Mit Wut gegen Subventionen

28.10.1983

Von Friedrich A. Meyer, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Unternehmensberater (BDU) e. V. und Hauptgesellschafter der ADV/ORGA F. A. Meyer GmbH

Kennen Sie nicht auch die Geschichte des Mannes, der eines Abends am Deich seiner Heimatgemeinde spaziert und plötzlich ein kleines Loch entdeckt, durch welches schon das Wasser der dahinter anbrandenden Nordsee hindurchkriecht? Das Unglück erahnend, steckt er geistesgegenwärtig seinen Finger in das Loch, stoppt das Durchsickern des Wassers und verhindert damit eine Katastrophe.

Was hätte dieser tüchtige Mann, dem noch zu Lebzeiten ein Denkmal an besagter Stelle gesetzt wurde, getan, wenn gleichzeitig ein zweites Loch aufgetreten wäre? Nun, man kann vermuten, er hätte die zweite Hand dazugenommen und die Situation immer noch gemeistert. Die Vorstellung, ein drittes Loch mit einem Fuß und einer gehörigen Portion Akrobatik zu schließen, verlangt vom Leser schon viel Phantasie. Beim vierten schließlich würde unser Artist seines Standbeins beraubt und er würde mitsamt seines guten Willens zu Fall kommen.

Was in diesem Bild für jeden unmittelbar einleuchtend ist, wird, wenn man die Sachverhalte auf die Politik überträgt, Gegenstand unzähliger Diskussionen und vielfältiger Meinungen. Ersetzen wir einmal die anbrandende See durch das alptraumartige Schreckgespenst einer gesamtwirtschaftlichen Depression und die Löcher im Deich durch kranke Unternehmen in der Volkswirtschaft, so zeichnen sich die Umrisse unserer Intention ab. Wenn wir dann noch die helfende Hand des Mannes durch die helfende Hand des Staates austauschen, liegt das Bild klar vor uns. Es geht um die vieldiskutierten, heißersehnten und vielgeschmähten Subventionen. Kaum, daß der Begriff gefallen ist, tauchen auch schon die Fragen auf, deren Relevanz die aktuelle Politik jeden Tag aufs neue bestätigt.

Aufgeworfene Fragen...

Welche Auswirkungen haben eigentlich Subventionen einzelwirtschaftlich, gesamtwirtschaftlich oder ordnungspolitisch? Verträgt sich unser Demokratieverständnis noch mit der aktuellen Subventionspolitik und wieweit werden Wettbewerbsverzerrungen dadurch hervorgerufen? Läßt nicht die Annahme von Subventionen die unternehmerische Gesinnung schwanken und bringt sie nicht den Grundsatz von der Hilfe, die ausschließlich zur Selbsthilfe dienen soll, zu Fall?

Eine allesumfassende, jeden befriedigende Lösung des Problems "Subventionen" kann man sicher nicht geben, aber Wichtiges kann thesenartig in den Blickpunkt gerückt werden.

... und der Versuch, sie zu beantworten

Die Essenz aus den vielen Diskussionen, die ich zu diesem Thema geführt habe, findet ihren Niederschlag in den folgenden Leitsätzen:

- Subventionen führen zwangsläufig zu wachsendem Staatseinfluß auf die Wirtschaft und auf die Unternehmen. Sie unterhöhlen die Fundamente der Wirtschaftsordnung. Sie vergrößern das Instrumentarium an Planungs-, Lenkungs- und Kontrollmechanismen und fördern die Bürokratisierung aller Beteiligten.

- Subventionen beeinflussen und beeinträchtigen die unternehmerische Entscheidungsfreiheit, Leistungsfähigkeit und Risikobereitschaft der Wirtschaft, die Kernelemente der marktwirtschaftlichen Ordnung sind.

- Subventionen mindern einzelwirtschaftlich die Flexibilität und das Anpassungsvermögen der Unternehmen an Veränderungen von Märkten und technischen Entwicklungen. Sie führen zu Verzerrungen des unternehmerischen Leistungswettbewerbes. Es werden Mittel von ertragsstarken zu ertragsschwachen Unternehmen umgeleitet. Wirtschaftlich notwendige Strukturbereinigungen werden behindert.

- Subventionen beeinträchtigen gesamtwirtschaftlich den Steuerungsmechanismus von Preis und Markt. Sie mindern die volkswirtschaftliche Produktivität und Elastizität.

- Subventionen sollten nur in Notfällen - wie Schutz einzelner Branchen vor subventionierten ausländischen Wettbewerbern - und nur befristet, vollständig transparent, wettbewerbsneutral und degressiv gewährt werden. In jedem Fall ist eine Abwägung über den Nutzen der Subvention anzustellen, vor allem darüber, ob nicht marktkonforme Instrumente den gleichen Zweck erreichen könnten.

- Die Unternehmer sollten aktiv und aggressiv für Abbau und Abschaffung der Subventionen eintreten. Die Forderung, sie abzubauen, schließt nicht aus, vorhandene Subventionen zu nehmen, wenn sie als Marktfaktoren den Wettbewerbern zur Verfügung stehen. Der Unternehmer darf sich bei seinen Investitionsentscheidungen jedoch nicht von Subventionen, sondern nur vom Markt leiten lassen.

- Anstelle von Subventionen müssen wirtschafts-, finanz- und gesellschaftspolitische Rahmenbedingungen wiederhergestellt werden, die den Unternehmern ermöglichen, ohne Inanspruchnahme öffentlicher Subventionen aus eigener Ertragskraft langfristig ihre

Wettbewerbs- und Leistungsfähigkeit zu sichern.

Man muß sich die Frage stellen, ob es sich wirklich lohnt, den Fortbestand der Subventionen engagiert zu vertreten. Sollten wir nicht vielmehr denjenigen, die den Mut haben, gegen Subventionen einzutreten, den Rücken stärken, wie zum Beispiel dem Präsidenten des DIHT Otto Wolff von Amerongen. Zugegebenermaßen erfordert dies allerdings ein gewisses Maß an Selbstbeschränkung.

Nachdruck aus "Der Berater-Brief", Ausgabe 3/83, Hrsg. ADV/ORGA F. A. Meyer GmbH, Wilhelmshaven.