US-Fernsehpionier verkauft Computerdivision nach Frankreich

Mit Zukauf von Zenith will Bull-Gruppe Boden gutmachen

13.10.1989

PARIS/GLENVIEW/MÜNCHEN (bk) - Die französische Groupe Bull ist in die roten Zahlen gerutscht. Doch Konzernchef Francis Lorentz kauft zu. Jetzt luchste er der amerikanischen Zenith-Gruppe die lukrative PC-Portable-Sparte ab und erhöhte damit den Bull-Umsatz um 1,4 auf rund sieben Milliarden Dollar - Platz sieben in der Rangliste der weltweit größten DV-Hersteller.

Francis Lorentz, Präsident der französischen Bull-Gruppe, hatte in jüngster Vergangenheit immer wieder angekündigt, mit Akquisitionen neue Verkaufskanäle für sein Unternehmen erschließen zu wollen. Jetzt hat der DV-Multi erstmals zugeschlagen: Bull übernimmt mit der Zenith Data Systems (ZDS), der Heath/Zenith und der Veritechnology Electronics Corp. das gesamte Computergeschäft des amerikanischen Radio- und Fernsehpioniers Zenith Electronics Corp., Glenview/Illinois.

Mit diesem Schachzug, der den Franzosen rund 600 Millionen Dollar wert ist, schlägt die Gruppe Bull gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe. Zum einen kann sie endlich Schwung in ihre PC-Aktivitäten bringen, denn die eigene PC-Schiene, die Micral-Rechner, hat bislang noch nicht viel Gewinn abgeworfen.

Zenith behält Eigenständigkeit

Mit dem ZDS-Kauf aber, so glaubt Francis Lorentz, werde Bull auf dem Sektor der Mikrocomputer nunmehr wesentlich bessere Bilanzergebnisse erzielen. Zum zweiten verschafft sich der Pariser DV-Multi mit dem Laptop-Spezialisten Zenith nunmehr auch Zutritt zum weltweit rasant wachsenden Markt der tragbaren Computer. Ein solches Gerät hatte Bull bis vor wenigen Monaten noch selbst im Programm. Der Laptop "Attaché", ein OEM-Produkt, war vor zwei Jahren auf mehrfachen Kundenwunsch hin ins Produktprogramm genommen worden, ohne jedoch nennenswerte Absatzzahlen zu verbuchen.

Weitere angenehme Begleiterscheinung des Erwerbs der Zenith-Computergruppe für den DV-Hersteller: Der Gesamtumsatz der Bull-Gruppe, die im ersten Halbjahr des laufenden Geschäftsjahres rote Zahlen ausweisen mußte, steigt mit den zuaddierten Einkünften der Zenith-Division (zirka 1,4 Milliarden Dollar) auf rund sieben Milliarden Dollar. Dadurch rückt der Pariser Hardware-Hersteller von Rang 10 auf Rang 7 der weltweit größten Anbieter von lnformationssystemen vor. Auch in den USA kommt Bull durch Zenith tüchtig voran. Der Umsatz der Bull HN Information Systems, die bereits seit einigen Jahren mit Zenith Data Systems auf dem Laptop-Gebiet zusammenarbeit, verdoppelt sich laut Francis Lorentz auf zwei Milliarden Dollar.

Ersten Planungen zufolge soll die Zenith-Computerdivision, die weltweit etwa 4000 Mitarbeiter beschäftigt und in Europa über Niederlassungen in der Bundesrepublik, in Großbritannien, Frankreich und Italien verfügt, "unter dem gemeinsamen Bull-Gruppen-Dach" ihre Eigenständigkeit behalten. Dies, so Lorentz, bedeute auch, daß Bull auf den jeweiligen Mikrocomputern die betreffenden Markennamen (Zenith oder Bull) beibehalte. Zudem werde das derzeitige Management der Zenith Data Systems im Amt bleiben. Dabei handelt es sich um John P. Frank, seit 1987 President der Zenith Data Systems, und Carl A. Michelotti, ebenfalls seit 1987 President der gesamten Computergruppe von Zenith. Damit sei gewährleistet, daß sich nach Inkrafttreten der Übernahme im Dezember (nach der Aktionärsversammlung von Zenith) die Umorganisation rasch vollziehen werde.

Daß Zenith-Chairman Jerry K. Pearlman ausgerechnet die Computer-Gruppe verkauft, hat viele Brancheninsider überrascht. Seit dem Einstieg ins IBM-kompatible Mikrocomputergeschäft im Jahr 1980, konnte sich die Division nach einigen Anlaufschwierigkeiten mittlerweile in den USA durch zahlreiche Aufträge von Behörden und Universitäten im Desktop-Sektor etablieren. Verfügbar sind PCs bis hin zur 386er-Kategorie. Gut voran kam das Unternehmen aber vor allem mit tragbaren PCs, den Laptops. Auch hier machte Zenith die gesamte Prozessor-Entwicklung mit, brachte 1988 den SupersPort 286 und TurbosPort 386 auf den Markt. Neuestes Modell von Zenith ist das Leichtgewicht MinisPort mit Zwei-ZoII-Minidisketten und einem Gewicht von nur knapp drei Kilogramm. Nach Ermittlungen der amerikanischen Marktforschungsgesellschaft Dataquest führte ZDS 1988 weltweit den Laptop-Markt an. In Europa liegt das Unternehmen hinter Toshiba auf Platz 2.

Das erfolgreiche PC-Geschäft jedoch konnte die Verluste des zweiten Standbeins des Elektronikkonzerns - der Unterhaltungselektronik - nicht auffangen. Immer wieder war in der Vergangenheit gemunkelt worden, Zenith, einziger US-Anbieter von Farbfernsehgeräten, würde dieses Geschäft auf Druck der Aktionäre bald aufgeben müssen. Doch angesichts drückender Schulden, so vermuten Marktbeobachter, habe Pearlman keine andere Wahl gehabt, als die profitable Computerdivision zu verkaufen.

Nach Bekanntwerden der Transaktion erklärte der Chairman der Zenith Electronic Corp. denn auch: "Der Gesellschaft ist ein fairer Preis für das Computergeschäft angeboten worden. Die Transaktion bedeutet, daß unsere Bilanz merklich gestärkt und unsere hohe Schuldenlast vermindert wird." Man könne jetzt kurzfristige Verbindlichkeiten zurückzahlen und einen Teil der langfristigen Schulden tilgen.

Pearlman weiter: "Der verbleibende Erlös wird für angemessene Investitionen in neue Verbraucherelektronik und Komponententechnologien, insbesondere High-Definition- Television (HDTV) und verbesserte hochauflösende Farbbildschirme verwendet werden."