Mittelständler entdecken Wert des Wissens

04.11.2004
Von Erwin Halentz

Für den Aufbau einer neuen, schlagkräftigen Firmenstruktur war die Wissensbilanz hilfreich. Doch das wichtigste, direkt umsetzbare Ergebnis ist laut Wunderlich die Erkenntnis, dass "unsere größten Potenziale in der Entwicklung der Qualifikation und Motivation unserer Mitarbeiter sowie in der systematischen Verbesserung unseres Engineering-Prozesses liegen". Der Automatisierungsspezialist hat sich deshalb entschlossen, sich erst einmal nur auf diese Faktoren zu konzentrieren. Die Bilanzierung des Wissens zwinge einen dazu, die Maßnahmen zu priorisieren und nicht das Gießkannenverfahren anzuwenden.

Auch die Volks- und Raiffeisenbank (VR) Südpfalz mit Sitz in Landau hat sich am Pilotprojekt beteiligt. Vorstandsvorsitzender Reinhold Schreck kommentiert: "Die immateriellen Vermögenswerte waren für uns schon immer wichtig. Bisher war es allerdings äußerst schwierig, diese Werte zu messen oder gar zu steuern." Das Institut, das mit seinen 460 Mitarbeitern und einer Bilanzsumme von 1,3 Milliarden Euro eine der größten Genossenschaftsbanken in Rheinland-Pfalz ist, hat 20 Erfolgs- beziehungsweise Einflussfaktoren des intellektuellen Kapitals identifiziert.

Kritisch merkt Schreck an, dass die geschaffene Transparenz "nicht nur Freude" bei den Verantwortlichen ausgelöst hat. Für ihn spielt ein weiterer Effekt der Wissensbilanz eine Rolle: Wenn die immateriellen Werte im Rating eines Unternehmens stärker gewichtet werden, wird die Wissensbilanz auch für die Kunden einer Bank interessant. Rezzo Schlauch, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, bringt es auf den Punkt: "Die Wissensbilanz hilft nicht nur den Unternehmen bei der internen Steuerung ihres intellektuellen Kapitals, sondern schafft auch Transparenz gegenüber Kreditgebern, Partnern und Kunden. Das erleichtert die Kreditaufnahme und senkt die Finanzierungskosten."

Vor allem aber ist die Wissensbilanzierung ein Instrument der Zukunftssicherung, wie Leif Edvinsson, Direktor of Intellectual Capital at Universal Networking Intellectual Capital, Stockholm, auf der internationalen Konferenz "Wissensbilanz -- Made in Germany" in Berlin ausführte: "Wissenskapital definiert sich über Gewinne in der Zukunft, nicht über Werte, die auf historischen Kosten basieren." Für ihn bedeutet die Nutzung des Wissenskapitals, "vorausschauend zu arbeiten". Diese Langzeitperspektive versteht Wissen als brachliegendes Kapital, als Chance, der sich jeder Entscheider bewusst sein sollte -besonders in Deutschland. (hk)

*Erwin Halentz ist freier Journalist in Berlin.