Wo Freiberufler ihre Aufträge finden

Mittelständler sind die wichtigsten Kunden

20.08.2004

CW: Hat es in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten noch Sinn, als IT-Experte freiberuflich zu arbeiten?

BODE: Eine Entscheidung für die Selbständigkeit sollte niemand von der wirtschaftlichen Lage abhängig machen. Gerade in schlechten Zeiten können Freiberufler für mehrere Auftraggeber arbeiten, während Angestellte in der Regel nur einen Job haben. Zudem bietet sich Freiberuflern die Chance, ihren Tätigkeitsbereich um neue Aufgaben zu erweitern.

CW: Aber das macht doch keiner. Die Leute sind oft für Jahre in einem Projekt gebunden. Wenn das dann vorbei ist, kommt die Depression.

BODE: Solche Freiberufler wie auch die Auftraggeber handeln nicht besonders klug. Ein Rezessions-Management nach dem Motto "Alle Motoren still" ist eine teure Sache. Warum gehen die Partner nicht aktiv damit um, reduzieren die Aktivitäten und halten so die Geschäfte auf niedrigerem Niveau am Leben? Ich bin mir sicher, dass beim nächsten Aufschwung die besser durchstarten, die sich im Sinne eines atmenden Unternehmens organisiert haben.

CW: Die Unternehmen fordern mehr Anwendungswissen. Können Freiberufler das nicht liefern?

BODE: Sie könnten schon. Aber wenn es drauf ankommt, dann werden die technischen Kenntnisse abgefragt. Viele Freiberufler bieten Anwendungswissen an, aber kaum einer kann es verkaufen. Vermutlich liegt das daran, dass die Skills von den IT-Abteilungen vorgegeben werden. Die Fachabteilungen haben da nichts zu melden. Anwendungswissen ist etwas für Sonntagsredner, aber kein Geschäft für Freiberufler.

CW: Heute werden aber technischen Aufgaben zunehmend nach Indien oder Osteuropa vergeben. Wenn Anwendungswissen nichts zählt, wo haben Freiberufler dann eine Marktchance?

BODE: Die IT wächst und gedeiht weltweit. Das wird im Schweinezyklus noch Jahrzehnte so gehen. Mit Ubiquitous Computing dringt die IT noch in die letzten Ritzen. Dank der permanenten technischen Innovation kommen immer neue Bereiche dazu. Solange wir den Strom neuer Märkte aktiv angehen, ist mir da nicht bange. Im Gegenteil: Wir Freiberufler sollten Offshore selbst nutzen. Beim Offshore sind der zwischenmenschliche Kontakt und das Verstehen anderer Kulturen zentrale Erfolgsfaktoren. Nicht wenige IT-Selbständige haben entsprechende Kontakte oder stammen selbst aus anderen Ländern. Wenn es uns gelingt, mit preiswerteren Freiberuflern zusammenzuarbeiten, können wir günstiger anbieten und so neue Auftraggeber akquirieren. Besonders der Mittelstand bietet sich da an.

CW: Den Mittelstand haben jetzt alle entdeckt. Was wollen da noch die Freiberufler?

BODE: Mittelständische Betriebe sind traditionell Kunden von Freiberuflern - eine ideale Partnerschaft. Da reden zwei Unternehmer miteinander, die flexibel, direkt und schnell die Geschäfte erledigen können. Die Anforderungen im Mittelstand sind sehr speziell, und die Unternehmertypen sehr verschieden. Die großen IT-Anbieter und -Dienstleister stürzen sich jetzt in der Not auf den Mittelstand. Wenn andernorts die umfangreichen Projekte wieder winken, bin ich gespannt, wer dann noch den Mittelständler ernst nimmt. Für uns Freiberufler ist ein Mittelständler immer ein A-Kunde.

CW: Können die Einzelkämpfer die immer komplexeren Anforderungen überhaupt noch erfüllen?

BODE: Immer mehr Freiberufler schließen sich in unterschiedlichsten Netzwerken zusammen: angefangen von einem Arbeitskreis für Selbständige bis zur gemeinsamen Firma. Das ist zurzeit der große Trend. In diesem Rahmen kann Komplexität organisiert werden. Der Mittelstand sucht aber in der Regel den Allrounder, der die Dinge pragmatisch anpackt.

CW: Wie kommen Freiberufler noch an Aufträge?

BODE: Nach wie vor am besten über Mundpropaganda. Deshalb sind diese Netzwerke so wichtig. Die Freiberuflerdatenbanken im Internet haben sich innerhalb weniger Jahre als zweites Akquisitionsbein etabliert. Aber auch die Agenturen behalten ihre Daseinsberechtigung. Entwickler sind berufsbedingt eher introvertierte Typen. Designer oder Betriebswirte erzählen sowieso jedem, wie toll sie sind. Softwareentwickler sprechen lieber darüber, wie toll Java oder Hyperthreading ist. Da haben kommunikative Helfer ihre Chance.

CW: Ist Introvertiertheit nicht ein grundsätzliches Problem, wenn man sich selbständig machen will?

BODE: Das ist sicher ein Nachteil. Noch schlimmer ist aber, dass wir in den deutschen Schulen zur Unselbständigkeit erzogen werden, wie die Pisa-Studie festgestellt hat. Wir können prima ein Schema F anwenden, aber unternehmerischer Geist wird mit Strafarbeit getadelt. Fast jeder, der sich selbständig gemacht hat, hat diesen ersten Schock, dass sich plötzlich niemand mehr um einen kümmert. Selbständig wirst du erst, wenn du es bist. (am)