Auf die Mischung von unterschiedlichen Persönlichkeiten kommt es an

Mit objektorientierten Teams leichter zum Unternehmenserfolg

05.06.1992

Objektorientierung für ein Softwaresystem bedeutet, daß das System in Teilsysteme gegliedert ist, wobei jedes für im. stimmte Bereiche ist, indem es deren Da en verwaltet und spezifische Funktionen ausführen kann. Auch bei Teamarbeit kann nach Auffassung von Albrecht Weisgerber* von Objektorientierung die Rede sein, wobei es hier vor allem auf eine ausgewogene Mischung von Persönlichkeiten ankommt.

Solche Bereiche können Kunden oder alle beliebigen Geschäfte mit Kunden oder Anleihe-Emissionen oder Teile einer Software sein. Zwischen den Teilsystemen gelten Verabredungen über die Anforderungen beziehungsweise die Lieferung von Leistungen als Beiträge zur Gesamtleistung des Systems.

Das läßt sich vergleichen mit der Zusammenarbeit von Abteilungen eines Unternehmens mit oder ohne Computerunterstützung.

Neun typische Verhaltensweisen

Aber auch die Übertragung des Modells in das Entwicklungsstadium eines Softwaresystems liegt nahe: Die Gruppe oder Teams innerhalb einer größeren Mannschaft stehen mit den Aufgaben ihres Projektes vor einer ähnlichen Situation wie die Abteilungen eines Unternehmens gegenüber neuen Geschäftsfeldern. Es ist fest. zustellen oder auszuhandeln wer welchen Beitrag zu leisten hat, und dann ist das in praktische Regeln für den Alltag umzusetzen.

Das entspricht ohne weiteres den jeweiligen Zuständigkeiten und den Austauschverabredungen bei objektorientierten Teilen in einem Softwaresystem.

Ein für ein Teilsystem zuständiges Entwicklungsteam braucht grundsätzlich alle Eigenschaften des Managements und Voraussetzungen der Leistungsfähigkeit in einem Unternehmensbereich. Koordination, Genauigkeit, Termintreue, angenehmes Klima, Kreativität, Zielorientierung sowie Vertretungs- und Verhandlungsgeschick nach außen.

Soweit diese Eigenschaften beziehungsweise Fähigkeiten und Haltungen auf persönlichen Anlagen oder gefestigtem Verhalten beruhen sollen, kann man sie nicht in einem einzelnen Menschen alle zusammen erwarten; es geht vielmehr darum, in jedem Team eine möglichst komplette und ausgewogene Mischung zu haben.

Ein interessantes und in mehreren Ländern auch schon bewährtes Hilfsmittel, solche Teams zu bilden, sind die Profile nach Dr. Belbin. Er unter, scheidet neun typische Arten, zu einer Teamarbeit beizutragen beziehungsweise sich in einem Team zu verhalten. Ein Profil wird aus Selbst. und Fremdeinschätzungen entwickelt und zeigt für jeden Menschen eine Mischung aus diesen neun typischen Verhaltensweisen.

Voraussetzung ist die alte Erkenntnis, daß die Menschen unterschiedlich sind und - auch bei gleichen Fachkenntnissen, je nach Aufgabe und Situation gewisse Beiträge gut leisten können und andere weniger.

Ein Instrument oder Schema kann eine teamorientierte Unternehmenskultur nicht herbeiführen, aber gewisse Erkenntnisse fördern und handliche Unterstützung liefern.

Man sollte die Belbin-Profile mit Offenheit, Gelassenheit und etwas Humor betrachten, dann können sie sicherlich die Zusammenarbeit innerhalb einer Gruppe fördern.

An vier Beispielen läßt sich zeigen" welche Bedeutung die Belbinsche Theorie für eine gut funktionierende Teamarbeit hat.

Beispiel 1:

Man will drei bis vier Personen für ein Projekt einsetzen und braucht unbedingt einen bestimmten Mitarbeiter, zum Beispiel wegen spezieller Kenntnisse. Dessen Profil zeigt Stärken im fachlich-analytischen Bereich (SP-/ME-Stärke; ausführliche Erläuterungen der Abkürzungen siehe Kasten) und Schwächen in der Entscheidungsorientierung und der Organisation (SH-/IM-Schwäche). Man sucht nun als zweites einen entscheidungsorientierten und selbstbewußten Organisator (IM-/SH-/CO-Profil). Je mehr entscheidungsorientiert dieser zweite Mitarbeiter ist, desto eher sucht man als Dritten einen "teamworker" (TW) zur Moderation.

