Unabwägbarkeiten wirken sich als Hemmschuh bei Installationen aus, aber:

Mit MAP weniger Nacharbeit als bei anderen Vernetzungen

07.04.1989

MAP hat als Vernetzungskonzept bisher noch keine breite Anwendungsbasis gefunden. Zum Teil fehlen sich Automatisierungsabteilungen durch den recht mühsamen des Standardisierungsablaufs in ihrer Zurückhaltung bestätigt. Jochen Thym beim Münchner Systemhaus Softing GmbH für die Bereiche Marketing und -Vertrieb zuständig, zeigt vor dem Hintergrund dieser Situation gegenwärtige Trends auf dem MAP-Markt auf und skizziert Schritte, um zu einem tragfähigen Integrationskonzept zu gelangen. Aus seiner Sicht besteht hier trotz gewissen Unwägbarkeiten kein Grund dazu, den Kopf in den Sand zu stecken, zumal bei MAP-Lösungen der Anwendungs-Softwareaufwand in der Regel deutlich geringer ausfalle als bei konventionellen Vernetzungs-Lösungen.

Seit Oktober 1988, mit der Verabschiedung von MMS als ISO-Norm, ist das herstellerübergreifende Netzwerkkonzept MAP (Manufacturing Automation Protocol) in der Version 3.0 jetzt durchgängig auf internationalen Standards abgestützt. Die Messe Systec '88 in München, und dort speziell der Gemeinschaftsstand der Emug (European MAP User Group) haben gezeigt, daß alle bedeutenden Anbieter im Bereich Fertigungsautomatisierung (Steuerungstechnik, Rechnertechnik) MAP-fähige Produkte bereits anbieten oder in Vorbereitung haben. Besonders beeindruckend war der schnelle Aufbau und die schnelle Integration der unterschiedlichsten Lösungen in einem gemeinsamen Netz. Das Projekt der Umstellung einer konventionell vernetzten Fertigungszelle auf eine MAP-vernetzte Lösung beim Institut für Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften (IWB) hat einen direkten Kostenvergleich ermöglicht, der neben der kurzen Realisierungszeit und hohen technischen Zuverlässigkeit der MAP-Lösung vor allem deutliche Einsparungen bei der Inbetriebnahme des recht komplexen Gesamtsystems gezeigt hat.

Auf Messen funktioniert es also und das auch bei nicht immer optimalen Rahmenbedingungen - was aber macht die Deutsche Industrie?

Das Konzept von MAP ist aus der konkreten Frustration über inkompatible, nicht verknüpfbare Systeme bei großen Endbenutzern aus der Fahrzeugindustrie, Luftfahrtindustrie und Prozeßtechnik entstanden. Will man sich nicht von einem Hersteller abhängig machen, und auch der größte kann nicht alles liefern muß man einen erheblichen Aufwand bei der Integration von heterogenen Systemen akzeptieren. Ein hersteller- und geräteübergreifendes Vernetzungskonzept wie MAP bietet jetzt nicht nur deutliche Einsparungen gegenüber einer Speziallösung, sondern gewährleistet auch hohe Betriebssicherheit und schnelle Realisierungszeiten. Woran liegt es also, daß bei diesen einleuchtenden Vorteilen MAP als Vernetzungskonzept noch keine breite Anwendungsbasis gefunden hat?

Manch eine Automationsabteilung fühlt sich durch den recht mühsamen Weg des Standardisierungsablaufes nur in ihrer Zurückhaltung bestätigt - "wir warten ab, bis alle Standards definiert, verfügbar und stabil sind". Hier herrscht Sicherheitsdenken vor und nicht die kontinuierliche Suche nach Verbesserungsmöglichkeiten des Fertigungsablaufs. In neuen Ideen werden weniger die Chancen gesehen als die Probleme.

Risikofreude bei MAP wurde bestraft

Das Streben der Normierungsgremien nach der perfekten Lösung und den daraus resultierenden Unverträglichkeiten zwischen der Version 2.1 und der Version 3.0 hat besonders die Investitionen der Vorreiter von MAP entwertet. Deshalb ist die Festlegung, daß alle zukünftigen Versionen MAP aufwärtskompatibel zur Version 3.0 sein werden, von unschätzbarer Bedeutung. Nur, das Vertrauen ist erst mal verspielt, Risikofreude wurde empfindlich bestraft.

