Das Internet als verlängerte Ladentheke

Mittelstand geht im Netz auf Kundenfang

25.09.2002
Allen Grabreden zum Trotz wird das E-Business auch für kleinere und mittelständische Unternehmen immer mehr zur Normalität. Dabei gibt es jedoch große Unterschiede zwischen den einzelnen Branchen.

DIE ARG STRAPAZIERTEN Begriffe E-Business und E-Commerce taugen in manchen Manager-Kreisen lediglich noch als Synonyme für Erfolglosigkeit. Den aktuellen Zustand der Bemühungen von Unternehmen, das Internet gewinnbringend zu nutzen, beschreibt solcherlei Genörgel allerdings genauso wenig wie die blinde Begeisterung der Boom-Phase. „Das Gejammer geht mir langsam auf die Nervern“, bringt Ralf Kessenich, Leiter E-Commerce bei Zweitausendeins, einem Musik- und Buchhändler mit deutschlandweit 15 Filialen, die Stimmung auf den Punkt. Dass die Nutzung des Internets inzwischen in kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) aus dem Dienstleistungs- und Handelsbereich zur Normalität geworden ist, belegt auch eine Studie des ECC Handel in Köln. Über 3100 KMUs verschiedener Branchen hat die Forschungsinitiative unter Leitung des Instituts für Handelsforschung an der Universität zu Köln (IfH) befragt.

Von der Werbung zum Kommerz

Die Hysterie der Jahre 1999 und 2000 ist abgeklungen. Heute sehen die wenigsten Unternehmen das Internet noch als Bedrohung. Immerhin ein Drittel der Befragten verbindet mit der Internet- Nutzung dagegen eine Vielzahl von Chancen für das eigene Unternehmen und konstatiert positive Auswirkungen des Web-Auftritts auf das traditionelle Geschäft. Die zentrale Frage, ob sich im Internet auch Geld verdienen lässt, beantwortet die Studie nur auf den ersten Blick mit enttäuschenden Werten: Im Durchschnitt lag bei den befragten KMUs der Online-Anteil am Endkundengeschäft 2001 bei einem Prozent. Dies liegt jedoch nicht an schlechten Geschäftsaussichten, sondern daran, dass viele Firmen ihre Website ausschließlich als Informationsmedium anbieten. Fließen nur Unternehmen in die Berechnung ein, die tatsächlich online Produkte oder Dienstleistungen verkaufen, steigt der Wert auf 5,3 Prozent vom Gesamtumsatz. Im laufenden Jahr rechnen die Firmen mit einer Steigerung auf 7,7 Prozent.

Betreiber von offensichtlich gelungenen Web-Shops bestätigen die Studienergebnisse: Zweitausendeins erzielt acht Prozent seines Umsatzes online, was die Einnahmen eines der 15 Ladengeschäfte übertrifft. „Der Unterschied ist, dass trotz der Aufwendungen für die IT und die Pflege des Online-Shops deutlich niedrigere Kosten anfallen als für den Unterhalt einer Filiale“, so Kessenich. Daneben lobt der E-Commerce- Fachmann die unbeschränkten Öffnungszeiten oder die Möglichkeit, auf den Web-Seiten mehr Informationen anzubieten als im Katalog. Auch könnten dort Restposten günstig losgeschlagen werden. Ein „Merkmail“ getaufter Newsletter soll darüber hinaus die Kundenbindung erhöhen, indem dort bestimmte Artikel exklusiv und in kleiner Auflage angeboten werden.

Auch Georg Wahlicht, Leiter Vertrieb bei Hein Gericke, ist mit den Web- Aktivitäten seines Unternehmens zufrieden. Von den rund 80 Millionen Euro Gesamtumsatz konnte der Anbieter von Motorradbekleidung und -Zubehör zehn Prozent im Versandhandel erzielen - und hier den überwiegenden

Auf Tuchfühlung gehen

Teil via Internet. Vor allem technische Verschleißteile wie Bremsbeläge oder Zündkerzen ließen sich online gut absetzen. Motorradbekleidung verkaufe sich dagegen in den insgesamt rund 70 Ladengeschäften besser.

Erstaunlicherweise gibt es der ECCStudie zufolge keinen Zusammenhang zwischen der Dauer der Internet-Nutzung und dem Grad der Zielerreichung. Während einige Unternehmen in relativ kurzer Zeit für sie befriedigende Lösungen in Betrieb nehmen konnten, sind andere Firmen trotz längerer Nutzungsdauer mit den Resultaten noch nicht zufrieden. Eine Rolle spielt dabei auch, dass mit zunehmender Nutzungsdauer die Ansprüche steigen.

Ein Unternehmen, das schon vor dem Siegeszug des Internet Produkte elektronisch vertrieben hatte, ist die Conrad Elektronic GmbH. Die Kunden nutzten bereits Btx, also Bildschirmtext, als Bestellweg. Seit 1997 bietet das Unternehmen sein gesamtes Sortiment im Internet an.

Tasche voller Stacheldraht

Es ist von damals 35 000 Artikeln auf mittlerweile 60 000 Produkte angewachsen. Obwohl für Conrad Elektronik als langjährigem Versandhändler das Internet lediglich einen neuen Vertriebskanal darstellte, gelang die Einrichtung entsprechender Systeme nicht reibungslos. „Gerade bei unserer ersten Shop-Generation verlief die Anbindung an die Hauptsysteme nicht ganz ohne Probleme“, erinnert sich Werner Conrad, Geschäftsführer der Conrad Holding.