Fürsorgepflicht von Arbeitgebern

Mitarbeiterschutz auf Datenbasis

Kommentar  01.09.2020
Von   IDG ExpertenNetzwerk

Götz Reinhardt ist seit August 2016 Managing Director MEE bei SAP Concur. Bevor er diese Führungsposition bei SAP Concur bekleidete besetzte Götz Reinhardt sechszehn Jahre lang verschiedene Positionen im Mutterunternehmen SAP.

Arbeitgeber müssen die Sicherheit ihrer Mitarbeiter gewährleisten. Das gilt im Büro, im Homeoffice und auch auf Geschäftsreisen. Hierbei können Anwendungen unterstützen, die vorhandene Datenpools nutzen. Aber bitte DSGVO-konform.
Auch auf Geschäftsreisen gilt die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers für seine Mitarbeiter.
Auch auf Geschäftsreisen gilt die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers für seine Mitarbeiter.
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Politische Unruhen, Kriminalität oder gesundheitliche Risikofaktoren wie die aktuelle Corona-Pandemie zwingen Organisationen zu besonderen Maßnahmen, um den Schutz ihrer Mitarbeiter zu gewährleisten. Flexible Arbeitsmodelle und ein dynamischerer Umgang mit der Präsenzkultur im Büro erschweren Unternehmen diese Aufgabe. Zudem erfordern die fortschreitende Globalisierung und die Erschließung neuer Märkte, dass Unternehmen ihre Mitarbeiter ins Ausland entsenden. Virtuelle Meetings können den persönlichen Kontakt nicht gänzlich ersetzen.

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Arbeitnehmerschutz - eine Verpflichtung für Unternehmen

Seit 1989 legt eine europäische Richtlinie die Pflicht von Arbeitgebern fest, ihre Mitarbeiter zu schützen. In Deutschland ist die sogenannte allgemeine Fürsorgepflicht des Arbeitgebers nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt. Sie ergibt sich vielmehr als Nebenpflicht des Arbeitgebers aus dem Arbeitsverhältnis und gründet sich auf die Paragrafen 241, Absatz 2 und 618 des Bürgerlichen Gesetzbuches. Dabei sind sowohl öffentlich-rechtliche als auch privatrechtliche Arbeitsschutzbestimmungen zu beachten, unter die neben dem Gesundheitsschutz beispielsweise auch die Ausstattung des Arbeitsplatzes fällt. Die Fürsorgepflicht endet aber nicht, sobald der Mitarbeiter das Büro oder Werkgelände verlässt, sondern greift auch bei flexiblen Arbeitsmodellen wie dem Arbeiten von zu Hause oder auf Geschäftsreisen.

Schicken Arbeitgeber ihre Mitarbeiter auf Geschäftsreise oder entsenden sie für einen längeren Zeitraum an eine ausländische Niederlassung, müssen sie vor der Abreise über die Gesundheits- und Sicherheitsbedingungen im Zielland informieren. Die Verpflichtungen von Arbeitgebern beschränken sich jedoch nicht auf Vorabinformationen. Auch während ihrer Abwesenheit vom Büro müssen sie ihren Mitarbeitern unterstützend zur Seite stehen - beispielsweise mit Informationen zu alternativen Reisemöglichkeiten bei Streiks oder mit schneller Hilfestellung bei politischen Unruhen. Im Krankheitsfall gilt es, angemessene Standards bei der medizinischen Versorgung oder einen Rücktransport ins Heimatland zu garantieren.

Spätestens an dieser Stelle dürfte klar sein: Besonders in der heutigen Zeit sehen sich Unternehmen bei der Einhaltung ihrer Fürsorgepflicht mit einigen Herausforderungen konfrontiert. Um ihrer Schutz- und Hilfspflicht ordnungsgemäß nachzukommen, ist es essenziell, dass sie schnell in Erfahrung bringen können, wo sich ihre Mitarbeiter gerade aufhalten. Dafür müssen sie die Möglichkeit haben, den Standort ihrer Mitarbeiter möglichst in Echtzeit nachvollziehen zu können. Hier stoßen sie allerdings zunehmend an Grenzen: Flexible Präsenzmodelle erschweren die Standortbestimmung und sich dynamisch ändernde Ein- und Ausreisebestimmungen erfordern eine hohe Flexibilität und Umbuchungen.

Zudem buchen Mitarbeiter ihre Reisen heute oft selbst und nicht immer über unternehmenseigene Kanäle. Das macht es schwieriger, vollständige Reservierungsdaten zu erfassen, den Aufenthaltsort der Mitarbeiter zu bestimmen, mit ihnen in Verbindung zu bleiben und sie im Notfall schnell nach Hause zu bringen. Eine weitere Herausforderung stellt die Kommunikation mit den Mitarbeitern dar, wenn sie geschäftlich viel unterwegs sind. Im Ernstfall müssen Arbeitgeber, wie auch Arbeitnehmer auf zuverlässige und robuste Kommunikationsmittel und -wege zurückgreifen können.

