Einsatz zunaechst zur Vertriebsunterstuetzung

Mit offenen Systemen wird der MIS-Einsatz komfortabel

04.06.1993

Obwohl Management-Informationssysteme (MIS) nicht unumstritten sind, mehren sich die Beispiele fuer den erfolgreichen Einsatz. Fuer die Vertriebsunterstuetzung verwendet zur Zeit die Gemue GmbH ein solches System. Als weitere Einsatzgebiete, so berichtet Peter Koelble*, sollen Buchhaltung, Fertigung und Qualitaetswesen folgen.

In grossen Unternehmen liegt heute eine unermessliche Flut von Informationen vor. Die Daten stammen aus Produktion, Vertrieb, Buchhaltung und dem Personalwesen. In den meisten Faellen werden sie elektronisch gespeichert, oft auf einem Grossrechner, von dem sie bei Bedarf abgerufen werden.

Jeder noch so leistungsstarke Host hat jedoch irgendwo seine Grenzen, insbesondere was die Selektion von Daten nach bestimmten Suchkriterien und die Schnelligkeit der Auswertung anbelangt. Hinzu kommt, dass diese Daten oft mit unterschiedlicher Anwendungssoftware erfasst wurden, so dass immer mehrere Programme gleichzeitig auf dem Rechner laufen muessen, um beispielsweise Kennzahlen aus verschiedenen Abteilungen zusammenzustellen. Fuer Fuehrungskraefte in Industrie oder Handel bedeutet dies, dass sie auf wichtige Geschaeftsdaten oft lange warten muessen.

Vor dieser Situation stand Ende 1991 auch die Firma Gemue in Ingelfingen/Criesbach am Kocher. Das 1963 gegruendete mittelstaendische Unternehmen mit weltweit ueber 600 Mitarbeitern und Produktionsstaetten in Deutschland, der Schweiz und Brasilien zaehlt zu den fuehrenden Anbietern im Bereich Ventil-, Mess- und Regelsysteme fuer die Prozesstechnik und Oekologie. Zur Produktionsunterstuetzung und Optimierung der Ablaeufe setzt Gemue seit Jahren ein PPS-System auf einem HP3000-Rechner von Hewlett- Packard ein. Charakteristisch fuer Gemue ist die enorme Vielfalt der Produktvarianten. Das Unternehmen hat die technischen Voraussetzungen, bis zu 200 000 Varianten zu fertigen. Tatsaechlich werden gegenwaertig 40 000 bis 50 000 unterschiedliche Ventilsysteme produziert.

"Bei unserem Produktspektrum muessen wir erkennen koennen, welche Ergebnisse wir in welchem Bereich erzielt haben", erlaeutert Jochen Hofmann, Leiter des Qualitaetswesens bei Gemue. Klassifiziert werden die Produkte unter anderem nach Typ, Werkstoff, Koerper, Bestaendigkeit, Groesse und Anschluss. Diese Varianten werden in einem 27stelligen Typenschluessel, der saemtliche Kenndaten erfasst, auf dem Grossrechner hinterlegt.

Um die vorhandenen Daten der Geschaeftsleitung schnell zur Verfuegung stellen zu koennen, beschloss das Unternehmen, seine vorhandene DV-Struktur um ein Management-Informationssystem (MIS) zu erweitern. Hofmann erklaert dazu: "Die Verwaltung von Einzeldaten auf unserem Host klappt zwar sehr gut, aber die Selektion von Informationen nach bestimmten Kriterien hat uns zunehmend Probleme bereitet. Es dauerte einfach zu lange, bis wir die wichtigen Management-Informationen, zum Beispiel Vertriebsdaten, zusammengestellt hatten. Oftmals war ein hochqualifizierter Mitarbeiter mehrere Stunden damit beschaeftigt, ausschliesslich Daten aufzubereiten, zusammenzustellen und zu kopieren."

Als dicke Papierbuendel wurden diese Daten schliesslich dem Management vorgelegt - unuebersichtlich, nicht immer hundertprozentig korrekt und bereits am naechsten Tag ueberholt. Ein Beispiel: Fuer die oft benoetigte Sortierung nach Typ und Umsatz muessen auf dem Host zwei Programme ablaufen. Kam nur ein einziges Kriterium hinzu, zum Beispiel das Verkaufsgebiet, war das Datenchaos perfekt. "Wir hielten dann endlose Listen in den Haenden, die kaum Aussagen etwa ueber die Umsatzentwicklung eines bestimmten Produktes oder ueber einen Kunden zuliessen", erinnert sich Hofmann.

