Mit vollen Hallen ist gut stinken

29.03.1991

Die IBM Deutschland GmbH sorgt sich um die Qualität der Hannover-Messe CeBIT, übt Kritik am Gemischtwaren- und Mehrfachbelegungs-Konzept des Büro-Basars, das die geschlossene Darstellung des Integrationspotentials eines großen DV-Universalanbieters nicht mehr zulasse. Die Münchener Messe- und Ausstellungsgesellschaft (MMG), bisher sorgfältig darauf bedacht, sich ihr High-Tech-Fachmessekonzept nicht verwässern zu lassen, verlängert die Profi-Veranstaltung SYSTEMS '91 um einen Tag fürs breite Publikum, ins Wochenende hinein. Das Messegeschäft in der Bundesrepublik treibt krause Blüten.

Natürlich wissen die Marketingstrategen der IBM, daß die CeBIT-Macher die Fettaugen abschöpfen wollen, solange die Messesuppe noch heiß ist. Seit Jahren ignorieren die Hannoveraner Vorschläge aus dem Ausstellerlager, die eine Änderung der Messestruktur betreffen. Mit vollen Hallen ist gut stinken. Den IBM-Managern dürfte auch bekannt sein, daß sie bei den CeBIT-Newcomern aus dem asiatischen Raum auf wenig Gegenliebe stoßen, wenn sie einer Selbstbeschränkung der Aussteller das Wort reden. Mehr noch: Die blauen Taktiker haben das Übergrößen-Geschäft der CeBIT fleißig mitbetrieben, waren immer in vorderster Front dabei, wenn es um die Erweiterung der Ausstellungsflächen ging.

Heute jedoch will die IBM den Eindruck vermitteln, sie trauere den alten CeBIT-Zeiten nach. Das Argument von der falschen Struktur der Messe ist fadenscheinig. Die Struktur der DV-Branche hat sich verändert. Freilich, auch die PC- und Workstation-Hersteller wissen, daß potemkinsche Messen den Markt nicht ersetzen können. In diesem zeichnen sich Sättigungstendenzen ab, zumindest bei Nullachtfünfzehn-Produkten. Indes: Nullachtfünfzehn ist die Norm. So scheitert das Messe-Schnattern an dem Gesetz von Angebot und Nachfrage. Das meinen die Überathleten der IBM-Sales-Force, wenn sie eine stärkere CeBIT-Abstinenz predigen. Und damit haben sie natürlich recht.

Gelegenheit, ihren neugewonnenen Einsichten gemäß zu handeln, hat die IBM Deutschland schon bald: Vertragsverhandlungen über die SYSTEMS-Teilnahme stehen an. Warum soll der Mainframe-Marktführer auf eine Messegesellschaft hören, wenn er von seiner Klasse-statt-Masse-Strategie überzeugt ist? Auf diesem Hintergrund ist die Verlängerung der SYSTEMS ein Schritt in die falsche Richtung. Sie bedeutet einen Bruch mit der MMG Tradition, DV-Fachmessen pur zu veranstalten. Und überdies soll der OEM-Teil der SYSTEMS erweitert werden. Mit dem neuen Zeitkonzept ist das nicht vereinbar. Aber vielleicht kommen die Münchner mit ihrer Schnaps (-ist-Schnaps-und-Samstag-ist-Messe-) Idee ja auch gar nicht durch. Nur: Wem soll man die Daumen drücken?