Kolumne

"Mitunter schlampig"

12.02.1999

Daß Microsofts Senior Vice-President James Allchin geglaubt hat, mit einem dilettantisch gefälschten Video vor Gericht durchzukommen, darf getrost in Abrede gestellt werden. So blöd ist Microsoft nicht. Wenn man hätte fälschen wollen, wäre man sorgfältiger vorgegangen. Nein, Microsoft hat wie gegenüber seinen Kunden gehandelt: mitunter schlampig.

Nur dürfte sich das Gericht nicht so tolerant gebärden wie die meisten Anwender, die in der Regel mit einem kostenfreien Patch zu besänftigen sind. Mit der Lieferung eines Service-Packs - das Gericht hat inzwischen die von Allchin neuerstellte Version 2.0 des Felten-Videos gesehen - läßt sich die Glaubwürdigkeit jedenfalls nicht wiederherstellen. Diese "Video-Affäre" erschüttert eine der wichtigsten Aussagen von Microsoft, wonach die Verbindung von Browser und Betriebssystem technologisch begründet ist und sich nicht gegen den Wettbewerb richtet. Bereits vor zwei Wochen, als Microsoft-Manager Paul Maritz zugeben mußte, daß man Netscape eine Aufteilung des Browser-Marktes angeboten hatte, verlor dieses Argument an Stichhaltigkeit.

Da Microsoft auch mit den anderen Zeugen der Verteidigung bisher nicht punkten konnte, ist aus heutiger Sicht zweifelhaft, daß Richter Thomas Jackson ein Urteil zugunsten des Software-Anbieters fällt. Kaum vorherzusagen ist allerdings, mit welchen Auflagen Microsoft im Falle einer Niederlage rechnen muß. Von der verordneten Trennung von Browser und Betriebssystem über die Freigabe des Windows-Codes bis hin zur Aufspaltung des Softwarehauses reichen die möglichen Szenarien. Gänzlich undenkbar ist dagegen, daß Microsoft eine Niederlage akzeptiert, ohne in die Berufung zu gehen.

Und in diesem Lichte betrachtet, kommt die geplante Restrukturierung des Unternehmens in vier an Kundengruppen orientierte Einheiten sozusagen just in time. Vor allem die Gerüchte um eine Reaktivierung von Brad Silverberg, der schon vor seinem Weggang für einen plattformunabhängigen Browser eingetreten ist, könnte als Signal verstanden werden, daß Microsoft bereit ist, seine Betonhaltung aufzugeben. Offenbar betreibt das Unternehmen Imagepolitur, um die öffentliche Meinung positiv zu beeinflussen und in einem Berufungsverfahren ohne das Image des bad guy dazustehen.