empfangsleistung zu bekommen, so die Kritik. Geräte, zum Beispiel Handys, ließen sich kaum an unternehmensspezifische Bedürfnisse anpassen. Auch die schnellen Produktzyklen und Modellwechsel der Gerätehersteller, die dadurch keine Stabilität über einen längeren Zeitraum gewährleisten, verstören viele Business-Kunden. Denn sie wollen und müssen ja investieren.

PIM ist die wichtigste Funktion

Die IT-Verantwortlichen stehen vor der Herausforderung, immer mehr drahtlose Endgeräte zu unterstützen und ihren mobilen Anwendern den Zugriff auch auf sensitive Unternehmensdaten zu ermöglichen. Dabei wird der Sicherheitsaspekt immer wichtiger. Allerdings (deswegen?) ist die Tiefe der benutzten Anwendungen derzeit gar nicht besonders hoch. Für die meisten Nutzer, so hat TechConsult in einer Befragung herausgefunden, sind immer noch E-Mail und Personal Information Management (PIM) die wichtigste Basisanwendungen. Zwar verzeichnet der Bereich mobiles CRM derzeit relativ hohe Wachstumsraten auf niedriger Ausgangsbasis, denn aktuelle Informationen über den Kunden und seine Präferenzen sowie über Rabatte wirken sich direkt auf den Verkaufserfolg aus. Doch nur wenige Mitarbeiter greifen von außerhalb auf ERP-Systeme zu.

Funk von der Experton Group schätzt den Markt ähnlich ein: „Der Fokus liegt insgesamt ganz klar auf PIM und Mobile E-Mail.“ Hier komme wieder der Nutzenaspekt ins Spiel: „Die Anbindung von Unternehmensanwendungen wie CRM, ERP oder anderer branchenspezifischer Systeme erfolgt in der Regel nur dann, wenn es auch einen Business Case gibt.“

Der Grund liegt auf der Hand: Es ist einfach zu kostspielig. „Denn dafür gibt es keine hundertprozentige Out-of-the-Box-Lösung, der Sicherheitsaspekt spielt hier genauso eine Rolle wie der auf längere Sicht nötige Support der mobilen Endgeräte. Zwar gebe es trotz aller Schwierigkeiten, die CIOs überwinden müssten, um ihre Nutzer mobil zu machen, zahlreiche Anwendungsbeispiele. Aber, so Funk weiter, Mobility sei über PIM und den Bereich mobiler E-Mail hinaus eben kein Massenmarkt in dem Sinne, dass jeder Mitarbeiter oder jedes Unternehmen unbedingt mit einer entsprechenden Lösung ausgestattet sein muss. „Das würde nämlich auch keinen Sinn ergeben.“

Trotzdem können sich die Hersteller und die Beraterbranche freuen: Fast die Hälfte der Umfrageteilnehmer der Forrester-Studie „The State of European Enterprise Mobility in 2006“ (1059 befragte Netzwerk- und Telekommunikationsentscheider aus den USA und Europa) sagten, dass sie dieses Jahr mehr Geld in die Mobilität stecken wollten. Der Vergleich von unterschiedlich großen Firmen zeigt, dass die Großunternehmen dabei höhere Investitionen tätigen. 54 Prozent der Befragten planen eine Erhöhung der Ausgaben für mobile Voice-Systeme und 72 Prozent für mobile Daten. Ein Drittel der Teilnehmer an der Studie stuft die Festlegung auf eine mobile und schnurlose Strategie in diesem Jahr als wichtig ein. Für weitere 16 Prozent hat sie sogar Priorität. Bei 23 Prozent der Befragten steht das Thema Mobilität allerdings gar nicht auf der Agenda.

Pilot-Installationen wichtig

„Es ist eine gute Nachricht, dass Unternehmen ihre strategische Planung auf Mobilität ausrichten und davon profitieren“, sagt Jenny Lau, Analystin bei Forrester. Es bestehe jedoch das Risiko, dass Mobilität ein Strategiepunkt bleibt, der nicht verwirklicht wird.

Damit das nicht passiert, sollten die ITVerantwortlichen zunächst gründlich ihren wirklichen Bedarf identifizieren und bei der anschließenden Realisierung des kompletten Nutzens nicht alles auf einmal umsetzen wollen, sondern Schritt für Schritt vorgehen. Es sei ratsam, lieber auf einem niedrigeren Level zu beginnen. Zunächst sollten in den Firmen mit den Mitarbeitern Pilot-Installationen geplant werden. Denn laut einer Umfrage der KI AG mit der Deutschen Gesellschaft für Management-Forschung erfülle derzeit nur ein Drittel aller Firmen die Erfolgsfaktoren des Mobile Business. Defizite zeigten sich bei Strategie, Organisation, Technologie, Endgeräte, Sicherheit und Implementierung.