Philips-Forscher in Eindhoven suchen im Gigahertz-Bereich:

Mit Molekularstrahlen zu schnelleren Chips

07.03.1986

EINDHOVEIN (CW) - Neue Ergebnisse, die sowohl für die Wissenschait der Halbleiter als auch für ihre Anwendungen große Bedeutung haben, erzielte das Philips-Forschungslaboratorium (PRL) in Redhill (Großbritannien) nach eigenen Xngaben mit der dort entwickelten Molekularstrahlepitaxie (MBE). Die Wissenschaftler am PRL untersuchten Strukturen aus Galliumarsenid und Aluminiumgalliumarsenid. Im folgenden berichten die Philips-Forscher über ihre Resultate.

Die zunehmende Komplexität und der sich ständig erweiternde Betrietbsbereich von Halbleiterschalt ungen gründen sich letztlich auf entsprechende Entwicklungen der Wachstums- und Verarbeitungstechr iken für Halbleitermaterialien. Die Beherrschung der Dimensionen, Zusamnlellsetzullg und Reinheit des Materials sind Voraussetzungen dafür, daß die geforderten elektrischen Eigenschaften erzeugt werden können. Das bekannteste Beispiel für den Einsatz solcher Techniken ist die Silicium-Halbleiterschaltungstechnik, aber eine entsprechende Entwicklung ist auch bei Schaltungen aus Verbindungs- und Legierungshalbleitern aus Elementen der Gruppen III und V des Periodensystems zuln Beispiel Galliumarsenid, Aluminiunlgalliumarsenid und Indiumphosphid, zu finden.

Das Einkristall-Ausgangsmaterial für die Schaltungsfertigung wird aus einer Schmelze in Form großer Blökke bezogen, die dann in dünne Scheiben zersägt werden. Im Gegensatz zu Siliciumschaltungen werden Galliumarsenid-Schaltungen im allgemeinen nicht aus diesen Scheiben hergestellt. Statt dessen dienen die Scheiben als Substrate für das Auf wachsen sehr dünner Einzel- oder Mehrschichtstrukturen aus Galliumarsenid oder verwandten Verbindungen. Die Orientierung der Schichten wird von der des Substrats bestimmt, eine Erscheinung, die als Epitaxie bekannt ist.

Um Epitaxie zu erhalten, sind verschiedene Techniken entwickelt worden. Zwei davon, die Epitaxie aus der Dampfphase (VPE) und die Flüssigphasenepitaxie (LPE), sind Routi nefertigungsverfahren geworden.

Ein drittes Verfahren, das gerade auzs der Forschuny übernommen wurde, ist als Molekularstrahlepitaxie (MBF) bekannt. Mit dieser Technologie kann mman Schichten mit der Dicke" eines Atoms aufwachserl lassen.

Bei der MBE treffen Molekularstrahlen der Verhindunyselemente (Gallium, Arsen, Aluminium, Phosphor, Indium) auf ein erhitztes Substrat und bilden die gewünschte Epitaxieschicht. Der ganze Proyeß Iauft in einer Ultrahochvacuum-Anlage ab. Die Wachstumsrate und die Zusammensetzung der Schicht hängen von den Strahlintensitäten ab; die Strahlen können auch mit Hilfe vor Blenden ein- und ausgescllaltet werden. Das System läßt sich voll automatisieren, wobei eine Vorprogrammierrung von komplexen Mehrschichtstrukturen möglich ist.

Kurze Blendenöffnung

Die Wachstumsraten liegen im Bereich von einer atomaren Schicht pro Sekunde, was zu Gesamtwachstumszeiten von ein paar Stunden für die gewünschten Schichtstrukturen führt. Da die Blendenöffnungszeiten (...)weils etwa 0, 1 Sekunden betragen, sind abrupte Änderungen in der Schichtzusammensetzung sowie eine sehr genaue Steuerung der Schichtdicke möglich. Auf diese Weise ist die MBE sehr gut geeignet, Strukturen aus vielen dünnen Schichten mit sehr scharfen Übergängen (beispielsweise Galliumarsenid/Aluminiumgalliumarsenid) zu erzeugen.

Das Philips-Programm zur MBE begann im Forschungslaboratorium in Redhill (Großbritannien) im Jahre 1970. Zusätzlich zu der Entwicklung von Wachstumsverfahren sind im Laboratorium eine Reihe von Meßtechniken entwickelt worden, die eine schnelle Charakterisierung des Materials erlauben. Ein wertvolles Charakterisierungsverfahren, das während des Wachstums ausgeführt werden kann, ist RHEED, Reflected high Energy Electron Diffraction. Hierbei wird ein Elektronenstrahl mit einer Energie von 10 bis 50 keV unter streifendem Einfall auf die Kristallfläche gerichtet. Auf einem Fluoreszenzschirm gegenüber dem Elektronenstrahlsystem wird dann ein Beugungsmuster erzeugt.

