Interview/

Mit neuer Struktur will Bay der Konkurrenz Parolli bieten

20.09.1996

CW: Ist Bay nach den Schlagzeilen über die schwachen Ergebnisse im vierten Quartal und der Verwirrung über Ihren angeblichen Rücktritt in Aufruhr?

LUDWICK: Wenn man die Erwartungen der Wallstreet nicht erfüllt, glauben viele sofort zu wissen, wo man Fehler gemacht hat. Doch sobald die Ergebnisse wieder stimmen, legt sich auch die Kritik. Wir hatten Probleme mit dem Hub 2800, was aber rein eine Frage des Produkts war.

CW: Wie begegnet das Management von Bay den Vorwürfen, die wegen der Produktverspätung und den Vertriebsproblemen laut wurden?

LUDWICK: Wie gesagt, nur ein einziges Produkt kam später auf den Markt, der Hub 2800. Wir sind das Thema angegangen, indem wir den Rückstand aufgeholt haben. Wenn Sie hier die Zahlen im Kontext sehen, dann werden Sie feststellen, daß wir vom September-Quartal zum Dezember-Quartal 1995 um 100 Millionen Dollar gewachsen sind

CW: Wie sehen Sie Ihre Aufgabe bei Bay?

LUDWICK: Ich denke, der CEO hat die Aufgabe, eine Strategie zu entwickeln und sie umzusetzen. Wir wollen aus Marktbedürfnissen Produkt- und Systemlösungen generieren. Die Phase der Unternehmensentwicklung und des Produktwechsels, die in den letzten Quartalen durchgeführt werden mußte, liegt hinter uns.

CW: Was hat Bays Restrukturierung ausgelöst?

LUDWICK: Zum Zeitpunkt des Zusammenschlusses von Wellfleet und Synoptics waren wir in Product Business Units (PBUs) strukturiert, also zum Beispiel Router oder Hubs. Das kam daher, daß Wellfleet vorher Router gebaut hat und Synoptics Hubs. Wir hatten vor, diese Struktur erst einmal für etwa 18 Monate beizubehalten. Gut daran war, daß so der Schwung der technischen Entwicklung erhalten blieb. Schlecht war, daß infolgedessen eine Matrix nötig wurde: Um eine Komplettlösung für Unternehmen bieten zu können, mußten wir Netz-Management, Switching, Hubs und Routing über vier PBUs hinweg koordinieren. Jetzt gibt es in allen Business Units Elemente von allen PBUs. Eigentlich tun wir das gleiche wie vorher, nur haben wir jetzt keine Matrix mehr.

CW: Hat Bay auch den Vertrieb verändert, um der neuen Strategie gerecht zu werden?

LUDWICK: Im Prinzip sieht es so aus: drei Business Units, ein Vertriebskanal. Da mußten wir keine Änderungen vornehmen. Möglicherweise integrieren wir neue Partner und neue Elemente in den Vertrieb - das Modell bleibt im Grunde das gleiche.

CW: Sie haben den boomenden Telekommunikations- und Internet- Service-Provider-(ISP-)Markt als Ziel genannt. Wie beurteilen Sie Bays Chancen im Vergleich zu anderen Herstellern?

LUDWICK: Sieht man dieses Segment als Weiterverkaufsmarkt, dann stehen wir gut da. Sieht man es aber als die Infrastruktur, um ins Internet-Geschäft zu kommen, dann liegt Cisco vor uns. Hier müssen wir zulegen. Unser Plan ist es, über das Zugangsgeschäft in den Markt zu kommen. Und da konkurrieren wir mit Cisco, aber auch mit Ascend und US Robotics. Aber der Markt ist offen, und Bay hat gute Chancen.

CW: Wie interpretieren Sie Ciscos Stratacom-Übernahme?

LUDWICK: Damit haben sie ihre Unternehmensstrategie klarer definiert. Bis dahin hat Cisco sich und das Internetworking Operating System (IOS) als offen hingestellt, obwohl alle anderen Hersteller das immer abgestritten haben. Tatsächlich ist IOS nämlich proprietär. Nach der Übernahme von Stratacom wurde angekündigt, IOS in die Stratacom-Architektur zu implementieren. Was Cisco jetzt aufbaut, ist eine proprietäre Komplettlösung. Ich glaube wirklich, daß Cisco vorhat, die nächste IBM zu werden, also ein Anbieter von proprietären, abgeschlossenen Lösungen. Sie entwickeln das Unternehmen im Moment zwar gut, aber ich bin mir nicht sicher, ob der Weg der richtige ist. Dieses Modell wurde schon vor geraumer Zeit von unserer Industrie abgelehnt. Aber damit fordern sie uns Mitbewerber heraus: Wir müssen zeigen, daß wir bessere Strategien haben. Ich würde sagen, daß 3Com mit der Anpassung der Stückzahlen, um billig und auf Adapter-Karten ausgerichtet zu liefern, gut fährt. Jetzt machen sie das mit ihren Stacks - und die sind gut. Damit bringen Sie Networking in die unteren Marktsegmente.

CW: Was sagen Sie zu den Gerüchten, daß Lucent Technologies Bay übernehmen will?

LUDWICK: Kein Kommentar.