"Mitarbeiten ist besser als Meckern"

02.05.1975

Dipl.-Ing. Helmut Hoseit, Gesellschafter und Mitglied der Geschäftsleitung der ADV/ORGA F.A. Meyer KG, Leiter des Geschäftsbereiches TECHNISCHE SYSTEME, München

Selbst auf die Gefahr hin, dem in CW Nr. 7 geäußerten Verdacht neue Nahrung zu verschaffen, ADV/ORGA habe mit der Mitarbeit an DIN 66 220 nur eigennützige Ziele verfolgt, muß ich jetzt doch zur Feder greifen. In den zahlreichen, sowohl fachlichen als auch politischen Angriffen auf den Normentwurf sind so viele Mißverständnisse, Widersprüche und Irrtümer offenbar geworden, daß mir der folgende Versuch einer Korrektur notwendig erscheint. Über die Aufgaben. die Zusammensetzung, die Arbeitsweise und die Kompetenzen der verschiedenen Gremien des DNA scheinen bei den Verfassern von kritischen Artikeln zu DIN 66 220 recht abenteuerliche Vorstellungen zu bestehen. Es ist hier nicht der rechte Ort und nicht genug Raum für eine entsprechende Aufklärung, es sei aber auf DIN 820 verwiesen, zu beziehen vom Beuth Verlag GmbH, 1 Berlin 30. Hier nur eines: Der DNA und in ihm der FNI haben keine gesetzgeberische Kompetenz. Sie sind vielmehr der freiwillige Zusammenschluß verschiedener interessierter Institutionen wie Hersteller- und Anwenderfirmen und Hochschulen. Da sich unter den beteiligten Unternehmen naturgemäß Konkurrenten befinden und das Ganze von einigen Lenkungs- und Kontrollgremien überwacht wird, ist es undenkbar, daß einzelne Interessenten oder Interessentengruppen ihr eigenes Süppchen kochen können.

Wer speziell die Geschichte von DIN 66 220 kennt, die mit einem Antrag von VW begann und an der ADV/ORGA, da damals im FNI nicht vertreten, anfänglich gar nicht beteiligt war, wird auf manchen liebgewordenen Vorwurf verzichten müssen. Übrigens: Hier irrte Dr. Maurer in CW Nr. 7. Ich bin niemals stellvertretender Vorsitzender des von Herrn Pätzold geleiteten Arbeitskreises FNI 5.7 gewesen, in dem der umstrittene Normentwurf erarbeitet wurde. Ich habe mangels einschlägiger Fachkenntnis diesem Ausschuß auch nicht als Mitarbeiter angehört. Wie leicht wäre es für jedermann gewesen, diesen Sachverhalt und die Zusammensetzung der einzelnen Arbeitskreise dem jährlich in der Zeitschrift "Elektronische Rechenanlagen" veröffentlichten Jahresbericht des FNI und dem Mitarbeiterverzeichnis zu entnehmen.

Aus dem "Erfolg" des Normentwurfes DIN 66 220 darf man u. a. wohl schließen, daß das behandelte Thema für die Software-Häuser von besonderer Bedeutung ist. Warum aber, lautet meine Frage, haben sich diese Firmen, die ihr Interesse heute durch Einsprüche anmelden, nicht an der Entwicklung (oder meinetwegen auch an der Verhinderung) dieser Norm beteiligt, indem sie sich als Mitarbeiter in den zuständigen Ausschüssen meldeten? Im FNI stammen ganze 10 Prozent der Mitarbeiter aus Software-Häusern! Wenn man in der Normungsarbeit überhaupt einen Sinn sieht, dann ist es - gelinde gesagt - nicht ganz fair, diesen unentgeltlich arbeitenden Firmen genau aus jenen Ecken Vorwürfe bis zu dem des Eigennutzes zu machen, aus denen Normungsmitarbeiter bisher nie zu gewinnen waren.

Der Normenausschuß ist es gewohnt, zwischen zwei Kritikerlagern zu leben: Von der einen Seite kommt die Beanstandung, dieser "Alte-Opa-Verein" bringe eine Norm immer erst dann zustande, wenn das genormte Objekt längst technisch überholt sei und von niemanden mehr benutzt würde. Das andere Lager wirft ihm vor, Objekte per Norm festschreiben zu wollen, deren Entwicklung noch gar nicht abgeschlossen sei. Es ist höchst amüsant, zu beobachten, mit welcher Behendheit es manche Kritiker verstehen, zwischen diesen beiden Lagern zu oszillieren. Auch an DIN 66 220 ist Kritik beider Sorten, teilweise von denselben Personen, zu hören gewesen.

Dem aufmerksamen Leser der ganzen Vorgänge um diesen Normentwurf wird aufgefallen sein, daß die meisten Beiträge in flammenden Aufrufen, Appellen und Vorschlägen gipfeln, was denn jetzt endlich anstelle solcher höchst überflüssiger, längst überholter, viel zu früh kommender, fortschrittshemmender, fachlich unzureichender Normen wie DIN 66 220 genormt werden solle. Derartige Anträge aus allen Kreisen der interessierten Bevölkerung bekommt der DNA laufend. Meines Wissens freut er sich sogar darüber, zeigen sie doch das Interesse des Publikums an der Arbeit und die Anerkennung der Zuständigkeit des DNA. Nur: Mitmachen Leute! Von allein kommen keine Normen. Und vom Vater Staat per Gesetz oder von einer großen Herstellerfirma per Faktum vorgesetzte Normen mögen wir doch alle nicht so gerne. Oder?