Stabiles Betriebssystem mit Unix-Kern

Mit OS X hat Apple etwas völlig Neues geschaffen

30.03.2001
MÜNCHEN (CW) - Apple hat den weltweiten Verkaufsstart seines neuen Betriebssystems "Mac OS X" verkündet. Der lang erwartete Nachfolger des "Mac OS" soll so stabil wie Unix, aber wesentlich bedienfreundlicher sein. Allerdings gibt es derzeit kaum Anwendungen, die von den neuen Funktionen profitieren können.

Zur Benutzerfreundlichkeit des Mac OS X soll unter anderem eine Menüleiste namens "Dock" beitragen, die starke Ähnlichkeit mit der Taskbar von Windows hat. Daneben verfügt die bunte Bedienoberfläche "Aqua" über eine Vielzahl optischer Spielereien und Effekte. Neu ist auch die 2D-Grafik-Engine "Quartz". Für Vektorgrafiken verwendet sie das Portable Document Format (PDF) als internes Grafikmodell auf Betriebssystem-Ebene und ist damit auch für Internet-Anwendungen bestens gerüstet. Darüber hinaus verfügt Mac OS X über Open-GL-Unterstützung sowie über eine Reihe von Funktionen speziell für Notebook-Anwender.

Die wahren Neuerungen liegen aber tief im Innern des Betriebssystems: in seinem Unix-Kern namens "Darwin". Damit will Apple-Boss Steve Jobs eine zeitgemäße und stabile Plattform geschaffen haben - eine Aufgabe, die er als Gründer und Geschäftsführer von Next schon einmal zu lösen versucht hatte. Dank Unix-Fundament ist die Software bereits auf Systemebene für Multitasking und die Unterstützung mehrerer Prozessoren vorbereitet. Eine weitere Schlüsselfunktion ist der Speicherschutz, das heißt, wenn ein Programm abstürzt, läuft das restliche System weiter.

Rückkehr in die Gewinnzone angepeiltDank solcher Features ist Mac-OS X laut Jobs auf "die nächsten 15 Jahre" ausgelegt. Damit soll es sein Unternehmen, das Ende des Jahres den ersten Quartalsverlust seit drei Jahren bekannt geben musste, wieder in die Gewinnzone bringen. Auch nach Ansicht von Experten ist Apple auf dem richtigen Weg: "Der Unix-Kern bietet die Stabilität, die der Anwender sich wünscht", meint etwa Tim Deal von Technology Business Research.

Allerdings sind die Unterschiede zwischen dem bisherigen, seit 1984 nur in kleinen Schritten veränderten Mac OS und der neuen Plattform so massiv, dass viele Mac-Fans verunsichert sind. Zudem ist das neue Betriebssystem noch nicht wirklich fertig. So müssen diverse Teile der gewohnten Umgebung noch angepasst und nachgeliefert werden. Dies will Apple bis zum Sommer schaffen - ab dann sollen alle neu verkauften Rechner mit OS X ausgeliefert werden. Analysten stufen die jetzige Version daher auch nur als Vorzeigeprodukt ein, das in erster Linie zu Evaluations- und Entwicklungszwecken dient. "Solange Mac OS X nicht mit Hardware gebundelt ist, ist es für den normalen Anwender auch nicht wirklich fertig", meint Chris Le Tocq von Gartner Group.

Hinzu kommt, dass die meisten "klassischen" Mac-Anwendungen - etwa "Quark Xpress" oder Adobes "Photoshop" - noch nicht für das neue Betriebssystem verfügbar sind. Zwar haben fast alle Hersteller die rasche Portierung ihrer Programme angekündigt. Auch Microsoft will in Kürze seine Office-Bürosuite in einer Mac-OS-X-Version auf den Markt bringen. Doch nach Ansicht von Experten wird es noch bis zum Sommer oder sogar Herbst dauern, bis alle wichtigen Anwendungen dafür zur Verfügung stehen. Rund 95 Prozent der Codes von älteren Mac-Programmen sind laut Apple zwar kompatibel zu dem neuen System. Die restlichen fünf Prozent zu finden und anzupassen sei jedoch ein sehr aufwändiger Prozess.

Aus diesen Gründen gehen die Analysten davon aus, dass Apple zunächst keinen nennenswerten Umsatzzuwachs mit dem neuen Betriebssystem generieren wird. Laut Richard Chu von SG Cowen kommt es momentan mehr darauf an, dass Mac-OS X nach der Implementierung nicht durch Fehler von sich reden macht und dass die Anwender den Nutzen der neuen Funktionen erkennen. Dann würden Rechner mit dem neuen Betriebssystem in der zweiten Jahreshälfte reißenden Absatz finden.