Grobkonzept soll bei Grundsatzentscheidungen helfen (Teil 6)

Mittelfristige Integration von Applikationen ist zu beachten

28.06.1991

Der Begriff "verteilte Informationssysteme" ist bei der Diskussion um die unternehmensweite Datenverarbeitung in den Vordergrund gerückt. Häufig fehlen es jedoch genaueren Definitionen, welche konzeptionellen Organisationsformen sich dahinter verbergen. Thomas Stutenbäumer* versucht in dieser Serie, eine Systematisierung dieses komplexen Themas vorzunehmen. Teil 6 beschreibt Methoden der Konzeption und des Controlling bei der Realisierung von Informationssystemen.

Eine klare Strategie ist die Grundlage für alle unternehmerischen Aktivitäten auf dem Gebiet der Informationsverarbeitung. Sie legt die Grundsätze zur Gestaltung des zukünftigen Informationssystems als Spiegelbild der betrieblichen Organisationsstruktur fest. Um das verfolgte Ziel zu erreichen und langfristig zu sichern, ist eine grundlegende Organisation der Planung, der Steuerung und des Controllings für das unternehmerische Handeln erforderlich.

Aus den Unternehmenszielen sind zur Definition einer Strategie zunächst die grundsätzlichen Anforderungen an den Informationsbereich abzuleiten. In der Regel bestehen diese Anforderungen darin,

- Dienstleistungen für alle Fachbereiche des Unternehmens zu erbringen, das heißt die Bereitstellung und Speicherung von Daten sowie die für die tägliche Arbeit notwendigen Verarbeitung zu gewährleisten;

- neue Anwendungen für die Fachbereiche zu erarbeiten und

- die Fachabteilungen in Belangen der Informationsverarbeitung zu beraten.

Die IV-Strategie muß sich an den Unternehmenszielen orientieren und die Umsetzung der daraus abgeleiteten Anforderungen unterstützen. Aufgrund der Analyse der Geschäftsprozesse und des Informationsbedarfes des Unternehmens wird die Architektur des zukünftigen Informationssystems konzipiert. Ergibt sich zum Beispiel eine hierarchische betriebliche Organisation, so kann das angestrebte System in vier Ebenen unterteilt werden, auf denen für die tägliche Produktion bestimmte Dienste angeboten werden:

- Unternehmensebene

- Fachbereichsebene

- Arbeitsgruppenebene

- Arbeitsplatzebene

In einem groben Raster ist zu beschreiben, welche Geschäftsprozesse, in welchem Umfang und auf welcher Ebene vom Informationssystem zu unterstützen sind. Die Gruppierung der Geschäftsprozesse ist so vorzunehmen, daß möglichst wenig Informationsabhängigkeiten zwischen den einzelnen Gruppen entstehen. Nötige Umstrukturierungen von Organisationseinheiten und Arbeitsabläufen die bei einer Umstellung auf die integrierte Informationsverarbeitung erfolgen können, sind zu berücksichtigen.

Ein grobe Konzeption des zukünftigen Informationssystems soll einen Rahmen zur Gestaltung des zu realisierenden Projekts geben Es ist zu klären, wie die betriebliche Organisation auf das zukünftige Informationssystem abgebildet werden soll. Dabei sind die grob differenzierten Geschäftsprozesse den einzelnen Organisationseinheiten des Unternehmens zuzuordnen und der Informationsfluß mit der geforderten Aktualität zu schematisieren. Aus diesen Ergebnissen kann folgender konzeptioneller Rahmen für ein zukünftiges Informationssystem abgeleitet werden:

- den vom Informationssystem zu unterstützenden Geschäftsprozeßgruppen werden Anwendungsbereiche zugeordnet (Verteilungskonzept für Anwendungslösungen);

- in Abhängigkeit von den räumlichen Gegebenheiten und unter wirtschaftlichen Aspekten werden die Ressourcen Hardware, Betriebssysteme und Kommunikationssysteme den Anwendungsbereichen zugeteilt (Verteilungskonzept für Ressourcen);

- die Struktur der Anwendungsbereiche und Ressourcen sowie die Datenabhängigkeiten zwischen den Anwendungsbereichen geben ein bestimmtes Datenhaltungskonzept vor (Verteilungskonzept für Daten).

