VEB Robotron will die mittelständische Wirtschaft in der DDR fördern

Mit Kooperationen weg von der DDR-Kommandowirtschaft

09.02.1990

DÜSSELDORF - So rasant die Veränderungen in der DDR gegenwärtig auch ablaufen, manchen gehen sie längst nicht schnell genug. Einer davon ist Friedrich Wokurka, Chef des Industriekombinats Robotron, einem der größten Unternehmen der DDR. Bei einem Besuch in Düsseldorf erläuterte er seine Sicht der Dinge und seine Pläne für die nächste Zeit.

Er ist ungeduldig, sagt Wokurka, "weil wir alle, nicht nur Robotron, sondern auch eine Reihe anderer Unternehmen zusammen mit vielen möglichen Partnern schon sehr konkrete Vorstellungen haben, und da ist jeder Tag, der nun ohne die entsprechende gesetzliche Grundlage verstreicht, einfach ein Verlust".

Die Probleme, vor denen die DDR steht, sind riesig. Auf 500 Milliarden Mark wird der Investitionsbedarf zur Sanierung der Infrastruktur in den nächster zehn Jahren geschätzt Doch der Wille zur Veränderung ist nicht überall vorhanden. Vor allem die SED ist dem Robotron-Chef zu langsam und zu widerspenstig. Am 21. Januar erklärte er deshalb, zusammen mit dem Dresdner Oberbürgermeister Berghofer und 38 anderen Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Wissenschaft, seinen Austritt aus der Partei.

Mit ein Auslöser für diesen Schritt dürfte das neue "lnvestitionsschutzgesetz" gewesen sein, das in seiner gegenwärtigen Form kaum geeignet scheint, westliches Kapital im erforderlichen Umfang anzulocken. Nach wie vor sollen West-Beteiligungen an Joint-ventures mit DDR-Unternehmen auf 49 Prozent beschränkt bleiben und vor allem sollen nur "volkseigene" Betriebe das Recht zu derartigen Gemeinschaftsunternehmen bekommen. Zwar sind Ausnahmen möglich, für wirtschaftliche Kooperationen im erforderlichen Ausmaß jedoch kann das bestenfalls eine Übergangsregelung sein: "Warum soll man da Beschränkungen machen?" fragt Wokurka, "Meinetwegen kann das 10 zu 90 sein oder 15 zu 85 oder vielleicht auch mal andersrum. Wir haben doch hier ein gemeinsames Interesse."

Dieses gemeinsame Interesse war es, das ihn Mitte Januar nach Düsseldorf führte, zur Feier des zehnjährigen Bestehens der deutschen Epson GmbH. Robotron, unter anderem größter Computer- und Drucker-Hersteller der DDR, unterhielt schon vor der "Novemberrevolution" geschäftliche Beziehungen zu Epson, nicht nur zur deutschen Dependance, sondern ebenso zum japanischen Stammhaus.

150 000 Drucker produziert das Kombinat derzeit im Jahr, knapp 30 000 davon gingen unter dem Markennamen "Präsident" in den Westen. In den nächsten Jahren will Wokurka die Produktion auf mindestens 500 000 Stück erhöhen. Zugleich soll auf 24-Nadel-Drucker umgestellt und die Fertigung von Laserdruckern für den PC-Bereich aufgenommen werden. Beide Produkte sind entwickelt, Schwierigkeiten bereitet aber die Massenproduktion.

Im letzten Jahr zwang Wokurka ein akuter Lieferengpaß 27 000 Drucker bei Epson zu kaufen. Die dabei entstandenen Kontakte hofft er in nächster Zeit wesentlich enger gestalten zu können, wenn möglich bis hin zu einem Gemeinschaftsunternehmen .

Einen ersten Schritt dazu soll die gegenwärtig angestrebte Kooperation darstellen. Mit Teilelieferungen von Epson will der Robotron-Chef damit beginnen, die "sehr große Fertigungstiefe" seines Kombinats etwas zu reduzieren.

Die Cocom-Bestimmungen, die den Export von High-Tech in den Ostblock strengen Beschränkungen unterwerfen, aber natürlich auch die chronische Devisenschwäche der DDR hatten Robotron bisher gezwungen, nahezu sämtliche Produktkomponenten in eigener Regie zu entwickeln und zu produzieren. In Zukunft hofft Wokurka, vieles davon auf dem Weltmarkt einkaufen und die Eigenaktivitäten damit etwas konzentrieren zu können.

Wichtigster Punkt dabei ist der Computerbereich, der heute bereits für 50 bis 55 Prozent des Robotron-Gesamtumsatzes von annähernd 13 Milliarden Ostmark sorgt.

Dazu gehören Rechner vom PC bis zum Mainframe, Plattenlaufwerke, Drucker, Plotter und natürlich auch Speicher- und Prozessorchips. Hier ist in den

letzten Jahren der technologische Abstand zum Westen immer größer geworden. Zwar sind die 130 000 bis 140 000 Personal Computer, die derzeit in Dresden jährlich produziert werden, seit einiger Zeit kompatibel zu den Standards im Westen. Der größte Teil der Produktion jedoch besteht aus relativ antiquierten

8-Bit-Rechnern der XT-Klasse, mit denen sich international gegen die billige und

qualitativ hochstehende Konkurrenz vor allem aus Taiwan kaum noch Geld verdienen läßt.