Verfügbare Daten für den Mitarbeiterschutz nutzen

Mit modernen Technologien können sich Unternehmen zumindest teilweise auf das Unerwartete vorbereiten und sich selbst Handlungsspielraum schaffen. Ein Beispiel dafür sind Cloud-Lösungen im Reisemanagement, die die digitale Abbildung von Reiserichtlinien ermöglichen. Auf Basis von Echtzeitdaten wie Reisebuchungen und Abrechnungen, der Analyse von Reiseplänen und der Ermittlung von Routenänderungen sowie die Lokalisierung der Mitarbeiter können solchen Tools eine genaue Einschätzung der Risikoexposition ermöglichen.

Plant ein Unternehmen den Einsatz einer Risikomanagement-Lösung, sollten alle Mitarbeiter zu den Tools und Anwendungen geschult werden. Indem sich Mitarbeiter unter Anleitung mit den digitalen Lösungen vertraut machen, können Nutzungsbarrieren gleich zu Beginn abgebaut werden. Die Beschäftigung mit den Anwendungen trägt zudem zum Verständnis der erfassten Daten und deren Weiterverarbeitung bei. Haben Mitarbeiter einmal verinnerlicht, dass die Datenverarbeitung zu ihrem Schutz erfolgt und sie nicht mehr als Eindringen in ihre Privatsphäre empfinden, können Unternehmen dem derzeit vorherrschenden Vertrauensmangel aktiv entgegenwirken. Laut einer von Innofact AG und SAP Concur durchgeführten Umfrage vertrauen nur 65 Prozent der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen darauf, dass ihr Arbeitgeber ihnen auch in einer Krisensituation schnell und zuverlässig helfen kann.

Die angeführten Technologien sind jedoch nutzlos, wenn das Unternehmen nicht über die notwendigen HR-, Reise- und Spesendaten verfügt, die Teil der benötigten Informationen für die entsprechenden Analysen sind. Dies wirft wiederum Fragen zum Schutz der Privatsphäre und der Vertraulichkeit persönlicher Daten auf, die zu den Schlüsselthemen der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) gehören. Hier bedarf es zunächst einer umfassenden Aufklärung der Mitarbeiter darüber, welche Daten mitgelesen werden und welchem Zweck deren Auswertung letztlich dient. Haben Mitarbeiter erst einmal verstanden, dass ihnen dadurch im Ernstfall schneller geholfen werden kann, können sie datenbasierten Lösungen offener gegenüberstehen. 89 Prozent der deutschen Berufstätigen wären laut besagter Umfrage bereit, personenbezogene Daten zu teilen, wenn sie damit zu einem verlässlichen Sicherheitsprogramm beitragen können.

Ohne Kommunikation und Schulung keine Akzeptanz

Auch in diesem Fall ist eine offene Kommunikation oft der Schlüssel zu mehr Akzeptanz neuer Technologien. Unternehmen sollten umfassend über die von ihnen ergriffenen Datenschutzmaßnahmen informieren. So können sie sich nicht nur vor einer Geldbuße schützen, sondern ihre Mitarbeiter außerdem ermutigen, wichtige Informationen zur Gewährleistung ihrer Sicherheit zu teilen.

Eine Standortbestimmung in Echtzeit ist nur mit Zustimmung des Mitarbeiters erlaubt.
Eine Standortbestimmung in Echtzeit ist nur mit Zustimmung des Mitarbeiters erlaubt.
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Aus Respekt vor der Privatsphäre ihrer Mitarbeiter sollten Unternehmen immer deren vorherige Zustimmung zur Registrierung und damit zur Nutzung ihrer Position (Breiten- und Längengrad) einholen. Letztlich sollte garantiert werden, dass die Daten nicht gespeichert werden und dass eine Ortung nur im Falle einer aktuellen Gefährdung vorgenommen wird. Schaffen Unternehmen in diesen Punkten Transparenz, können sie Unsicherheiten und Zweifel seitens der Mitarbeiter häufig bereits zu Beginn abschwächen oder sogar gänzlich ausräumen.

Lesetipp: GDPR-Verstöße werden teurer

Die Pandemie wird den bisherigen Arbeitsalltag verändern - und das vielleicht dynamischer und unberechenbarer als je zuvor. Innerhalb dieses Anpassungsprozesses, den Unternehmen jetzt durchlaufen, können datenbasierte Technologien die notwendige Flexibilität und Reaktionsgeschwindigkeit bieten, die statische Prozesse nicht vollumfänglich zulassen. (bw)