TelearbeitDer Durchbruch läßt noch auf sich warten

Mitarbeiter eher für Telearbeit als ihre Vorgesetzten

06.12.1996

Mit ungefähr 150000 Telearbeitsplätzen liege die Bundesrepublik derzeit noch weit hinter dem bis zum Jahr 2000 geschätzten Potential von 800000 zurück, so Wirtschaftsminister Günter Rexrodt. Er will sich für die Durchforstung der rechtlichen Rahmenbedingungen einsetzen. Mitbestimmungsrechte und die Auflagen der Gewerbeaufsicht dürften bei der Arbeit in den eigenen vier Wänden nicht unter den Tisch fallen, benötigten aber Anpassungen.

Als schwierig bewertet der Bundesminister auch die Frage der Selbständigkeit beziehungsweise Scheinselbständigkeit. Einerseits dürfe Telearbeit nicht zu einem Verlust der sozialen Sicherung führen, andererseits sähen die Behörden vielleicht zu viele Telearbeiter als Scheinselbständige.

Mitarbeiter begrüßten eine Verlagerung der Beschäftigung nach Hause, das Management stelle sich dann aber oft dagegen. Bedeuteten doch die neuen Arbeitsstrukturen, daß sich Informationsflüsse neue Wege suchten und Hierarchien abflachten. Deutschland müsse die Chancen der Telearbeit ergreifen, um weltweit nicht zurückzufallen. Mittel- bis langfristig sei bei dem gesamten laufenden Rationalisierungsprozeß damit zu rechnen, daß die deutsche Wirtschaft aus dem Prozeß gestärkt und mit mehr Stellen hervorgehe.

IBM-Chef rechnet mit 3,5 Millionen Telearbeitern

Edmund Hug, Vorsitzender der Geschäftsführung der IBM Deutschland GmbH, beobachtet, daß sich "mobile Tätigkeit" in Europa und vor allem in Deutschland "sehr schleppend" entwickle. Eine Beschleunigung sei jedoch zu erwarten. Hug geht bei breiterer Definition der Telearbeit sogar von 3,5 Millionen Stellen aus. Wichtig sei aber, daß nicht mit neuen Gesetzen ein hohes Regulierungsniveau geschaffen werde. Der neue Arbeitstyp sei nämlich rasch in andere Länder zu verlagern.

Cornelia Yzer, Staatssekretärin im Bundesforschungsministerium, glaubt, daß mobile Beschäftigung gerade kleineren Unternehmen mit ihren Stärken wie Schnelligkeit, Flexibilität und Kundennähe ein großes Potential bietet. Das Forschungsministerium wolle mit der Fördermaßnahme "Initiative Telearbeit" die Schaffung von 1000 entsprechenden Arbeitsplätzen im Mittelstand anregen.

40 Prozent der Mitarbeiter an Telearbeit interessiert

Mittlerweile seien 40 Prozent der Arbeitnehmer an Telearbeit interessiert gegenüber acht Prozent vor zehn Jahren. Bonn werde sich allen Versuchen auf europäischer Ebene widersetzen, die vor der Realisierung stehende liberale Medienordnung "durch Engführung in der europäischen Gesetzgebung zu konterkarieren". Eine Ausdehnung der EU-Fernsehrichtlinie auf einen Teil der neuen Dienste wäre schädlich.

Für Werner Dostal vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg bedeutet Telearbeit, daß aus Betrieben Netzwerke und aus Kollegen Partner werden. Den Arbeitsplatz im traditionellen Sinne werde es in diesem Umfeld nicht mehr geben. Zudem könnten Telearbeiter nur dann mit Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen rechnen, wenn sie auf Grund von Spezialkenntnissen über eine besondere Position verfügten.