Dokumenten-Management/Basisfunktionen zur Speziallösung ausgebaut

Mit Notes existiert oft schon eine Infrastruktur für Dokumente

03.09.1999
Die weite Verbreitung von "Notes/Domino" legt es nahe, die Groupware auch für Zwecke zu nutzen, die über eine reine Messaging-Infrastruktur hinausgehen. Lotus propagiert hier das Dokumenten-Management (DM), das den Hersteller insbesondere mit dem Aufsatz "Domino.doc" in den Bereich eines Lösungsanbieters rückt. Uwe Hentschel* berichtet, was mit Notes im DM-Bereich möglich ist.

Im Grunde genommen sind die Aufgaben eines Dokumenten-Management-Systems (DMS) einfach zu beschreiben: Dokumente speichern, wiederfinden, transportieren und verfolgen. Als Kennzeichnung einer ganzen Gattung von Anwendungen ist dieser Begriff jedoch nur bedingt tauglich. Ob Workgroup Computing, Collaborative Workflow, Groupware, Electronic Archive, DMS, KMS (Knowledge-Ma- nagement-System) oder Document Retrieval System: Do- kumenten-Management ist das, was der Anwender darunter versteht. Ein Unternehmen will eine Lösung für ein ganz bestimmtes Problem. Der einzelne Benutzer dagegen denkt eher in Kategorien wie Dokument und Prozeß: Was passiert wann, wie und wo mit dem Dokument, welche Mitarbeiter sind an den einzelnen Bear- beitungsstufen beteiligt, wie sieht eine korrekte Versionierung aus oder wer darf welche Dokumente sehen beziehungsweise bearbeiten? Es geht also weniger um das Label DMS als vielmehr darum, wo und wie eine Dokumenten-Management-Fähigkeit verankert ist.

Aus der Sicht von Lotus basiert Dokumenten-Management vor allem auf der Funktionalität von Groupware und Workflow - dort ist man immerhin Marktführer. Da in der Praxis eine ganze Reihe von Anwendungen und Tools notwendig sind - kaum ein Unternehmen wird nur E-Mail und DMS einsetzen -, ist eine Plattform wie Notes/Domino mit seinen integrierenden Basisfunktionen durchaus sinnvoll. Zusätzlich eignet sich Notes/Domino für die Applikationsentwicklung mit Corba, Java oder Javascript.

Entscheidend für das Dokumenten-Management auf der Basis von Notes/Domino sind dessen Datenhaltung und Messaging-Infrastruktur. Notes arbeitet im Gegensatz zu relationalen Systemen mit textorientierten Objektdatenbanken, die multimediale Objektcontainer enthalten können. Die Datenhaltung ist auch in heterogenen Umgebungen möglich, wobei die Datenbanken wechselseitig aktualisiert werden. Dieser als Replikation bezeichnete Vorgang, eine Art Update, unterscheidet sich von dem bei relationalen Datenbanken unter anderem dadurch, daß er nicht datensatz-, sondern feldorientiert ist, um eine Vielzahl von Änderungen zusammenführen zu können. Konflikte bei der Übernahme und dem Abgleich der Daten treten aus diesem Grund seltener auf.

Während bei der Replikation meist die Performance und Lastverteilung großer verteilter Datenbanken oder die Integration verschiedenartiger Datenbestände im Vordergrund stehen, bezieht der Datenaustausch bei Notes nicht nur die Server, sondern auch die mobilen Clients mit geringen Datenmengen ein. Damit wird die gesamte Unternehmensorganisation in den "Datenverkehr" integriert - ein deutlicher Vorteil für Groupware-Anwendungen, bei denen eine Vielzahl von Standorten und mobiler Anwender permanent Informationen austauschen.

In Version 5 gibt es in dieser Hinsicht keine Erweiterungen. Neu hingegen ist, daß die früher bemängelte Größe der Datenbanken jetzt - abhängig vom Betriebssystem - bei 64 Gigabyte liegen soll. Allerdings wird diese Größenordnung wohl erst mit Release 5.1 Wirklichkeit werden. Ab wann Notes-Datenbanken "zu klein" sein werden, hängt von der Strukturierung und der Anzahl der Dokumente ab und läßt sich somit nur schwer sagen. Entscheidend ist vielmehr, ob die Dokumente permanent in Notes verfügbar sein müssen oder später in einer reinen Archivanwendung aufgehen. Hier kann über Schnittstellen das ausgelagerte Dokument ohne redundante Datenhaltung in Notes konvertiert und dargestellt werden.

Die sehr gute Performance einer Volltextsuche - mit Version 5 domänenweit über alle Datenbanken - ist beinahe unabhängig von deren Datenmenge. Volltext- und Ansichtenindices (für das Listing der Dokumente) werden laufend im Hintergrund erstellt, SQL-Forms oder Tabellen sind nicht notwendig, weshalb ein Dokument aufgrund der Struktur der Datenbanken beliebig wachsen kann. Die nicht-relationale Speicherung ist gerade für unstrukturierte Informationen interessant, denen kein eindeutiges Format oder Raster zugewiesen werden kann und die man über eine freie Textsuche wiederfinden will.

