Auf dem Prüfstand: Mosaic Software AG

Mit "neuem" EDI den klassischen Medienbrüchen den Kampf ansagen

28.01.2000
von Andrea Goder* MECKENHEIM - Der Verkauf von Lösungen für den elektronischen Daten- und Dokumentenaustausch erwies sich für die Mosaic Software AG 1999 nicht unbedingt als Umsatzknüller - der Börsenneuling musste seine Prognosen revidieren. Auch nach der Übernahme der Geva Datentechnik GmbH wird die Fortune des Unternehmens stark davon abhängen, ob man auf die richtigen Produkte gesetzt hat.

Um sein Business zu erklären, benutzt Assem Audi gerne den Vergleich mit der UNO-Vollversammlung. Tagen die Delegierten der 185 Mitgliedsnationen in New York, geschieht das natürlich nicht in 140 verschiedenen Sprachen. Vielmehr treten Simultan-Dolmetscher auf den Plan, die die Verständigung sicherstellen. "Wir bieten Unternehmen im elektronischen Datenaustausch das an, was die Übersetzer bei der UNO leisten", so der Mosaic-Vorstandschef.

Das erst kurz vor dem Börsengang an den Neuen Markt im Juli vergangenen Jahres in Mosaic umfirmierte nordrhein-westfälische Unternehmen ist auf Gateway-Software sowie Akkreditiv-, Dokumentenbearbeitungs- und Clearing-Applikationen spezialisiert. Die Produkte verbinden die IT-Systeme von Unternehmen über Electronic Data Interchance (EDI) - und immer mehr auch via Internet-basierter Technologien. Im Business-to-Business-Bereich lassen sich so Daten und Dokumente automatisch generieren, auf elektronischem Weg austauschen und weiterverarbeiten.

Als Audi Anfang der 80er Jahre mit der Entwicklung von Software startete, geschah das zunächst mit dem Ziel, Fremdsoftware von Partnerfirmen den eigenen Anforderungen anzupassen. In diesen Jahren war das 1976 vom heutigen Firmenchef gegründete Familienunternehmen, die Assem Audi & Co. GmbH, noch auf den Export von Handelsprodukten für die Baubranche fokussiert. Ohne diese Aktivitäten zu vernachlässigen, wurde seit 1992 die zunächst für den Eigenbedarf entwickelte Software sukzessive vermarktet. Handelshaus und Software-Unternehmen gingen dann seit 1996 (unter gleichem Namen) als zwei selbständige Gesellschaften getrennte Wege.

Ihren ersten Auftrag zogen die Nordrhein-Westfalen 1993 mit einer Clearing-Installation bei der Dresdner Bank, damals Hausbank des Unternehmens, an Land. Geldhäuser sind auch heute die wichtigste Klientel von Mosaic. Bedeutendstes, weil umsatzstärkstes Lizenzprodukt der Meckenheimer ist "EDI Fin", eine Gateway-Lösung, die den elektronischen Austausch großer Datenvolumina im elektronischen Zahlungsverkehr und Interbanking-Clearing ermöglicht. Standardformate wie DTA, Swift oder Edifact lassen sich damit beliebig konvertieren. Im Finanzsektor sieht man sich mit Clearing-Systemen nach Edifact-Standard heute als Marktführer in Deutschland. "Mosaic schliesst den Electronic Loop" heißt es vielsagend in der Firmenbroschüre.

Dem Mosaic-Chef zufolge steht der Markt für Electronic Commerce erst am Anfang. "Es ist erschreckend, wie rudimentär im IT-Zeitalter noch zwischen Firmen gearbeitet wird. Was nutzt es einem Unternehmen, R/3 eingeführt zu haben, wenn es dennoch nicht in der Lage ist, mit seinen Lieferanten ohne Medienbrüche zu kommunizieren", betont der gebürtige Syrer die Lage. Von einzelnen Großkonzernen wie BASF oder Procter & Gamble auf der Referenzliste abgesehen, partizipiert jedoch Mosaic bislang nicht von diesem vermeintlichen Wachstumsmarkt. Die Geschäfte der Meckenheimer stagnieren.

So scheint es zumindest. Denn vier Monate nach dem Börsenstart im Juli musste das Unternehmen die aktuellen Zahlen nach unten korrigieren. In den ersten neun Monaten des Geschäftsjahres 1999 stieg der Umsatz gegenüber dem Vorjahreszeitraum um lediglich 28 Prozent auf 6,99 Millionen Euro. Mit erwarteten Einnahmen von 8,7 Millionen Euro für 1999 liegen die Zahlen nur knapp über Vorjahresniveau (8,1 Millionen Euro). Ausbau der Unternehmensstruktur und massive Produktweiterentwicklung wurden als Gründe für das gehemmte Wachstum angegeben. Die entsprechende "Story" zum Börsengang (12,15 Millionen Euro) hatte sich noch anders angehört. Bedingt durch die Kosten für das IPO sei für 1999 zudem mit einem Jahresfehlbetrag von 500000 Euro (1998: 1,48 Millionen Euro Jahresüberschuss) zu rechnen. Stärkster Umsatzträger war 1998 übrigens mit 63 Prozent der Lizenzverkauf. Die restlichen Anteile an den Einnahmen verteilten sich auf die Sparten Services und Individualsoftware. Von solch einer "gesunden" Umsatzstruktur träumt so manch anderes der am Neuen Markt gelisteten Softwarehäuser.