Viele Anbieter, vor allem die großen, haben eigene Vernetzungskonzepte. Diese funktionieren, zum Teil seit geraumer Zeit, als geschlossene Systeme. Solange die Anwender nun diese herstellerspezifischen Konzepte akzeptieren, besteht für die Anbieter einfach nicht die Notwendigkeit, den Marktvorteil von geschlossenen Lösungen aufzugeben. Eine offene Lösung wie MAP bevorzugt naturgemäß erst einmal die Nicht-Marktführer. Anders als in den USA ist ein Druck von großen Anwendern in Richtung offener Lösungen der Kommunikationstechnik bei uns nur schwach spürbar. Vielleicht glaubt man auch aufgrund hoher Produkt- und Fertigungsqualität, diesem Zwang nicht ausgesetzt zu sein. Die Tendenzen sind jedoch klar: Stärkere Flexibilisierung der Produktion, Verringerung der Losgrößen bei Stückfertigung, Verringerung der Lagermengen sowie Verbesserung der Lieferfähigkeit. Das heißt aber, Verarbeitung einer großen Zahl von Entscheidungen in möglichst kurzer Zeit, Verarbeitung von großen Datenmengen. Diesem Informationsmanagementproblem stehen jedoch nicht nur Großfirmen sondern auch, und gerade mittelständische Firmen ohne Konzept gegenüber.

Manch ein Hersteller hat sich auch noch nicht von einer produktorientierten Vermarktungsstrategie lösen können. Und welche Investition wird schon im luftleeren Raum getätigt? Das betriebliche Umfeld läßt eben keine Reißbrettlösungen zu. Hier muß projektorientiert gedacht und gehandelt werden - auf Anwender und Anbieterseite.

Ein vernünftiges und wirtschaftliches Vernetzungskonzept für Fertigungsbetriebe kann man nicht dadurch bekommen, daß man Einzelpreise für Kabel, Interface-Karten oder Software-Module vergleicht. Ein erfolgversprechendes Realisierungskonzept braucht einige wichtige Eckpunkte. Die folgenden Schritte stellen, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, das notwendige Gerüst für ein tragfähiges Integrationskonzept dar:

- 1. Schritt: Festlegung von Organisationsstruktur und Entscheidungskompetenzen. Auch wenn nur zwei Geräte miteinander verbunden werden sollen, müssen eindeutig und für alle absehbaren Betriebsfälle die Aufgabenverteilung, die Initiativrechte, die Entscheidungskompetenzen und die Übergangsbedingungen zwischen den Betriebszuständen festgelegt werden. Diese erste Festlegung kann, ja sollte sogar, ohne Blick auf mögliche Lösungswege getroffen werden.

- 2. Schritt: Informations- und Entscheidungsflußanalyse. Daraus abgeleitet müssen nicht nur der Materialfluß, sondern auch die Informations- und Entscheidungsabläufe (Daten und Kommandos), möglichst in übersichtlicher graphischer Form, beschrieben und auf Optimierung, das heißt Minimierungsmöglichkeiten hin untersucht werden.

Optimierungskriterien sind nicht nur die Datenmenge, sondern zum Beispiel auch Zeitbezüge, logische Verschränkungen, Transportwege und andere Bedingungen.

- 3. Schritt: Vorgaben und Randbedingungen. Kaum ein verteiltes Automatisierungssystem wird "auf der grünen Wiese" neugebaut. Rationalisierungsmöglichkeiten für die vorhandene Struktur werden gesucht. Eine präzise Beschreibung dieser Fixpunkte wie auch anderer fester Vorgaben ist deshalb ein unverzichtbarer Schritt.

- 4. Schritt: Integrations- beziehungsweise Vernetzungsmodell. Aufbauend auf diesen drei Schritten sollte nun ein Lösungsmodell für das Integrationskonzept entwickelt werden. Es ist Diskussionsbasis für Kompromißuntersuchungen, gibt eine erste grobe Auskunft über zu erwartende Aufwendungen und Hinweise auf mögliche Modifikationen an Organisationsstruktur oder Entscheidungskompetenzen

- 5. Schritt: Vergleich zwischen Standard- und Speziallösung. Aus dem oben erarbeiteten Modell leiten sich nun konkrete Untersuchungen ab, welche der verfügbaren Standardlösungen die Anforderungen erfüllen, oder ob Spezialentwicklungen beziehungsweise gemischte Lösungen wirtschaftlicher sind.

Erst hier kann eine Ausschreibung sinnvoll ansetzen. Sie ist dann jedoch überwiegend von den betrieblichen Notwendigkeiten und erst in zweiter Linie vom Marktangebot geprägt und verspricht damit klare Entscheidungsgrundlagen für die Angebotsbewertung.

Bei Kostenvergleich schneidet MAP gut ab

Dieses Vorgehen ist also von den Fragen geprägt: Was brauchen wir? Was gibt es bereits als Standardlösung? Was müssen wir uns noch speziell erarbeiten oder aber erstellen lassen? Ist eine solche Konzepterstellung mit den Möglichkeiten des Unternehmens allein nicht realisierbar, sollte unbedingt eine neutrale externe Beratung und Unterstützung hinzugezogen werden. Eine neutrale Untersuchung stellt dabei sicher, daß auch herstellerübergreifende Lösungsalternativen ausreichend berücksichtigt werden.