Diese Zuordnungen stellen eine zunächst sehr grobe Orientierung dar, die in späteren Schritten zu verfeinern ist.

Anschließend ist ein Realisierungsmodell zu erstellen, das aufgeteilt in definierte Phasen den Übergang zu einem integrierten Informationssystem beschreibt. Dieses Modell wird während der Umstrukturierung je nach dem Erkenntnisstand der Planung und dem jeweils aktuellen Fortschritt der Reorganisation modifiziert.

Auf der Basis der IV-Strategie und der groben Konzeption des zukünftigen Informationssystems sind Grundsatzentscheidungen für den Einsatz neuer Lösungen zu definieren. Dann können zeitlich dringliche Anforderungen aus den Fachbereichen abgefangen werden. Dabei muß die Beschaffung und der Einsatz neuer Anwendungslösungen so gestaltet werden, daß eine mittelfristige Integration der Anwendungen in das angestrebte Informationssystem realisierbar ist.

Für alle Komponenten eines Informationssystems (Ressourcen, Daten, Anwendungen) müssen Auswahlkriterien in Form von Richtlinien vorgegeben werden. Damit eine spätere Integration der Komponenten möglich ist, müssen die Schnittstellen der Produkte für die Komponenten exakt definiert sein:

- Ressourcen: Rechnerplattformen, Betriebs- und Kommunikationssysteme sind detailliert für Host-Rechner, kleinere Mehrplatzrechner und Arbeitsplatzsysteme festzulegen. Alternativen und die Regelungen für Ausnahmen sind zu berücksichtigen; dabei sollte die Auswahl auf wenige Hersteller begrenzt sein, um den Aufwand für Systempflege und Wartung möglichst gering zu halten;

- Daten und Datenbanksysteme (DBS): Unter Berücksichtigung des in der IV-Strategie vorgegebenen Datenhaltungskonzeptes müssen die Daten unter Datenbanksystemen abgelegt werden, die eine spätere Realisierung der angestrebten Unternehmens-Datenhaltung ermöglicht; hierzu gehören unter anderem ein einheitliches DBS-Konzept (zum Beispiel hierarchisch, relational, objektorientiert) die Verwendung einer einheitlichen Abfragesprache und definierte Schnittstellen zwischen den Datenbanksystemen;

- Anwendungen: Es ist zu definieren, welche Standardprodukte auf den unterschiedlichen Rechnerplattformen eingesetzt werden, in welchen Fällen Individualsoftware selbst programmiert oder von Softwarehäusern erstellt werden soll, ob integrierte Softwarepakete für bestimmte Geschäftsprozeßgruppen eingesetzt werden, etc.; in jedem Fall ist der Grundsatz der strikten Trennung von Daten und Anwendungen zu wahren, das heißt, die Anwendungen haben das für die jeweilige Rechnerplattform eingesetzte DBS oder zumindest die vorgeschriebene Abfragesprache zu verwenden. Darüber hinaus ist eine einheitliche Benutzeroberfläche für alle Anwendungen festzulegen.

Für hierarchisch organisierte Unternehmen wurde das 4-Ebenen-Modell zur konzeptionellen Gestaltung des zukünftigen Informationssystems verwendet. In den Grundsatzentscheidungen wäre in diesem Fall für jede Ebene zu definieren, welche Produkte für die Komponenten Ressourcen, Daten und Anwendungen zum Einsatz kommen. Dabei ist darauf zu achten, daß sowohl die Schnittstellen zwischen den Produkten einer Ebene, als auch zwischen Produkten unterschiedlicher Ebenen kompatibel sind.