Mainframe Skill Gap verhindern

Mit MOOC Mainframe-Experten fördern und finden

08.02.2018
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Das "Skill-gap" im Mainframe-Umfeld zu schliessen, hat sich Wolfram Greis auf die Fahnen geschrieben. Wolfram Greis ist Geschäftsführer der European Mainframe Academy AG sowie Vorstandssprecher des Academic Mainframe Consortiums, ein Verein, der das Ziel hat, Universitäten und andere akademische Einrichtungen bezüglich Forschung und Lehre in Verbindung mit Mainframes zu unterstützen.
Wie soll sich ein Nachwuchstalent für den Mainframe interessieren, wenn während der Ausbildung kein Wort über diese in der Praxis so wichtige Plattform verloren wird? Das deutsche Massive-Open-Online-Course-Projekt (MOOC) entpuppt sich als Talent-Scout für Mainframe-Technologie.

Professor Dr. Andreas Polze vom Hasso-Plattner-Institut, Professor Dr. Philipp Brune von der Hochschule Neu-Ulm und Wolfram Greis von der European Mainframe Academy starteten mit dem ersten deutschen Mainframe MOOC (Massive Open Online Course) ein Experiment, das sich als außergewöhnlich erfolgreich erwies. Mit mehr als 3600 Einschreibungen und 469 absolvierten Examen wurden die Erwartungen aller Beteiligten mehr als erfüllt.

Studenten interessieren sich sehr wohl für die Mainframe Plattform, wenn sie mit entsprechenden Informationen versorgt werden.
Studenten interessieren sich sehr wohl für die Mainframe Plattform, wenn sie mit entsprechenden Informationen versorgt werden.
Foto: SeventyFour - shutterstock.com

Mainframe - das unbekannte Arbeitstier

Kaum jemand kennt sie. Und dennoch hat man täglich mit ihnen zu tun. Wer an einem Bankautomaten Geld abhebt, wer einen Flug bucht, wer bei REWE einkauft, wer seine Lohnabrechnung über Datev bekommt, wer wo und wann auch immer weltweit mit einer Kreditkarte bezahlt: Immer arbeiten im Hintergrund Mainframes, welche die wirklich entscheidende Arbeit verrichten und dafür sorgen, dass alles sicher und ohne Datenverluste vonstattengeht. Mehr als 70 Prozent der Global 500 Unternehmen arbeiten mit diesen Großrechnern. Warum weiss das niemand? Weil die Mainframes in abgeschotteten Rechenzentren zuverlässig ihre Arbeit verrichten, ohne durch Ausfälle und Sicherheitsprobleme für Schlagzeilen zu sorgen.

Mainframes als Säulen der Informationstechnologie

Immer wieder totgesagt, bilden die Mainframes nach wie vor die Säulen der Informationstechnologie vor allem in großen Unternehmen der Automobilbranche, der Finanzdienstleister, der Versicherungen und der öffentlichen Hand. Einer der großen Herausforderungen ist nach wie vor das immer wieder diskutierte und zitierte "Skill-gap", da die Mehrzahl der Administratoren und Entwickler, die in den Unternehmen für einen reibungslosen Betrieb sorgen oder Anwendungen für Mainframes entwickeln, sich in den wohlverdienten Ruhestand verabschieden und die Ausbildung von Nachwuchs über viele Jahre vernachlässigt wurde. Einige Unternehmen haben zwischenzeitlich das Problem erkannt und suchen nun verzweifelt Nachwuchs.

Am Markt ist der allerdings nicht zu bekommen. Also fällt häufig die Entscheidung: dann müssen wir eben selbst ausbilden. Schon taucht das nächste Problem auf: welcher Student, welcher Fachinformatiker interessiert sich für das Thema? Kaum einer! Warum nicht? Weil sie noch nie etwas von Mainframes gehört haben und wenn, dann hat man ihnen die Mainframes als veraltete Technologie beschrieben, die in absehbarer Zeit abgelöst werden durch angeblich modernere Server. Mit der Realität hat das allerdings wenig zu tun.

Mainframes haben neueste Technik unter der Haube und setzen vor allen Dingen den Standard bezüglich Performance, Skalierbarkeit, Zuverlässigkeit und Sicherheit. Qualitäten, die vor allem in Business-kritischen Bereichen bei Finanzdienstleistern, in der Automobilindustrie und bei Flugreservationen entscheidend sind.

