Kunden-Management/Falsche Zielvorgaben lassen Projekte scheitern

Mit strukturierten Auswahlprozessen die passende CRM-Lösung finden

20.10.2000
Die Auswahl und Einführung von Customer-Relationship-Management-(CRM-)Lösungen stellt Unternehmen vor enorme Herausforderungen. Nur ein professionelles Projekt-Management kann Firmen vor bösen Überaschungen bewahren. Stefan Borgböhmer und Bernd Rudolph* beschreiben wesentliche Schritte von der Entscheidung für ein System bis hin zu dessen Einführung.

"Customer-Relationship-Management (CRM) erhöht die Qualität von Kundenbeziehungen entscheidend. Die individuelle Kommunikation mit dem Kunden in den Bereichen Vertrieb, Marketing und Service führt zu einer optimalen Ausrichtung des gesamten Unternehmens auf Kunden- und Marktanforderungen. Entscheidende Wettbewerbsvorteile und erhebliche Einsparungen in diesen CRM-relevanten Unternehmensbereichen sind die Folge."

Mit diesen oder ähnlichen Aussagen werden Vorstände, Vertriebs- , Marketing- und IT-Leiter von der Notwendigkeit überzeugt, CRM in ihren Unternehmen einzuführen. Mit Erfolg: Hohe jährliche Zuwachsraten bei den Kundenzahlen sind ein eindrucksvoller Beleg für eine wachsende Branche. Doch für die Anwender sieht die Bilanz nicht so rosig aus: Viele der durchgeführten CRM-Projekte verursachen deutlich höhere Kosten als geplant. Dafür werden oft geringere Einsparungen und weniger Effektivität realisiert als erwartet. Die Gründe dafür sind vielfältig: Die Implementierung von CRM-Lösungen beschränkt sich nicht auf das Installieren einer Software; vielmehr sind damit gravierende Änderungen der Aufbau- und Ablauforganisation verbunden. Da erscheint es auf den ersten Blick verständlich, dass kritische Stimmen aus verschiedenen Unternehmensbereichen CRM-Vorhaben in Frage stellen.

Viele Projekte sind bereits bei ihrer Definition zum Scheitern verurteilt. Bei der Festlegung von Zielen, die mit der Einführung einer CRM-Lösung erreicht werden sollen, analysieren Unternehmen häufig den Ausgangspunkt für das Vorhaben, also die Ist-Situation, nur unzureichend. Sind aber Datenbasis, Beteiligte, Prozesse und Schnittstellen unklar definiert, lassen sich auch die neuen Soll-Prozesse zur Marktbearbeitung nicht ausreichend genau spezifizieren. Unter diesen Umständen kann nicht mehr anhand objektiver Kriterien gemessen werden, ob die Ziele erreicht wurden.

Für eine erfolgreiche Einführung einer CRM-Lösung muss das Unternehmen also seine Hausaufgaben ordentlich erledigen. Zuerst muss es festlegen, welche konkreten Ziele - quantitativer und qualitativer Art - es mit dem CRM-Projekt erreichen will. Ein betriebswirtschaftlicher Nachweis in Form einer Kosten-Nutzen-Rechnung kann auch im Vorfeld schon erstellt werden. Häufig zeigt sich, dass eine Amortisation schon innerhalb der ersten zwei Jahre erreicht wird.

Danach sollten die Aktivitäten der Beteiligten definiert werden. Zugleich ist zu spezifizieren, an welchen Stellen im Prozess Beteiligte wechseln, welche Informationen wann und in welcher Form übergeben werden müssen, für wen Bring- und für wen Holschuld besteht und wie eine kontinuierliche Weiterbearbeitung sichergestellt wird. In der Praxis hat es sich bewährt, ein Fachkonzept zu entwickeln, das als Basis für die Erstellung eines IT-Pflichtenheftgenutzt werden kann.

Zuletzt muss festgelegt werden, wie die Soll-Geschäftsprozesse mit dem neuen CRM-Tool aussehen und welcher Nutzen in welchem Zeitraum erreicht werden soll. In dieser Phase wird häufig der Boden der Realität verlassen: Häufig lesen sich die Anforderungen an CRM-Projekte wie Wunschlisten.

In einem unternehmensinternen Brainstorming werden Anforderungen der Fachabteilungen und der IT-Bereiche zusammengetragen, die bei genauer Betrachtung nur ein Ziel haben: den bisherigen Arbeitsablauf schöner und bunter abzubilden. Dieser Weg führt unweigerlich in die Sackgasse, denn mit der Umsetzung solcher Anforderungslisten erhält ein Unternehmen zwar kurzfristig zufriedene Mitarbeiter, aber nur selten deutlich höhere Produktivität in Marketing, Service und Vertrieb. Auch die Steigerung von Kundenzufriedenheit und Kundenbindung (das eigentliche Ziel bei der Einführung von CRM) ist damit nicht gewährleistet.

