United Internet AG

Mit Vollgas aus der Dotcom-Krise

24.09.2004
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Wolfgang Miedl arbeitet Autor und Berater mit Schwerpunkt IT und Business. Daneben publiziert er auf der Website Sharepoint360.de regelmäßig rund um Microsoft SharePoint, Office und Social Collaboration.
Vor zwei Jahren stand United Internet am Rand des Abgrunds. Mittlerweile hat sich das New-Economy-Unternehmen glänzend erholt.

Wer sich noch vor zwei Jahren näher mit den Geschäften von United Internet befasst hat, dachte an das übliche New-Economy-Schicksal: Hoch gepokert, groß eingekauft und nun kurz vor dem Ruin. Tatsächlich sahen die Ergebnisse 2001 und 2002 alles andere als rosig aus, die Verluste lagen im zweistelligen Millionenbereich. Ein großer Teil der ehemals 17 Firmenübernahmen wurde wieder abgestoßen. Dass das Unternehmen aus Montabaur dennoch innerhalb kürzester Zeit auf die Siegerstraße zurückgekehrt ist und in großen Schritten von einem Quartalserfolg zum nächsten eilt, hängt mit seiner für die Branchenverhältnisse schon langen Geschichte zusammen.

Bereits 1988 hatte Ralph Dommermuth, Vorstandschef und Großaktionär bei United Internet, das Vermarktungsunternehmen 1&1 gegründet. Den ersten großen Coup konnte der Rheinland-Pfälzer Unternehmer mit dem Vertrieb von ISDN und Btx landen. Dommermuth verstand es, aus den einstigen Telekom-Ladenhütern mit der richtigen Marketing-Strategie echte Erfolgsdienste zu machen: Man verzichtete auf Einrichtungsgebühren und senkte den Kunden mit der Bündelung von Modem und Software die Einstiegshürde. Mit dem einsetzenden Web-Boom Mitte der 90er Jahre diente Btx zunächst noch als lukratives Vehikel für den Vertrieb von Telekom-Internet-Zugängen. Allerdings nahm der rosa Riese 1997 seine Geschicke mit der Gründung von T-Online selbst in die Hand und trennte sich per Abfindung von Dommermuth.

Der bis dahin erfolgsverwöhnte Unternehmer suchte nun nach einer neuen Plattform, um seine Online-Geschichte weiterzuschreiben - und fand sie beim Karlsruher Web-Hoster Schlund & Partner. Die 1&1 Holding übernahm den Hoster mitsamt dessen Rechenzentrum und begann damit, ihr bisheriges Marketing-Erfolgsrezept auf das neue Geschäftsfeld zu übertragen. Der Fokus lag nun auf dem neuartigen Handel mit Domain-Namen sowie den damit verknüpften Web-Präsenzen. Auch hier war 1&1 wieder zur rechten Zeit am rechten Ort. Der Bedarf an Web-Dienstleistung stieg gerade stark an, es fehlte jedoch noch an Anbietern, die ein preisgünstiges und leicht verständliches Massenprodukt auf den Markt bringen konnten. Kultureller Wandel

Für 1&1 bedeutete das aber auch einen grundlegenden kulturellen Wandel: Aus dem Telekommunikations-Vermarkter wurde nun ein Technologie-Unternehmen mit eigener Produktion. Um im hart umkämpften Hosting-Geschäft erfolgreich zu sein, galt es, kostengünstigen Server-Platz sowie billige Domain-Registrierungen anzubieten. Hier steht man seit Jahren im Duell mit dem Erzrivalen Strato - was im Endeffekt zu den weltweit billigsten Domain- und Hosting-Preisen geführt und den Weg in den Massenmarkt geebnet hat.

1998 wurde die 1&1 Holding an die Börse gebracht und war damit das erste Internet-Unternehmen am Neuen Markt. Der Dotcom-Boom war in vollem Gange, und Dommermuth eiferte Internet-Holdings wie CMGI nach. Mit den damals noch bescheidenen 16 Millionen Euro Erlös aus dem Börsengang wurden etliche Firmen eingekauft, bis Anfang 2000 waren es schließlich 17, die unter dem neuen Namen United Internet AG Platz fanden. Der eingeführte Name 1&1 wurde aber beibehalten und auf den wichtigsten Geschäftsbereich Hosting und Domains übertragen. Die nun unter "1&1 Internet AG" firmierende Tochter erwies sich dabei auch während des Absturzes der Internet-Wirtschaft als krisensicher. Während sich United Internet nach massiven Verlusten von den meisten Akquisitionen trennen musste, verzeichneten die Karlsruher weiterhin einen stabilen Zuwachs.

Wie schlecht es in dieser Phase um Dommermuths Imperium stand, zeigt der Aktienkurs: Lag der Höhepunkt am 15. Februar 2000 bei 48,90 Euro, so sackte das Papier im Oktober auf 1,90 Euro ab. Noch ein Jahr später dümpelte der Preis bei 4,30 Euro. Die Verluste vor Steuern beliefen sich dabei in den Jahren 2000 und 2001 auf 54,1 beziehungsweise 42,6 Millionen Euro.

Da mag es fast paradox erscheinen, dass United Internet mit seinem Web-Geschäft der Krise trotzen konnte. 1&1 steuerte 2001 mit 85 Prozent den Löwenanteil am Konzernergebnis bei und steigerte seinen Umsatz gegenüber 2000 um 30 Prozent auf 118 Millionen Euro. Um auch die Mutter United Internet wieder auf Kurs zu bringen, griff Dommermuth zu harten Sanierungsmaßnahmen. Die meisten Übernahmen aus der Boomphase wurden abgestoßen, das Unternehmen konzentriert sich seither auf drei Kernbereiche: Das Produktsegment (Hosting, Internet-Zugang, Information Management), Outsourcing sowie Online-Marketing. Diese Rosskur hat überraschend schnell Wirkung gezeigt, mit Wachstumsraten, die andere Firmen blass aussehen lassen: Der Gesamtumsatz stieg 2003 auf 415 Millionen Euro (2002: 317 Millionen), vor Steuern belief sich der Gewinn dabei auf 65 Millionen Euro (2002: 42 Millionen Euro).

Da brummt der Markt

Heute brummen auch die beiden anderen Bereiche Outsourcing sowie Marketing. Über die Marken Twenty4help und Schlund Technologies adressiert man auf internationaler Ebene den B-to-B-Outsourcing-Sektor und erzielte damit im ersten Halbjahr 2004 einen Umsatz von 43,7 Millionen Euro. Der Bereich Online-Marketing setzt sich aus dem Online-Vermarkter Adlink, der Domain-Handelsplattform Sedo sowie dem Web-Partnernetzwerk Imedia zusammen und konnte bis Juni einen Umsatz von 28 Millionen Euro verbuchen. Mit viel Aufwand betreibt United Internet seit einiger Zeit auch die internationale Expansion. In Großbritannien zählt der 1&1-Ableger bereits zu den fünf größten Hostern, seit dem vergangenen Jahr versucht man, auch auf dem US-amerikanischen Markt Fuß zu fassen. Neu im Visier auf dem Produktsektor hat man nun Frankreich und Österreich, auch hier sollen 1&1-Ableger schon bald für satte Erträge sorgen. Um sein persönliches Wohler-gehen muss sich

Dommermuth kaum Gedanken machen - er hält 38 Prozent aller United-Internet-Aktien.

* Der Autor Wolfgang Miedl ist freier IT-Fachjournalist aus Erding bei München. [wolfgang@schulze-miedl.de]