An den "ehrgeizigen Planungen" will Mosaic-Chef Audi ab dem Jahr 2000 trotz der zuletzt nur gedämpften Umsatzentwicklung "unverändert festhalten". Vorgesehen sind jetzt rund 25,4 Millionen Euro an Einnahmen für das neue Geschäftsjahr, 43,7 Millionen Euro für 2001. Erst vor wenigen Tagen wurden die entsprechenden Prognosen noch einmal nach oben geschraubt. Der Grund: Wachstumsimpulse verspricht man sich von einer kürzlich abgeschlossenen strategischen Partnerschaft mit der Deutschen Telekom, vor allem aber von der im Januar übernommenen Geva Datentechnik GmbH, einem Anbieter von Lösungen für den digitalen Zahlungsverkehr. Die Akquisition allein bringt einen kräftigen Umsatzschub. Geva ist mit Einnahmen von rund 9,3 Millionen Euro, die eigenen Angaben zufolge für 1999 erwartet werden, größer wie Mosaic selbst. Insofern relativieren sich die Planzahlen für die kommenden Jahre doch wieder nach unten. Das organische Wachstum der Company hält sich also in Grenzen.

Bislang hat(te) das Unternehmen kaum Gelder in den Aufbau des Vertriebs investiert. Das Unternehmen verfügte noch bis vor kurzem weder über Geschäftsstellen im Inland, noch über Auslandsniederlassungen oder ein aktives Partnernetz. Verkauft werden die zum Teil in Jordanien entwickelten Produkte über Referenzbanken. Mit der Geva-Akquisition will der 60jährige Unternehmenschef jetzt den Ausbau des Vertriebs forcieren - national wie international. "Die gegenüber der ursprünglichen Planung zusätzlich budgetierten Investitionen dienen nachhaltig dem umfassenden Ausbau der europäischen Marktposition", teilte Mosaic in besagter Korrektur der Planzahlen mit. Mehr als 8,5 Millionen Mark will man sich in den kommenden drei Jahren die Expansionsstrategie kosten lassen.

Eine Maßnahme, die allein schon aus Wettbewerbsgründen zwingend erscheint. Zu den Konkurrenten gehört in Deutschland eine Vielzahl Nischenanbieter, etwa Seeburger, ABK Systeme oder Edirekt IMT. Schlagkräftiger sind allerdings Hersteller wie Siemens, GE Information Services (GEIS) oder Software Technologies Corp. (STC). Angeführt wird der globale Wettbewerb von den US-Playern Harbinger und Sterling.

Expansion ist bei Mosaic jetzt vor allem, wie erwähnt, im Ausland angesagt, wo die Nordrhein-Westfalen - von Installationen in der Schweiz und in Norwegen (dort kooperiert man seit kurzem mit einem Rechenzentrum in Trondheim, das mit Hilfe der Mosaic-Software Clearing-Dienstleistungen für Banken anbieten soll) abgesehen - bislang nicht präsent sind. Im nächsten Jahr sollen auf der Referenzliste auch Kunden aus Österreich, Schweden und den Benelux-Staaten zu finden sein.

Ein schneller Ausbau der Kundenbasis ist für Mosaic auch angesagt. Noch ist das rund 100 Mitarbeiter große Unternehmen stark von seinen zehn größten Kunden abhängig, die 1998 rund 75 Prozent zum Umsatz beisteuerten. Neue Kundenpotenziale sollen in Zukunft auch durch "schlanke" Lösungen wie der Software "E-Net" erschlossen werden. Mit dieser Entwicklung lassen sich ERP-Systeme an das Internet anbinden und dokumentenbasierte Geschäftsprozesse via E-Mail abwickeln. Ein Großteil des künftigen Umsatzes soll mit diesen neuen Produkten erzielt werden. Mut zum Risiko zeigten die Meckenheimer auch mit der Entwicklung einer eigenen Extensible-Markup-Language-(XML-)Lösung. Damit können kleine Anwender von Individual- und Standardsoftware am Electronic Commerce partizipieren.

Der größte Risikofaktor dürfte für den Börsenneuling allerdings gerade in der Zukunft des EDI-Konverter-Marktes liegen. Nach Ansicht von Branchenkennern wäre es zwar im Moment noch sehr optimistisch anzunehmen, dass XML-Konverter schon in den nächsten Jahren den traditionellen EDI-Markt aufrollen werden. Ein Trend in Richtung IP-basierter Technologien zeichnet sich jedoch schon seit längerem ab. Ob Mosaic zu den künftigen Gewinnern im Electronic-Commerce-Markt gehört und marktfähige Produkte im Portfolio führt, dürfte sich deshalb schon in Kürze zeigen.

*Andrea Goder ist freie Journalistin in München.