MAP-Anschlüsse sind derzeit aufgrund der geringeren Stückzahlen noch deutlich teurer als herkömmliche Bus-Ankopplungen. Die Anbindung von Nicht-Standardgeräten, die zum Beispiel nur mit einer V.24-Schnittstelle ausgestattet sind, erfordert eine Gateway-Lösung. Je nach Umgebungsbedingungen kann eine industriegeschützte PC-Version notwendig sein. Auch wenn solche Gateways im Einzelfall durchaus für mehrere Geräte gemeinsam eingesetzt werden können, stellen sie einen zusätzlichen Aufwand dar. Diesen Mehrkosten stehen jedoch gewichtige Kostenvorteile gegenüber.

Die hochwertigen Dienste, die MAP auf Anwendungsprogramm-Ebene anbietet, ermöglichen ein neues Kommunikationskonzept. Es können logische Untereinheiten gebildet werden, die aufgrund lokaler Entscheidungsmöglichkeiten die Gesamtkommunikationsbelastung geringer werden lassen. Wie bei allen Bus-orientierten Systemen, kann durch direkte Kommunikation zwischen den beteiligten Partnern der Aufwand für einen zentralen Rechner (Zellenleitrechner) geringer ausfallen oder eine höhere Durchsatzleistung erreicht werden.

Hoher Intelligenzgrad

Typische MAP-fähige Geräte (oder Gateways) bieten einen hohen Intelligenzgrad, das heißt, eine komfortable Anwenderschnittstelle an. Der Anwendungssoftware-Aufwand wird deutlich geringer ausfallen und durch einfachere Strukturen beschreibbarer sein als dies bei konventionellen Vernetzungslösungen der Fall ist. Im Einzelfall kann sich so durchaus auch ein geringerer Gesamt-Hardwareaufwand ergeben.

Die Struktur der intelligenten Sub-Systeme führt auch dazu, daß in der Regel diese Sub-Systeme selbständig aufgebaut, getestet und in Betrieb genommen werden können. Eine dramatische Reduktion des Inbetriebnahme-Aufwandes ist die Folge. Der Bezug auf ein Standard-Protokoll beziehungsweise eine Standard-Software vermeidet auch eine ärgerliche Fehlerquelle und hilft bei der schnellen Identifikation von Fehlfunktionen des Gesamtsystems. Insgesamt ist durch die Entkopplung der einzelnen Sub-Systeme mit einer besseren System-Verfügbarkeit beziehungsweise Reparaturzeit zu rechnen. Jede Fertigung lebt. Eine Änderung oder Erweiterung von MAP-orientierten Systemen ist einfacher und schneller möglich als bei Einsatz von hersteller-spezifischen Lösungen.

Speziallösungen stagnieren

Der Zwang zur engeren Vernetzung unterschiedlicher betrieblicher Bereiche wird weiter zunehmen. Dabei werden herstellerorientierte Vernetzungskonzepte oder Speziallösungen eher stagnieren. Besonders in heterogenen Umgebungen wird MAP als hersteller- und geräteübergreifender internationaler Standard einen großen Markt eröffnen, der eine günstige Preis-Leistungsentwicklung für MAP-fähige Anschaltungen erwarten läßt. Trotz allem, wenn die Datenmengen oder die Zeitbedingungen es zulassen, werden auch einfachere Vernetzungskonzepte weiterhin eingesetzt werden. Für einfachere Endgeräte kündigen sich Vernetzungskonzepte mit geringeren Anschaltkosten und einer Untermenge der MAP-Funktionalität an. Solche Lösungen, wie zum Beispiel der Profibus, können auch eine gute Ergänzung zu einem MAP-Netzwerk darstellen. Eine typische Verteilung wäre dann: MAP zwischen den einzelnen Sub-Systemen und Profibus als Vernetzungsnorm innerhalb eines Subsystems.

Besondere Chancen ergeben sich für System-Häuser und System-Integratoren, da über einen größeren Zeitraum Verknüpfungen zwischen der bisherigen Welt der Vernetzung und dem MAP-Standard notwendig sind. Auch werden viele Anwender auf ein professionelles Projekt-Management und die Erfahrung einschlägiger System-Integratoren zurückgreifen wollen. Die Aufgabenstellung für Systemhäuser wird sich dabei weiter in Richtung Beratung, Analyse der betrieblichen Situation und Konzepterarbeitung verschieben. Was muß man heute tun?

Nicht nur für die Eigenfertigung, zum Beispiel die Integration von bestehenden Fertigungsanlagen, ist MAP interessant, sondern auch für Hersteller von Maschinen und Anlagen ist es wichtig, MAP als ein zusätzliches, oder vielleicht sogar entscheidendes Verkaufsargument zu erkennen. Im ersten Fall ist es sinnvoll, nach geeigneten Pilotanwendungen im Hause zu suchen, um im überschaubaren Rahmen Erfahrungen zu sammeln. Im zweiten Fall sollte umgehend geprüft werden, ob, vor allem im internationalen Wettbewerb, die eigenen Geräte oder Systeme einen MAP-Anschluß erfordern. Durch entsprechende Beratung oder durch Schulung von Mitarbeitern aus der Entwicklung kann dann die Basis für die Realisierung von MAP-Anschlüssen für die eigenen Produkte gelegt werden. Die Zukunft mit MAP hat bereits begonnen.