E-Business/Finanzgeschäft im Web

Mit Transaction Banking entsteht ein Milliardenmarkt

28.04.2000
Transaction-Banking-Services gewinnen im Markt für Finanzdienstleistungen zunehmend an Bedeutung. Solche Backoffice-Services versprechen durch das Internet ein Milliardengeschäft zu werden, in dem sich vermehrt branchenfremde Anbieter tummeln.Von Bernd Richter*

Die hoch-automatisierte Abwicklung von Zahlungen, Wertpapier- und dokumentären Außenhandelsgeschäften kommt aus ihrem Schattendasein heraus: Für diese Dienstleistungen aus dem Backoffice entwickelt sich - nicht zuletzt getrieben durch das Internet - ein Geschäft mit gewaltigen Möglichkeiten, auch für Branchenfremde. Experten erwarten vor allem im Cross-Border-Geschäft zweistellige Zuwachsraten. Die Banken konzentrieren sich naturgemäß lieber auf das provisions- und gebührenabhängige Geschäft des Transaction Banking, das regelmäßige Einnahmen bringt. Dieses Vorgehen ist verständlich, denn durch den zunehmenden Druck auf die Zinsmargen können sie im klassischen Aktiv-/Passivgeschäft keine großen Gewinne mehr einfahren.

Beim Transaction Banking lassen sich jedoch nur mit großen Abwicklungsmengen Gewinne erzielen. Deshalb wird in den nächsten Jahren auch in diesem Bereich ein massiver Konzentrationsprozess stattfinden. Branchenfremde Konkurrenten verstärken diesen Trend zusätzlich.

In der Vergangenheit war Transaction Banking das "hässliche Entlein", das niemand beachtete. Doch das hat sich schlagartig geändert, seit Online-Banken und -Broker ihren Kunden jederzeit beweisen müssen, dass sie diese Disziplin beherrschen. Wer das nicht kann, verliert seine Kunden und muss - zumindest als Broker - sogar mit Schadensersatzklagen rechnen, weil beispielsweise ein Kunde seine Aktien nicht verkaufen konnte, während sie minütlich an Wert verloren.

Der Umbruch ist bereits in vollem Gange. Weltweit entstehen neue Unternehmen für Transaction-Services. So hat etwa die Deutsche Bank die European Transaction Bank AG als 100-prozentige Tochtergesellschaft ins Leben gerufen. Die Commerzbank kooperiert mit dem Otto-Versand in der Digitalisierung des bisher weitgehend manuellen dokumentären Außenhandelsgeschäftes. Damit mutiert die Transaktionsabwicklung zunehmend zu einem Commodity-Produkt und es wird klar: Processing-Volumen und Kostenmanagement sind Erfolgsfaktoren für die Wettbewerbsposition.

Branchenfremde können an jeder Station der Wertschöpfungskette des Transaction Banking "andocken". Das gilt für die Station der Zahlungsaufträge, Netzwerke, Abwicklungen, Wertaufbewahrung oder letztlich die der Schnittstelle zum Kunden.

Die Banken laufen nicht nur in den USA, sondern auch in Europa Gefahr, ihre Domäne an Branchenfremde zu verlieren. Tatsächlich gibt es schon Unterteilungen in der Wertschöpfungskette. Vom Zahlungsauftrag über das Netzwerk bis hin zur Abwicklung sind bereits "Nichtbanken-Anbieter" wie etwa die Firma ABK aus Frankfurt am Main in den Markt eingedrungen.

Man kann davon ausgehen, dass Informationsnetzwerke und ihre Betreiber die bestimmende Position einnehmen werden. Nahezu ein Drittel des Handels an der amerikanischen Technologiebörse Nasdaq haben bereits 1999 die Betreiber elektronischer Netzwerke (ECNs) übernommen - und an der Wall Street machen sich die klassischen Wertpapierhändler mittlerweile ernsthafte Sorgen um ihre Zukunft.

Solche Hightech-Informationsnetzwerke erfordern gigantische Investitionen. Allein für Europa erwarten Marktbeobachter in diesem Jahr ein Volumen im zweistelligen Milliardenbereich. Die Berechnungsgrundlagen hierfür ergeben sich aus den Anforderungen, denen ein wettbewerbsfähiges Transaction Banking genügen muss, wie etwa eine zeitnahe Auftragsabwicklung, Mandantenfähigkeit, automatische Prozessabläufe sowie die Fähigkeit, große Mengen zu verarbeiten.

Drei unterschiedliche HerangehensweisenFür ein erfolgreiches Transaction-Banking-Geschäft sind drei unterschiedliche Modelle denkbar: erstens der Aufbau einer Geschäftsprozess- und IT-Architektur in Eigenregie, zweitens die maßgebliche Beteiligung von Technologiepartnern oder drittens ein gemeinsames Backoffice zusammen mit anderen Banken.

Insbesondere die Eigenregie-Variante birgt die Gefahr, dass durch mangelnde Systemintegration und fehlende Feinplanung die Umsetzung der Zielarchitektur verfehlt wird. Um dies zu vermeiden, muss man die über die Jahre verwischten Grenzen zwischen den Applikationen wieder deutlicher ziehen. Ein zentraler Bus für alle Geschäftsbereiche und externe Schnittstellen bilden das Herz einer daraus resultierenden, zukünftigen Architektur.