Da die Molekularstrahlen nahezu senkrecht auf das Substrat einfallen, stören sich die beiden Systeme gegenseitig nicht. Das Beugungsmuster enthält Informationen über die Oberfläche des Materials und kann zu der Oberflächenstruktur der aufwachsenden Schicht in Beziehung gesetzt werden. Eine andere, im PRL entdeckte wichtige Eigenschaft von RHEED ist daß mit ihr die einzelnen sich abscheidenden atomaren Schichten gezählt werden können. Dies liefert eine sehr genaue Kontrolle der Dicke.

Mit MBE kann man kurzwellige Halbleiterlaser erzeugen, für die es wichtige Anwendungen bei optischen Aufzeichnungs- und Wiedergabesystemen gibt. Die Laserwirkung in einer Halbleiterlaserdiode beruht darauf, daß in einem Halbleiter ein Leitungsband mit relativ hoher Energie und ein Valenzband mit relativ niedriger Energie existieren. Wenn ein Elektron im Leitungsband mit einem Loch im Valenzband rekombiniert, kann ein Photon erzeugt werden. Die Energie des Photons und damit die Wellenlänge des Lichts hängt von der Energiedifferenz zwischen Leitungs- und Valenzband ab.

In einer Laserdiode wird ein Elektronenüberschuß im Leitungsband zusammen mit einem Überschuß an Löchern im Valenzband erzeugt. Wenn dieser Überschuß groß genug ist, kann Laserwirkung auftreten. Laser, die im nahen Infrarot bei 780 und 820 Nanometer emittieren, werden gegenwärtig in Compact-Disc-Spielen eingesetzt. Wenn die Dicke der aktiven Schicht auf weniger als etwa 50 Nanometer (ungefähr 200 atomare Schichten) reduziert wird, treten Effekte auf, die für das kompakte Material nicht typisch sind.

Wenn nämlich Elektronen in einem Potentialtopf dieser Breite eingeschlossen sind, treten am Ort der Potentialtöpfe im Leistungs- und Valenzband neue Energieniveaus auf. Rekornbination ist jetzt zwischen diesen Niveaus möglich, wobei Laseremission bei kürzerer Wellenlänge als bei den normalen Band-Band-Rekombinationsprozeß erfolgt. Wegen des Vorhandenseins dieser neuen Quantenzustände wird diese Struktur als "Quantentopf" (englisch "quantum well") bezeichnet; sie bildet die Basis eines neuen Typs eines

Halbleiterlasers, der im sichtbaren Teil des Spektrums arbeiten kann.

Dem Philips-Forschungslaboratorium) in Redhill ist es gelungen, mit Potentialtöpfen von 13 Nanometer Dicke Laserwirkung bei Wellenlängen von nur 707 Nanometer zu erhalten. Dies ist ein bedeutender Fortschritt für den Betrieb von Galliumarseind-Lasern. Im Bereich der optischen Datenverarbeitung und -wiedergabe ist, mit vielen Anwendungen zu rechnen, da diese, Wellenlänge im sichtbaren Bereich des Spektrums liegt, während normale GaAs-Laser im Infrarotbereich emittieren.

Galliumarsenid ist auch deshalb ein wichtiger Halbleiter, weil sich die Elektronen in dieser Verbindung schneller als im Silicium bewegen. Diese höhere Beweglichkeit von Elektronen in Galliumarsenid hat bereits schnellere (das heißt hochfrequentere) elektronische Schaltungen geliefert. Kürzlich ist eine Struktur entwickelt worden, die die Möglichkeit noch schnellerer Schaltungen in sich trägt. Sie besteht aus einer Schicht aus Aluminiumgalliumarsenid, die auf hochreinem Galliumarsenid aufgewachsen ist.

Zweidimensionale Wolke im Galliumarsenid

An der Grenzfläche zwischen diesen Materialien wird eine zweidimensionale Elektronenwolke im Galliumarsenid gebildet. Dieses "Elektronengas" kann eine Elektronenbeweglichkeit haben, welche die Beweglichkeit des normalen dotierten Galliumarsenids weit übersteigt. Man hat im PRL nicht nur sehr reines Galliumarsenid mit einer Tieftemperatur-Beweglichkeit größer als 100 000 cm e2/Vs erhalten, sondern

es wurden auch zweidimensionale Strukturen mit Tieftemperatur-Beweglichkeiten von 1 500 000 cm e2/ Vs erzeugt.

Dies kann zu Transistorstrukturen fuhren, die für den Betrieb bei sehr hohen Frequenzen geeignet sind (etwa 100 Gigahertz). Die Voraussetzung für solche hohen Beweglichkeiten ist beispielsweise eine hohe Reinheit des Galliumarsenids.