Hewlett Packard auf der Hannover Messe:

Mit neuen Schwung ins kommerzielle Geschäft

01.04.1977

Unter dem anspruchsvollen Motto "Applikationsgerechte Datentechnik aus einer Hand" wird Hewlett Packard dieses Jahr auf der Hannover Messe eine ganze Serie von neuen Produkten vorstellen. Dies jedenfalls kündigte HP auf einer Pressekonferenz an.

Schon am Titel wird sichtbar, daß sich Hewlett Packard - nach Expertenmeinung einer der vier Großen im Minicomputergeschäft in der Welt- nun ebenfalls engagiert in das Konkurrenzgetümmel bei den kommerziellen Systemen stürzen will. So wird es auf der Hannover Messe zu einer Flut von HP-Neuvorstellungen kommen. Neben dem Programm der schon hinlänglich bekannten Taschen- und Kleinrechner ist im Bereich der Tisch- und Minicomputer die Neuvorstellung des Modells 9831A für den technischwissenschaftlichen Bereich als Weiterentwicklung der 9825 vorgesehen; im Rahmen der Modellserie 1000 gibt es ein neues Modell 20 für automatisches Testen, Produktionssteuerung und technische Datenverarbeitung. Wichtiger sind hier jedoch die Neuankündigungen der 9896A, eines Tischcomputersystems für den kommerziellen Einsatz, und von zwei neuen Modellen des Systems 3000/Serie II, die als kommerzielle Rechner (vorzugsweise als Satelliten) von Großfirmen eingesetzt werden sollen. Auch auf der Softwareseite bietet HP nun einige Problemlösungen an, so ein Lohn- und Gehaltssystem mit Zuschnitt auf Klein- und Mittelbetriebe (bis zu 500 Mitarbeiter) und ein dazu passendes Finanzbuchhaltungssystem. Darüber hinaus wurde - ebenfalls für die 9896A - ein modulares Softwarepaket für die Auftragsbearbeitung, Fakturierung und Lagerwirtschaft sowie die Finanzbuchhaltung entwickelt.

Ansonsten erwarten HP-Besucher im CeBIT eine neue 50-Megabyte-Platte mit beweglichen Köpfen, ein neuer 512KByte-Floppy-Disk-Speicher und ein neuer mikroprozessorgesteuerter 4-Farb-Plotter.

Erfolg im kommerziellen Geschäft durch Standardlösungen?

Die interessanteste Neuankündigung ist zweifellos das kommerzielle System 9896A - Hewlett Packard erwartet sich einiges davon. Allerdings will man äußerst vorsichtig in das kommerzielle Geschäft mit den kleineren Anwendern einsteigen.

Das neue System 9896A ist im Grunde ein zusammengesetztes Minicomputersystem, dessen Einzelteile auch einzeln verkauft werden, wie etwa der Tischcomputer 9831, der aus dem 9825 hervorgegangen ist, aber auch das neue Floppy-Disk-System.

Von Hewlett Packard wurden keine neuen Vertriebsleute für dieses System eingestellt, man erwartet sich in den ersten Jahren lediglich ein Geschäft mit bisherigen Kunden aus dem technisch orientierten Bereich. So sollen beispielsweise große Bereiche des Marktes wie der gesamte Handel zunächst überhaupt nicht angesprochen werden.

Die "technischen" HP-Verkäufer sollen das Verkaufsgespräch normalerweise nur anreizen, der eigentliche Verkaufs- und Beratungsakt erfolgt über nur wenige Problemspezialisten.

Dies brauchen nicht unbedingt HP-eigene Berater zu sein, viel Wert wird auch darauf gelegt, daß sich die beiden Softwarehäuser CAP GEMINI und Software Partner, die die neuen Softwareprogramme entwickelt haben, ebenfalls voll im Verkauf engagieren.

IBM mit seinem zu erwartenden Engagement im Minicomputerbereich wird nach Meinung von HP-Vertriebsleiter Peter Schöltzel nicht als Konkurrent angesehen, sondern eher als Promoter für die HP-Systeme: "Bei der Tatsache, daß IBM 1976 alleine soviel an Gewinn gemacht hat wie alle Minicomputer-Hersteller zusammen an Umsatz, ist es absurd, an eine irgendwie geartete Konkurrenzsituation oder ernsthaftere Bedrohung IBM's zu glauben. Viel erfreulicher ist es, daß IBM hervorragend geeignet ist, neue Märkte aufzureißen und Verbraucher DV-bewußt zu machen."

Es scheint nicht ganz dazu zu passen, daß sich HP mit den zur Hannover Messe erscheinenden Systemen ausgerechnet in einen Sektor begibt, der von konkurrierenden Angeboten überhäuft ist. Dies ist wohl unter anderem damit zu erklären, daß sich HP durch seine bisherige Aktivität nicht an bestimmte Branchen gebunden fühlt. Langfristig dürfte HP allerdings nicht an der Entwicklung von spezieller Anwendersoftware vorbeikommen - ein gutes Feld für clevere Softwarehäuser.

Preisreduzierungen gehen weiter

Trotz der nunmehr offiziell verkündeten Politik der Problemlösung - die 9896A ist das erste HP-System mit einer kompletten kommerziellen "Solution"- läßt sich nicht leugnen, daß HP vor allem bei der Hardware stark ist. Kein Wunder, daß gerade die Meldungen aus diesem Bereich besonders herausgestrichen werden:

- Hardware-Preissenkungen zum 1.4. bis zu 20 Prozent, nachdem man im Januar bereits die Preise um 25 bis 30 Prozent gesenkt hatte. Auch in den Folgejahren werden Preissenkungen bei der Hardware von durchschnittlich 30 Prozent pro Jahr erwartet.

-Während das neue Modell 20 der Serie 1000 ab 65 000 Mark zu haben ist (zirka 1,7 Pfg/Bit), kann man zum 1. 4. die Modelle 30 und 80 um 4500 bzw. 7800 DM billiger bekommen.

-Wechselplattenspeicher, der vorher 58 000 Mark gekostet hat, ist nunmehr für 45 000 Mark zu haben.

Die Reihe der Preissenkungen bei HP läßt sich fortsetzen. Darüber hinaus kann der Anwender demnächst auch die Früchte der HP-eigenen LSI-Entwicklungen auf dem Gebiet der CMOS/SOS-Technologie ernten: Schon 1977 wird HP die neuartigen selbstentwickelten Bauelemente - bisher hat man bereits 20 000 Chips produzieret - sukzessive in die eigene Produktion einbauen. Durch diese Neuentwicklungen bedingt ist dann auch bei Hewlett Packard vielleicht schon 1978 die Vorstellung einer völlig neuen Systemfamilie zu erwarten. Im Gegensatz zu den Bauelementherstellern vertraut HP dabei darauf, daß die Mikroprozessoren der Zukunft ein Höchstmaß an Leistung bringen müssen und der reine Hardware-Preis dabei weniger wichtig ist. Die Konkurrenz... eher darauf, daß Mikroprozessoren vor allem billig sein müssen und dies bei einer akzeptablen Leistungsfähigkeit. Man wird sehen, wer recht behält.