Hier ist ein Umdenken aller Beteiligten gefordert. Die Mitarbeiter in Marketing, Vertrieb und Service sind die Experten, wenn es um die konkrete Kommunikation mit ihren Kunden geht. Sie sind aber - daran krankt wohl jedes "Expertentum" - vielfach nicht bereit, vertraute Bahnen zu verlassen und innovative Wege des Umgangs mit dem Kunden zu suchen und zu entwickeln.

Daher sollten die Mitarbeiter wie Kunden betrachtet werden. Zugleich muss ihnen der konkrete Nutzen vermittelt werden, den der Einzelne aus dem kreativen Umgang mit dem Projekt gewinnt.

Um dies zu erreichen, empfiehlt sich folgende Vorgehensweise:

1. Frühzeitig und eindeutig die Projektziele an die Mitarbeiter kommunizieren.

2. Für jede Mitarbeiter-Gruppe feststellen, wo bei der bisherigen Arbeit Unzufriedenheit herrscht. Angebot von konkreten und deutlichen Verbesserungen.

3. Die Mitarbeiter in die Projektrealisierung einbinden, mit der Chance einen konkreten Beitrag zum Projekterfolg zu leisten.

4. Den "Verbesserungsprozess" durch Kriterien zur Qualifizierung der Vorschläge und Vorgaben bei der Umsetzung installieren. Damit wird gewährleistet, dass das Projekt Kosten, Termine und geplante Funktionen nicht sprengt.

Werden CRM-Projekte im Rahmen von Reorganisationsmaßnahmen und Umstrukturierungen betrieben, ist eine Gliederung in flexible Teilprojekte empfehlenswert. Gerade für bereichsübergreifende Projekte ist dabei die Einbindung und Unterstützung des obersten Managements wichtig. Zugleich muss die enge Verzahnung der Einzelprojekte durch professionelles Projekt-Management erkannt und gewährleistet werden. Teilprojekte innerhalb des CRM-Gesamtprojektes können beispielsweise E-Commerce-, Call-Center- oder Außendienst-Steuerungsprojekte sein.

Um auf die Anforderungen und Bedürfnisse der Kunden gezielt eingehen zu können, sind gut geschulte Mitarbeiter erforderlich, die mit der neuen, auf CRM ausgerichteten Arbeitsweise und mit den neuen Werkzeugen zurecht kommen. Dies ist ein hehrer Anspruch, der oft an der Realität scheitert. Zu gerne werden Projektkosten durch Einsparungen im Schulungsbudget niedrig gehalten. Mitarbeiter ohne ausreichende Ausbildung nutzen jedoch nicht nur die Rationalisierungs- und Optimierungspotenziale unzureichend, sondern gefährden den Projekterfolg.

An Mitarbeiterschulungen wird häufig gespartSchulung beginnt bereits durch intelligente Kommunikation mit den Beteiligten während der Projektdurchführung sowie durch ein professionelles Projekt-Marketing, beispielsweise durch Projekt-News oder Artikel in der Mitarbeiterzeitung. Besonders wichtig ist dabei die stufenweise Vermittlung der Details über die neue CRM-Software. Gestartet werden sollte mit CRM-Lösungen für die Kernprozesse, und zwar unter Berücksichtigung des konkreten Nutzens für die Mitarbeiter. Da CRM-Tools oftmals sehr umfangreich sind und den unerfahrenen Anwender überfordern, ist es für die Mitarbeiter hilfreich, anfangs die Funktionalitäten zu minimieren. Bereits in der Design-Phase sollte die Reduktion auf das Wesentliche erfolgen. So lassen sich die verschiedenen Anwender-Ebenen individuell gestalten - jeder Anwender erhält nur die Funktionalität, die er für seine Arbeit benötigt. Darüber hinaus ist es wichtig, den Mitarbeitern umfassende, an konkreten Anforderungen orientierte System- und Anwenderdokumentationen zur Verfügung zu stellen. Für den Erfolg des Projekts ist es unerlässlich, Mitarbeiter mit Nachschulungen und Benutzerforen permanent zu qualifizieren. Dazu zählt auch ein Ansprechpartner, der Probleme im laufenden Betrieb kompetent lösen kann.

