Mobbing: Als letzter Ausweg bleibt die Kündigung

13.08.2002
Von Bettina Wirth

 Unklare Hierarchien begünstigen Mobbing

Gerade in der IT-Branche begünstigen die Strukturen und die Führungskultur häufig Mobbing. Laut Bärbel Hannemann, Projektleiterin bei der Gesellschaft für Arbeit und Sozialrecht, Berlin, führen gerade in jungen Unternehmen unausgeprägte Hierarchien und eine unklare Aufgabenverteilung zu Konflikten. Zudem sei es um die soziale Kompetenz vieler Führungskräfte schlecht bestellt.

Nach Angaben des Mobbing-Reports der Bundesanstalt für Arbeitsschutz geht Mobbing in mehr als der Hälfte aller Fälle von Führungskräften aus oder findet unter ihrer Mitwirkung statt. Verdi-Mitarbeiterin Teske kann das aus ihrer eigenen Beratungserfahrung bestätigen. Häufig duldeten Vorgesetzte Mobbing unter ihren Mitarbeitern, weil sie selbst nicht wüssten, wie sie mit Mobbing-Vorfällen umgehen können. Auch Ulf Imiela vom Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) prangert die schlechte Führungsqualität in vielen Unternehmen an. Gerade in IT-Firmen gebe es oftmals keine gute Organisation, die innerbetrieblichen Abläufe stimmten nicht.

Imiela hat Fälle betreut, in denen ältere Kollegen oder Mitarbeiter mit Familie dem Leistungsdruck, der durch junge IT-Freaks erzeugt wurde, nicht standhalten konnten. „Manche jungen Kollegen legen das Verhalten von Profisportlern an den Tag. Sie hauen zehn Jahre lang voll rein, arbeiten 60 bis 80 Stunden die Woche.“ Ältere Kollegen, die ein Privatleben pflegen, könnten und wollten da nicht mehr mithalten. Krankheiten wie Herz-/Kreislaufbeschwerden und Migräne hinderten die Betroffenen daran weiterzuarbeiten. Dem psychosozialen Druck wollen viele durch Kündigung entrinnen.

„Die Selbstkündigung wollen wir möglichst vermeiden“, so Hannemann von der Gesellschaft für Arbeits- und Sozialrecht. Allerdings sei eine weitere Zusammenarbeit nach Mobbing-Attacken meist unmöglich. Sie beriet vor einiger Zeit einen 42-Jährigen, den seine Teamkollegen wegen seines Stotterns verspotteten. Da er unter den Anfeindungen offensichtlich litt, zweifelten die Kollegen auch seine Leistung an. Sein Arbeitgeber verdonnerte ihn da-raufhin zu Arbeiten, für die er überqualifiziert war. Als er versuchte, in Gesprächen den Angriffen auf den Grund zu gehen, beschimpften ihn die Kollegen als paranoid. Schließlich sah er keinen anderen Ausweg, als zu kündigen. Mit Hilfe der Berliner Arbeitsrechtsgesellschaft konnte der Betroffene zumindest eine einvernehmliche Trennung erwirken.

Eine Rückkehr ins Team ist meist unmöglich, so Hannemann. Die Expertin im Arbeitsschutz hat eine bittere Gewissheit: „Trotz aller rechtlichen Instrumentarien bleibt uns nur, die Betroffenen aus der Schusslinie zu nehmen, also den Arbeitgeber zu wechseln. Denen, die Mobbing betreiben, passiert selten etwas.“ Wenigstens finden die Betroffenen bei den Beratungsstellen Gehör und professionelle Hilfe. Hannemann verfügt über ein Verzeichnis Mobbing-vertrauter Ärzte und Rechtsanwälte.

Kündigungen aufgrund von Mobbing-Attacken lassen sich durchaus verhindern, betont Verdi-Frau Teske. Bereits allgemeine Aufklärung - durch Vorträge auf Betriebsversammlungen oder Infobroschüren - sensibilisiert Mitarbeiter und Führungskräfte. Außerdem kann der Arbeitgeber oder Betriebsrat Informationen aus der Belegschaft über das Betriebsklima sammeln. Zusätzlich sollten Betriebsratsmitglieder entsprechend geschult sowie die Geschäftsführung oder Personalabteilung in Gesprächen auf das Phänomen aufmerksam gemacht werden.

Auch betriebliche Strukturen können so angepasst werden, dass persönliche Attacken unter Kollegen gar nicht erst Teil der Unternehmenskultur werden: Eine Betriebsvereinbarung, die Mobbing ächtet und einen kollegialen Umgang einfordert, kann helfen, Konflikte zu verhindern.