Fuer Gemue war dieser Zustand auf Dauer nicht tragbar. Um im hart umkaempften Markt mitreden zu koennen, erkannte das Unternehmen, ist der schnelle und flexible Zugriff auf die aktuellen Daten und Zahlen unverzichtbar. Das Unternehmen beauftragte daher die Dienstleistungsorganisation von Hewlett-Packard in Boeblingen mit der Einfuehrung eines Management-Informationssystems.

Mit diesem System hat Gemue einen Schritt in die offene Welt getan. Basis des MIS ist ein Client-Server-Konzept. Ueber ein offenes lokales Netz (Ethernet 802.3) werden jetzt die aktuellen Buerodaten von der HP 3000 auf den Server uebertragen.

Als MIS-Server fungiert ein 486er PC von Compaq mit dem IBM- Betriebssystem OS/2. Dort werden die Daten in dem Datenbanksystem "SQL-Base" vom Muenchner Anbieter Gupta Technologies GmbH verwaltet.

Die Anwender - bei Gemue ist der Zugriff auf die Geschaeftsleitung sowie die Abteilungsleiter beschraenkt - koennen von ihrem PC aus auf diese Datenbank zugreifen und sich sekundenschnell saemtliche benoetigten unternehmensrelevanten Informationen holen. Damit die Daten und Zahlen uebersichtlich dargestellt werden koennen, arbeiten die PCs mit der grafischen Benutzeroberflaeche Windows.

Mit dem MIS kann Gemue jetzt die Vorteile beider Systeme fuer seine unternehmerischen Belange nutzen. Auf der HP 3000 lassen sich Daten schnell und zuverlaessig komprimieren. Das MIS selektiert sie nach variablen Vorgaben. Ueber das Client-Server-Netz lassen sich die Informationen ohne Zeitverzoegerung grafisch aufbereitet ueber die Windows-Oberflaeche auf dem PC zur Verfuegung stellen.

Vorteile sehen die Mittelstaendler in der Kostenreduzierung und der effizienteren Nutzung der Ressourcen. "Durch das MIS koennen wir viel Geld sparen und unser Personal besser einsetzen. Jeder Zugriffsberechtigte kann sich seine Informationen selbst auf den PC holen", erlaeutert Hofmann.

Vertriebs- oder kundenbezogene Analysen ueber Umsatzvolumen, Rabattstaffeln und Zahlungsmodalitaeten lassen sich ad hoc erstellen. "Wichtig fuer uns ist auch die Tagesaktualitaet. Unser Informationsstand basiert immer auf den Ergebnissen des vorausgegangenen Tages." Umgesetzt und eingefuehrt ist das MIS bisher nur im Vertrieb. Die Bereiche Buchhaltung und Fertigung/Betrieb sowie das Qualitaetswesen sollen bald ebenfalls eingebunden werden.

Ueber das MIS lassen sich heute die Tagesergebnisse ermitteln, unterteilt nach Umsatz, Gutschriften, Tageseingang und Verkaufsgebiet. Die Variationsvielfalt ist dabei beliebig. Das System stellt zunaechst eine Uebersicht aller vorhandenen Daten dar. Ueber die Maustaste kann die gewuenschte Datei geoeffnet, grafisch aufbereitet und mit den Inhalten anderer Dateien kombiniert werden. Eine Uebersicht ueber Verkaufsgebiet, Vertreter, Umsatzentwicklung der letzten zehn Jahre und Umsatz einzelner Produkte entsteht. "Wir koennen sofort verlaessliche Aussagen ueber den Ist-Zustand treffen", so Hofmann.

Das MIS ist modular aufgebaut und deckt in seiner Grundausstattung die wichtigsten Felder ab. Durch die offene Gestaltung bietet es ausreichend Moeglichkeiten zum Ausbau, was insbesondere die Programmierer sehr zu schaetzen wissen.

"Durch die enge Zusammenarbeit mit HP und dem MIS-Anbieter MIP haben wir uns viel Know-how aneignen koennen", zeigt sich Hofmann zufrieden. "Da bei uns im Haus auch entwickelt wurde, fand ein Know-how-Transfer statt. Wir konnten relativ schnell mit dem System arbeiten und sind zudem in der Lage, das MIS unseren Anforderungen entsprechend auszubauen."