Bei den Bauelementen beträgt nach Einschätzung eines Robotron-Managers der Rückstand bereits acht Jahre. Das Hauptproblem, so Wokurka, ist auch hier nicht die Entwicklung. "Wir verfügen in der DDR mittlerweile über ein gut ausgebildetes Potential an Wissenschaftlern und Ingenieuren im Schaltkreisentwurf", betont der Robotron-Chef, "kompliziert jedoch wird es bei der massenweisen Umsetzung." In Zukunft hofft er hier, wie auch viele bundesdeutsche Unternehmen, auf die Hilfe von ASIC-Herstellern zurückgreifen zu können - zumindest solange, bis die eigenen Produktionsanlagen modernisiert sind.

Weitere Entlastungen könnten die angestrebten vielfältigen West-Kooperationen bringen. Das Interesse in der Bundesrepublik ist groß. Eine Vereinbarung konnte bereits bei der Richtfunktechnik unter Dach und Fach gebracht werden (Nachrichten- und Kommunikationstechnik macht etwa 5 Prozent des Robotron-Umsatzes aus), dazu kommen ein Joint-venture zum Aufbau einer Fabrik für Compact-Disks sowie mit der Westberliner Data Print GmbH ein gemeinsames Systemhaus, das im Bereich Bürokommunikation aktiv werden soll. Bis nach den Wahlen zurückgestellt sind vorerst die Gespräche mit der Hewlett-Packard GmbH, die sich für Robotrons gute Kontakte in die Sowjetunion interessiert.

Die Beziehungen zu den osteuropäischen Ländern sind einer der Trümpfe Robotrons bei den Verhandlungen mit westlichen Unternehmen. In der Vergangenheit wurde dort ein flächendeckender Kundendienst aufgebaut, mit großen Vertretungen, über die ein westlicher Partner schlagartig Zugang zu

sämtlichen osteuropäischen Märkten bekäme.

In Gegenzug erhofft sich der Robotron-Chef eine Ausweitung des Westgeschäfts, das seit den sechziger Jahren kontinuierlich zurückgegangen ist. Der größte Devisenbringer sind derzeit Schreibmaschinen. 500 000 Stück produziert Robotron jährlich (20 Prozent des Gesamtumsatzes), etwa die Hälfte davon kleinere elektrische Modelle. Hier hat das Kombinat in der Bundesrepublik einen Marktanteil von 30 Prozent.

Viel lieber jedoch würde Wokurka dem Westen High-Tech liefern. Aber die in Dresden hergestellten Computer und Drucker sind technisch veraltet, zu teuer und gehen zum überwiegenden Teil in die ehemaligen sozialistischen Bruderländer. 60 Prozent der Produktion werden exportiert, die Hälfte davon in die Sowjetunion Obwohl darunter nicht nur die Deviseneinnahmen leiden, sondern auch die Versorgung des heimischen Marktes, ist das nicht so einfach zu ändern. "AIlein von dem, was Robotron jedes Jahr in die Sowjetunion exportiert", erklärt Wokurka das Dilemma, "wird ein Drittel des Erdöls importiert, das wir brauchen. Das ist natürlich schon eine volkswirtschaftliche Dimension."

Mindestens so wichtig wie die Westkooperationen sind ihm deshalb Kooperationen im eigenen Land. Um die im nötigen Umfang realisieren zu können, wäre allerdings eine intakte Struktur mittelständischer Unternehmen in der DDR erforderlich. Dadurch, so der Kombinatschef, "daß diese Struktur weitgehend zerstört wurde" seit den sechziger Jahren, hat Robotron "eine ganze Reihe von

Zulieferern verloren", die heute schmerzlich fehlen. Deshalb will Wokurka jetzt private Unternehmen fördern, "einfach um damit eine Vielzahl von marktwirtschaftlichen Elementen schnell auf die Beine zu bringen."

Weil aber Kapital und Produktionsanlagen alleine nicht reichen, international konkurrenzfähige Unternehmen aufzubauen, bedarf es auch hier der

Zusammenarbeit mit dem Westen. Für den dringend erforderlichen Technologietransfer will Wokurka sämtliche Möglichkeiten nutzen - Beteiligung an Technologieparks, Kooperationen mit Universitäten und Unternehmen, vor allem mit mittelständischen Unternehmen - und er will, daß alle sie nutzen können, nicht nur die "volkseigenen Betriebe". Denn nur wenn sich alle frei und ohne unnötige Behinderungen beteiligen können, wird es möglich sein, die DDR-Wirtschaft auf einen Stand zu bringen, auf dem sie international bestehen, den Inlandsmarkt ausreichend versorgen und die Arbeitskräfte im Land halten kann. +