Beispiel 2:

Aus 20 Personen sind vier Teilteams für eine Softwareplanung und -entwicklung zu bilden Man sucht zuerst vier selbstbewußte und kontaktstarke (CO-/RI-Profil) Mitarbeiter als formelle Teamleiter, dann sucht man weiterhin vier Ideenreiche (PL-Profil) für die Kreativität und dazu vier Personen, die in der Analyse ihre Stärke sehen (ME-Profil), für die kritische Prüfung. Am meisten fehlt nun ein termintreuer und entscheidungsorientierter Organisator (CF-/SH-IM-Profil). Diese Merkmale lassen sich je nach Projektfortschritt verstärken.

Beispiel 3:

In einem Team wird zuviel diskutiert und zuwenig erreicht. Man erkennt zwei ideenreiche (PL-Profil) und analytisch orientierte (ME-Profil) Persönlichkeiten und überzeugt eine der beiden, daß ein anderes Team die. se Qualität dringend braucht; oder man ergänzt die Gruppe durch einen selbstbewußten Teamarbeiter (TW- CO-Profil).

Beispiel 4:

In ein übergeordnetes Leitungsgremium könnten die Teams je nach Thema die möglichst passende Persönlichkeit entsenden: Zu einer Termin- und Budgetverhandlung etwa ein anderes Mitglied als zur Präsentation einer technischen Lösung. Das setzt (vergleiche Beispiel zwei) eine weitgehende Gleichberechtigung im Team voraus und bedeutet potentielle Abkehr von einer Universal-Verantwortung formeller Teamleiter. (Siehe CW Nr. 15, Seite 8, Gastkommentar von Peter Molzberger).

Diese Beispiele sind keine Anweisungen, sondern Andeutungen der Möglichkeiten.

Für die formelle Leitung eines Teams ist keine schematische Vorauswahl zu treffen. Vielmehr kann man versuchen, bei gegebener Hierarchie und allen anderen Faktoren auch die Profile auszubalancieren, denn für Projekte kommt es auch auf die Art der Arbeit an. Selbstbewußte (CO-Typ) oder entscheidungsorientierte (SH-Typ) Persönlichkeiten neigen vermutlich am stärksten zu einer auch formellen Führungsrolle und werden dann zum Beispiel mit typischen ideenreichen (PL-Typ) oder analytisch orientierten (ME-Typ) Kollegen eine produktive Basis finden.

Das Auswertungssystem von Belbin ist auch als PC-Programm erhältlich. Die Fragebogen als Input und die verschiedenen Texte als Output bilden einen sachlichen berufsorientierten Mittelweg zwischen Psychoanalyse einerseits und manchen sehr einfach erscheinenden Verfahren andererseits. *

Verhaltensweisen im Team nach Dr. Belbin

CF ("completer-finisher") detail- und termintreu, verläßlich, vorsichtig; -eventuell ängstlich, delegiert ungern

CO ("coordinator") selbstbewußt, "natürliche Autorität", ausgleichend, entscheidet, eventuell nicht sehr kreativ

IM ("implementer") praktisch organisierend, Strategie umsetzend, selbst-

bewußt; eventuell wenig flexibel

ME ("monitor-evaluator") analysierend, leidenschaftslos, objektiv; eventuell wenig dynamisch, überkritisch

PL ("plant") ideenreich, querdenkend, unorthodox; eventuell nachlässig im Detail, "abgehoben"

RI ("resource-investigator") kontaktstark, offen für Ideen, organisiert, was gebraucht wird; eventuell wechselhaft, verliert rasch Interesse

SH ("shaper") aktions- und entscheidungsorientiert, antreibend; eventuell provozierend, überfordernd

SP ("specialist") fachlich eng, aber da perfekt, kein Führungsanspruch

TW ("teamworker") ausgleichend, sozial, kann gut zuhören; eventuell entscheidungsschwach