Ein Beispiel einer Direktbank, die auf einer in Eigenregie aufgebauten Transaction-Banking-Technik basiert, ist die Egg Bank, eine Tochtergesellschaft der britischen Prudential Versicherung. Mit zurzeit weit mehr als 1000 Kontoeröffnungen pro Tag und über einer halben Million Kunden gehört die Bank mit ihrem Konzept zu den Senkrechtstartern im europäischen Privatkundengeschäft.

Die Internet-Bank First-e dient als Beispiel für die zweite Variante, der Allianz mehrerer Partner. Eine solche Kooperation setzt allerdings ein Umdenken voraus. Wer dabei bleibt, alles selbst steuern und umsetzen zu wollen, kann in der schnelllebigen Internet-Welt nicht erfolgreich sein.

Zu Fusionen in der Branche der Finanzdienstleister kommt es durch den Wunsch, schnell an eine geeignete, zukunftsweisende IT-Plattform zu gelangen, ohne das Risiko nicht abschätzbarer Eigeninvestitionen einzugehen, wie im Falle der Luxemburger Cedel und der Deutsche Börse Clearing geschehen.

Um sich gegen die Konkurrenz der Nichtbanken zu behaupten, entwickeln etliche Banken augenblicklich Partnerschaften in Feldern, die eigentlich nicht zum Kerngeschäft gehören. Diese Geldinstitute wollen eine für den Kunden nicht unterscheidbare Angebotspalette etablieren. Miteinander konkurrieren möchten sie nur noch über den Kundenkontakt. Doch auch die Nichtbanken beziehungsweise bankähnliche Unternehmen wie etwa Debis, EDS, Norisbank, Siemens Financial Services, V.A.G. Bank (Volkswagen-Konzern) oder die Kreditkarten-Anbieter sind nicht untätig und haben bereits banktypische Dienstleistungen übernommen.

* Bernd Richter ist Managing Consultant im Bereich Financial Services bei Cap Gemini GmbH in Bad Homburg.

Transaction BankingEine Bank erhält einen inländischen Zahlungsauftrag entweder auf elektronischem Wege, beispielsweise BCS-Multicom (BCS=Banking Communication Standard) mit elektronischer Unterschrift, oder als Beleg, der dann maschinell in Computerdaten umgesetzt wird. Das Kreditinstitut bereitet diesen Zahlungsauftrag zur Verarbeitung vor. Dazu zählen:

-Autorisierungsprüfung (technisch und fachlich),

-Formatprüfungen, gegebenenfalls mit Fehlerkorrektur,

-Disposition, also Prüfung, ob ausreichende Deckung für die Transaktion vorhanden ist.

Nach der Überprüfung aller Voraussetzungen lässt sich die Zahlung verarbeiten. Bei diesem Vorgang, dem "Processing", finden eine oder mehrere Buchungen statt. Ist das Ziel eine andere Bank, erreichen die Transaktionsinformationen sie über einen Datenträger oder elektronisch, etwa via Swift-Netzwerk. Die Transaktionsinformationen bestehen meist aus Name beziehungsweise Auftraggeber, Betrag, Kontonummer oder Iban, Bankleitzahl oder Swift BIC, Verwendungszweck, Datum der Wertstellung und Beschreibung des Zahlungsweges. Er wird oft in einer Leitwegsteuerung hinterlegt oder berechnet, so dass die Buchung komplett wird.

Diese Methode legt fest, wie sich eine Zielbank kontentechnisch erreichen lässt. Die Bank bucht zum Beispiel via Swift empfangene Transaktionen erst dann, wenn die entsprechenden Deckungen für diese Zahlungen vorliegen. Diese Deckung kann beispielsweise über elektronische Clearing-Systeme wie EAF, Target oder EBA bereitgestellt werden.

In anderen Ländern existieren Automated Clearing Houses (ACH), die alle Zahlungen der angeschlossenen Banken elektronisch per Datenfernübertragung (DFÜ) empfangen und alle Zahlungsforderungen eines Tages gegeneinander aufrechnen. Dieser multilaterale Vorgang heißt "Netting" und informiert die jeweilige Bank zu einem definierten Zeitpunkt des Tages, welche Liquidität sie für die Deckung ihrer Transaktionen bereitstellen muss beziehungsweise welchen Betrag sie noch zu bekommen hat.

Alle Vorgänge sollten am besten vollelektronisch, zeitnah oder in Echtzeit sowie effizient ablaufen, damit die Transaktionskosten niedrig bleiben. Auf die Systeme für den grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr trifft dies in der Regel jedoch nicht zu. Sie benötigen bei Fehlern in der Transaktion, etwa bei einer falschen Konto- oder Bankinformation, kostenintensive Nachbearbeitung oder gar Nachforschung. Auch arbeiten diese Systeme häufig im Batchbetrieb und unterliegen einer Tagesendverarbeitung. Das heißt, am Ende werden alle Transaktionen gebucht. Sie sind also nur selten zeitnah. Es ist davon auszugehen, dass künftig die Banken, bisher klassische Anwender von maßgeschneiderten Lösungen, Standardlösungen einsetzen. Die Sparte Investmentbanking lebt dies schon erfolgreich vor.

Abb.1: Technische Realisierung

Ein zentraler Bus bildet den Kern der Infrastruktur. Quelle: Cap Gemini

Abb.2: Vorgehensweise

Drei Wege, Transaction Banking umzusetzen. Quelle: Cap Gemini