Das Academic Mainframe Consortium bündelt die Interessen

Im deutschsprachigen Raum gibt es zwischenzeitlich ein Academic Mainframe Consortium als eingetragenen Verein. Ziel dieser Organisation ist es, akademische Einrichtungen, Förderer und Mainframe-Anwender zusammen zu bringen, um Know-how bezüglich Mainframes an Universitäten und Hochschulen zu fördern und zu stärken. Das Hasso-Plattner-Institut an der Universität Potsdam als Mitglied in diesem Verein verfügt über eine eigene MOOC Plattform und so entstand die Idee, über einen MOOC einige Fakten über Mainframes einer größeren Zielgruppe bekannt zu machen.

Was ist ein MOOC?

MOOC steht für Massive Open Online Course. Der erste MOOC entstand 2012 in Kalifornien. Sebastian Thrun, ein Deutscher aus Solingen, hielt gemeinsam mit Peter Norvig von Google eine Vorlesung über Künstliche Intelligenz an der Stanford Universität in Kalifornien. Die Stanford Universität ist eine Elite-Universität, für die nur jeder zwanzigste Bewerber zugelassen wird und die Studiengebühren betragen bis zu 52.000 Dollar pro Jahr.

Inspiriert wurde Sebastian Thrun durch Salman Khan und dessen Youtube Videos, mit denen der ehemalige Investment-Banker seiner Kusine Nadia Mathematik-Nachhilfe gab und aus deren Aktivitäten dann die Khan Academy entstand. Thrun griff die Idee der Verbreitung von Wissen mit Videos auf und stellte seine Vorlesung über Künstliche Intelligenz ins Internet. 160.000 Einschreibungen aus 190 Ländern waren die Folge, von denen 23.000 auch die Abschlussprüfung schafften und ein Zertifikat erhielten.

Der erste deutsche Mainframe MOOC

Professor Dr. Andreas Polze vom Hasso Plattner Institut, Professor Dr. Philipp Brune von der Hochschule Neu-Ulm und Wolfram Greis von der European Mainframe Academy erstellten die Inhalte in Form von Videosequenzen und starteten im Sommer 2017 den ersten deutschen Mainframe MOOC. Inhalt des MOOCs war die zugrundeliegende Architektur, sowie Systeme, Subsysteme und Komponenten, welche die Voraussetzung für die Hochverfügbarkeit einer Mainframe-Konfiguration bildet.

Der IBM Mainframe hat einige charkteristische Merkmale, die ihn von anderen Plattformen unterscheidet. Die wesentlichen zielen auf höchste Verfügbarkeit ab.
Der IBM Mainframe hat einige charkteristische Merkmale, die ihn von anderen Plattformen unterscheidet. Die wesentlichen zielen auf höchste Verfügbarkeit ab.
Foto: Wolfram Greis / Philipp Brune

Kennzahlen des MOOCs

Mehr als 3600 Einschreibungen waren die Folge, mehr als 469 MOOC-Teilnehmer haben auch den Abschlusstest absolviert und davon waren 437 erfolgreich und erhielten ein Zertifikat. Spannend war auch das begleitende Forum. Mit wenigen Ausnahmen gab es konstruktive und qualifizierte Diskussionen, die über 228 Threads abgewickelt wurden. Die wichtigsten diskutierten Themen waren Verfügbarkeit, Sicherheit und Skalierbarkeit. Mithilfe der Diskussionen wurden einige noch vorhandene Missverständnisse beseitigt.

"Dieser MOOC hat mein Interesse an der Mainframe-Welt gestärkt, so dass ich mich darüber hinaus mit diesem Thema beschäftigen werde." äußerte sich Dominik Schumacher von der Hochschule Wismar im Forum.

Inhalte bleiben verfügbar und es gibt eine Fortsetzung

Die Inhalte des MOOCs wie Videos und Folien können auch im Nachhinein bei openHPI in archivierter Form jederzeit abgerufen werden. Auch die Diskussionen im Forum sind weiterhin sichtbar, allerdings sind keine neuen Einträge im Forum möglich und das Forum wird auch nicht mehr moderiert.

Das Ziel, mit einem Mainframe-MOOC eine große Zielgruppe zu erreichen, wurde erfüllt. Als Ergebnis diesesn Erfolges wurde die Entscheidung getroffen, dass der Mainframe-MOCC im kommenden Jahr neu aufgesetzt wird, dann allerdings auf Englisch, um eine noch größere Zielgruppe anzusprechen. Er wird vom 5.11. bis 17.12.2018 wieder auf der openHPI Plattform stattfinden. (hal)