Rechnungseingangsverarbeitung

Mit Software allein lässt sich der Rechnungsfluss nicht digitalisieren

17.09.2014
Von 
Christoph Jasper, Project Consultant d.velop AG
Obwohl die digitale Verarbeitung eingehender Rechnungen Kosteneinsparungen verspricht und automatisierte Verwaltungsprozesse unterstützt, ist sie für Unternehmen noch nicht selbstverständlich geworden. Kein Wunder: Wer hier die falschen Akzente setzt, gefährdet den gesamten Projekterfolg.

Theoretisch ist alles ganz einfach: Rechnungen aus Papier werden zunächst eingescannt, so dass sie während des gesamten Prozesses in digitaler Form vorliegen. Die zentrale Aufbewahrung der Rechnungen in einem Dokumenten-Management-System (DMS) gewährleistet für alle Prozessbeteiligten einen schnellen und permanenten Zugriff, ohne dass die logistischen Hindernisse eines Papierarchivs oder der Hauspost in Kauf genommen werden müssen.

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Im Gegensatz zu vielen anderen Prozessen eignet sich die Eingangsrechnungsverarbeitung besonders gut für eine Standardisierung. Mit derartigen Verwaltungsprozessen werden in der Regel keine Wettbewerbsvorteile erzielt. Folglich sollten diese Abläufe möglichst effizient und smart gestaltet sein. Hier lässt sich gut mit Best Practices und Standardisierungen arbeiten.

Mehr als Kostenvorteile

Idealerweise werden in einem zentralen Cockpit alle eingegangenen Rechnungen aufgelistet. Die Übersicht stellt neben den wichtigsten Metadaten der Rechnungen auch die relevanten Prozessinformationen dar. So behält die Finanzbuchhaltung als Process Owner stets den Überblick, von welchen Mitarbeitern zurzeit die einzelnen Rechnungen bearbeitet werden. In Verbindung mit den detaillierten Daten zur Prozesshistorie erhöht das die Transparenz der Abläufe. Durch eine Aggregation können die über das Cockpit zur Verfügung stehenden Rechnungsdaten zudem als Informationsquelle für das Cash Management, die Budget-Verantwortlichen oder andere interessierte Personengruppen dienen.

Zu den weiteren Vorteilen der digitalen Rechnungsverarbeitung gehört, dass den Mitarbeitern in der Finanzbuchhaltung mittels einer automatischen Erkennung der Rechnungsinhalte weitestgehend die undankbare Aufgabe abgenommen wird, manuell die relevanten Daten in die Erfassungsmaske des ERP-Systems einzugeben. Hierbei handelt es sich nur um einen von vielen Aspekten, die in der Summe zu einer spürbaren Zeitersparnis führen.

Auch die automatische Ermittlung der zuständigen Bearbeiter bestimmter Aufgaben hilft, Durchlaufzeiten zu verkürzen. Die digitale Zustellung der Workflow-Aufgaben zu den einzelnen Bearbeitern verläuft insbesondere bei der Zusammenarbeit über mehrere Standorte hinweg bedeutend schneller als der Versand der Papierdokumente mit der Hauspost. Hinzu kommt, dass durch den steuerbaren Prozess Skonti besser ausgeschöpft werden können. Unterschiedliche Meinungen gibt es in der Frage, ob und wie der Posteingang vor dem Scan-Vorgang zu filtern ist.

Die meisten Systeme bieten zudem die Möglichkeit, verschiedene Vorgaben zu hinterlegen, damit Sicherheitsauflagen besser eingehalten werden können. Das betrifft beispielsweise das Festlegen von Betragsgrenzen für die Freigabe einer Rechnung oder ein verpflichtendes Vier- oder Mehr-Augenprinzip. Auch die automatische Zuordnung von Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten zu den einzelnen Prozessschritten gehört dazu. Zu den wichtigen Sicherheitsaspekten der Eingangsrechnungsverarbeitung zählen außerdem die digitale Aufbewahrung der Dokumente in einem revisionssicheren Archiv und das Management der Zugriffsrechte.

Typische Fußangeln in der Projektierung

Allerdings gibt es auch Hemmnisse, die eine digitale Eingangsrechnungsverarbeitung erschweren. So existieren in den meisten Unternehmen klare und dokumentierte Regeln, wer wofür verantwortlich ist und wer was freigeben darf. Auf den ersten Blick bietet es sich an, diese Vorgaben als Grundlage für das Konzept und die anschließende Einrichtung des Workflows zu verwenden. Doch nicht selten wird später dann festgestellt, dass die Regeln nur noch theoretisch existieren und sich längst eine andere gelebte Praxis eingestellt hat. Durch die Transparenz des Prozesses und die systemseitige Prüfung der Regeln werden diese Diskrepanzen erst während der Tests, spätestens sogar erst während der produktiven Nutzung aufgedeckt. In solchen Fällen ist dann zu entscheiden, ob nun die Regularien oder die praktizierte Arbeitsweise anzupassen ist.

Eine weitere Problemstellung besteht darin, dass die Kenntnisse über den bestehenden Ablauf im Unternehmen oft unterschiedlich ausgeprägt sind. Das fehlende Wissen zu den Soll- und Ist-Prozessen kann zu einer deutlichen Verlängerung der Projektlaufzeit führen. Schlimmstenfalls führt das zu einer verringerten Akzeptanz des Prozesses bei den Anwendern. Deshalb muss das Projektteam in jedem Fall den bestehenden Prozess im Vorfeld detailliert erfassen.

Zudem ist es empfehlenswert, die eigenen Abläufe vor, während und nach der Einführung fortwährend zu monitoren. So lässt sich verhindern, dass organisatorische Hürden wie die Freigabe einzelner Rechnungen durch viele verschiedene Stellen den Prozess verzögern und den Vorteil der Zeitersparnis schmälern. Häufig bietet gerade auch der organisatorische Ablauf große Chancen der Beschleunigung von Durchlaufzeiten. Passiert hier nichts, ist allerdings auch das Gegenteil möglich. Nachträgliche Anpassungen am System sind in der Regel aufwändig und können das Projektergebnis verschlechtern.

Auf die Rahmenbedingungen achten

Für die erfolgreiche Einführung einer digitalen Eingangsrechnungsverarbeitung ist es wichtig, dass alle Projektmitglieder auf Kunden- und auf Lieferantenseite eng zusammenarbeiten. Die Digitalisierung und Veränderung von Geschäftsprozessen kann nie alleine durch die Möglichkeiten einer Software erfolgreich sein. Die Mitarbeiter des Anwenderunternehmens müssen solche Vorhaben aktiv mit gestalten. Das gilt für den gesamten Lifecycle des Projekts von der Phase der Konzepterstellung über die Tests bis zum Betriebsstart und darüber hinaus. Im Vorfeld bedarf es eines gezielten Projektmarketings, um den Benutzern die Veränderungen verständlich zu machen und ihre Unterstützung zu gewinnen.

Auch der Blick in die Zukunft ist wichtig: Nicht nur während der Einführung, sondern auch danach ist es immer wieder nötig, zwischen dem Status quo und einem möglicherweise veränderten Vorgehen abzuwägen. Die Projektverantwortlichen im Unternehmen sollten dafür mit den erforderlichen Entscheidungskompetenzen ausgestattet sein. (hv)