Notes/Domino verwendet für die Messaging-Basisdienste ein eigenes Adreßbuch und integriert bestehende Architekturen wie Windows NT, Unix, AS/400 oder OS/390. Mit Version 5 werden weitere Directories integriert: Actice Directory für Windows NT 5.0 ist in Vorbereitung, das Meta Directory von Siemens wird zur Zeit zertifiziert. Daß Notes/Domino ohne eigenes Directory auskommt - auch im Stand-alone-Einsatz -, ist positiv zu bewerten, denn Standards gibt es bereits genug. Außerdem geht es gerade bei Groupware-Anwendungen um die Integration bestehender Architekturen und um eine Infrastruktur, auf der Messaging und Workflow aufsetzen können, sei es über individuelle oder über standardisierte Lösungen.

Mit Domino.doc bietet Lotus eine eigene, thematisch nicht spezifizierte DMS-Lösung an, die eng mit den Grundfunktionen von Notes/Domino verzahnt ist. Eine explizite Zuweisung von Dokumenttypen steuert Zugriff und Bearbeitung, "Event Trigger" stoßen bestimmte Prozesse automatisch an. Die Dokumente selbst stehen im "Arbeitsraum", einer Art Aktenschrank. Sie lassen sich von den Autoren mit Zugriffsrechten auszeichnen, wobei zusätzlich die Versionierung von "Entwurf" und "Version" sowie Prüf- und Freigabemechanismen unterstützt werden. Fällt die Aktivität unter einen vorgegebenen Grenzwert, wird das Dokument aus der Dokumentenverwaltung in eine andere Ablage überführt. Schwächen scheint Domino.doc derzeit noch bei sehr großen Anwendungen zu haben, weshalb Lotus in diesem Bereich eng mit IBM zusammenarbeitet.

Als Beispiel für eine Notes/Domino-Anwendung kann das Qualitäts-Management dienen. Gerade in diesem Bereich fallen große Mengen an Dokumenten an, in denen der Aufbau eines Unternehmens und alle wichtigen Prozesse und Regeln beschrieben werden. Charakteristisch dafür ist, daß die Dokumente einem strengen Lebenszyklus unterliegen, allen Mitarbeitern zugänglich gemacht werden müssen und ungültige Dokumente einer Aufbewahrungsfrist unterliegen. Ein DMS, das auf Qualitäts-Management ausgerichtet ist, verkürzt hier die Durchlauf- und Liegezeiten und reduziert den Aufwand bei der Verteilung und Aktualisierung der Dokumente.

Die Workflow-Funktionalität von Notes/Domino unterstützt durch ein feinschichtiges Zugriffskonzept auf Datenbanken und Dokumente die Abbildung der Prozesse - im einfachsten Beispiel das Erstellen und Bearbeiten von Dokumenten sowie deren Prüfung und Freigabe. Jeder Mitarbeiter erhält seine eigene Version, die Arbeitsschritte werden in der richtigen Reihenfolge durchlaufen. Die Verteilung der Dokumente übernimmt ebenfalls Notes/Domino, wobei der Zugriff über einen Notes-Client oder einen Web-Browser möglich ist. Dokumente, die ihren Lebenszyklus durchlaufen haben, werden in einer Datenbank abgelegt oder in ein externes Archivierungssystem ausgelagert. Da die Dokumente in der Datenbank vorgehalten werden, brauchen keine Kopien in Umlauf gebracht werden.

Darüber hinaus können Dokumente über sogenannte Links miteinander verknüpft werden. Die Abhängigkeiten und Querverweise innerhalb der Dokumente sind übersichtlich dargestellt und werden bei Änderungen automatisch aktualisiert. Durch einen Vermerk über die Gültigkeitsdauer wird ein Dokument nach Ablauf der vordefinierten Frist dem zuständigen Anwender zur Überarbeitung vorgelegt, wobei in Ver-sion 5 jeder Benutzer selbst Dokumente zur Wiedervorlage auswählen kann.

Angeklickt

Als heterogene Groupware-Plattform organisiert Lotus Notes auch das Dokumenten-Management (DM). Datenhaltung, Messaging-Infrastruktur und Zugriffsrechte bieten eine Reihe von Funktionen, um die Arbeitsabläufe und Lebens- zyklen der Dokumente zu steuern. Zusätzlich dient Notes auch als Plattform für die Applika- tionsentwicklung. Insofern eignet sich das System gleichermaßen für grundlegendes Dokumenten-Management sowie als Basis für darauf aufsetzende Speziallösungen.

*Uwe Hentschel ist freier Journalist in München (planwerk1aol.com).