Nur wenn alle CRM-relevanten Unternehmensbereiche den Mehrwert einer einheitlichen Sicht auf den Kunden erkennen, kann CRM erfolgreich durchgeführt werden. Dementsprechend müssen die Wert- und Zielsysteme im Unternehmen modelliert und ausgerichtet werden. Kundeninformationen liegen im Unternehmen häufig an unterschiedlichen Stellen vor, zum Beispiel die Kundenhistorie im Vertrieb, Service-Aufträge beim Kundendienst, Daten im Marketing sowie im Debitoren-Management. Es macht einen schlechten Eindruck auf die Kunden, wenn sie einen Mitarbeiter auf einen Vorgang ansprechen und dieser keine Kenntnis davon hat. "Ahnungslose" Kundenbetreuer vermitteln den Eindruck, dass das ganze Unternehmen überfordert ist. Bei optimaler Ausschöpfung des CRM-Wirkungsgrades, mittels des so genannten Multi-Channel-Managements, wird der Kunde über alle Vertriebs- und Kommunikationskanäle konsistent und optimal bedient.

In neuen CRM-Systemen werden daher häufig alle verfügbaren Informationen ohne eindeutige Zuordnung in die Datenbank geladen. Dadurch können Daten generiert werden, die aufgrund ihrer Menge zur Desinformation führen könnten. Daher muss während der CRM-Einführung anhand der Soll-Prozesse festgelegt werden, wer wann welche Informationen in welcher Form benötigt. Datenextrakte müssen für den einzelnen Anwender bereitgestellt werden. Zugleich muss definiert werden, wo die Datenhoheit angelegt ist. Das "Master-Systems" kann entweder das Front-Office- (CRM-Lösung) oder das Back-Office-System (ERP) sein. Zudem ist festzulegen, welcher Mitarbeiter für die Aktualisierung der Informationen verantwortlich ist. Nur regelmäßig gepflegte Inhalte dürfen in einer Datenbank gespeichert sein.

Ein wichtiger Faktor ist auch die Sicherung der Datenqualität. Bevor Daten aus Alt-Systemen in die neue CRM-Systemumgebung migrieren, müssen diese einmalig bereinigt werden. Plausibilitätsprüfungen und andere Hilfsmittel wie etwa postalische Prüfung oder Dubletten-Checks sollten also schon bei der Dateneingabe erfolgen. So wird eine solide Datenbasis für das zukünftige CRM gewährleistet.

Für den Erfolg besonders wichtig ist die Auswahl einer geeigneten CRM-Standardsoftware.

Das Angebot ist jedoch von enormer Vielfalt und teilweise geringer Transparenz gekennzeichnet. Nur bei detaillierter Prüfung der gestellten Anforderungen können Differenzierungsmerkmale objektiv verglichen werden. Nahezu jeder Hersteller bezeichnet sich nach eigenen Angaben und selbst vergebenen Prädikaten als Marktführer. Der Unterschied hinsichtlich Funktionsumfang und Entwicklungsstand der verschiedenen Systeme von Anbietern wie Siebel, Clarify oder Vantive ist groß. Gerade die branchen- und unternehmensspezifischen Anforderungen führen zu höchst individuellen CRM-Profilen. Noch vor einigen Jahren tendierten viele Unternehmen zur Eigenentwicklung - vor dem Hintergrund des damals geringen Angebots an CRM-Standardsoftware-Produkten durchaus verständlich. Mittlerweile ist die Anschaffung eines CRM-Standardsystems der Eigenentwicklung in 99 Prozent der Fälle vorzuziehen. Neben den Großen der Branche gibt es weitere Anbieter wie CAS oder die S3AG, die verschiedene Branchenanforderungen und Gegebenheiten nicht nur in großen, sondern auch in kleinen und mittelständischen Unternehmen abbilden.

Sind die Auswahl und Einführung eines CRM-Systems nicht auf langfristigen Erfolg hin durchdacht, können Projektmängel im laufenden Betrieb, gegebenenfalls auch erst nach Jahren, festgestellt werden. Fehler, die bei der Anpassung von Geschäftsvorgängen, bei der Umstellung interner Strukturen oder bei der Einführung neuer IT-Systeme entstehen, bedeuten einen erheblichen zusätzlichen Aufwand für die weitere Nutzung eines CRM-Systems. Oft sind Gewährleistungsfristen schon abgelaufen, und die Kosten schlagen voll auf das eigene Unternehmen zurück.

Daher ist es zwingend notwendig sicherzustellen, dass die eingesetzte CRM-Software mit geringem Aufwand an neue technische Anforderungen angepasst werden kann. Das System muss skalierbar sein, damit es flexibel an neuen Anforderungen ausgerichtet werden kann und im Rahmen der Update-Release-Zyklen den Sprung auf neue Technologieebenen garantiert. Machen neue Anforderungen das Hinzufügen von zusätzlichem Code oder gravierende Anpassungen des Datenmodells notwendig, ist die Update-Fähigkeit oftmals nicht mehr gewährleistet.

* Stefan Borgböhmer ist Senior Consultant im Business Center CRM-Solutions, Bernd Rudolph ist Leiter des Business Centers CRM- Solutions im Debis Systemhaus in Stuttgart.