Computer Aided Publishing ist CIM Printbereich

Mit Johann Schuster, Geschäftsführer des CAP-Beratungsunternehmens Gecap in Ottobrunn, sprachen Beate Kneuse und Ulf J.\ Froitzheim

15.04.1988

- Früher stand bei der Softwareentwicklung quasi die Dokumentation am Anfang: Das Pflichtenheft bildete die Grundlage für das spätere Anwenderhandbuch. Ist diese Methode noch zeitgemäß?

Vom Ansatz her wäre die Methode schon richtig. Aber die Erfahrung hat gezeigt, daß der Endanwender mit dem Resultat meist nicht zufrieden ist. Das liegt zum einen daran, daß die Pflichtenhefte oft nicht von den eigentlichen Anwendern definiert wurden. Zum anderen haben die wenigsten Programmentwickler didaktische Kenntnisse. Da sie sich außerdem auf die technischen Probleme bei der Entwicklung konzentrieren müssen, bleibt oft nicht die Zeit, sich ausreichend um die Dokumentation zu kümmern.

Es hat Ansätze gegeben, die Dokumentation parallel zum Programm weiterzuentwickeln. Aber weil nicht alle Änderungen der Software in der Dokumentation nachvollzogen wurden, war bei Abschluß der Programmentwicklung zu überprüfen, ob die Dokumentation überhaupt mit dem fertigen Produkt übereinstimmte.

- Man erstellte also eine Art Lose-Blatt-Sammlung, in der man solange einzelne Teile austauschen mußte, bis hinterher die Querverweise nicht mehr stimmten?

Ja. Man hat auch versucht, innerhalb der Programme zu dokumentieren, um einen aktuelleren Dokumentationsstand zu bekommen. Aber weil das Nachführen wiederum eine manuelle Tätigkeit war, ergaben sich neue Probleme: Gegen Ende eines Projekts drängten die Termine, man konzentrierte sich auf die Entwicklung des Programms; die Dokumentation blieb Stückwerk. Da man selten Freiwillige findet, wurde nach Abschluß der Programmentwicklung irgendein Mitarbeiter, der gerade Zeit hatte, verdonnert, die Dokumentation fertigzustellen - ohne Rücksicht auf seine Eignung für eine solche Tätigkeit.

- Dann läge ja sogar eine zusätzliche Gefahr in der Einführung von Desktop Publishing; schließlich sind die Hilfsmittel besser geworden, so daß man die Schwierigkeiten noch eher unterschätzt. Vor diesem Hintergrund: was machen die Unternehmen richtig, was machen sie falsch bei der Einführung von DTP in der Dokumentation?

Mit DTP läßt sich zunächst die äußerliche Qualität in der Dokumentation steigern, wenn man sich nicht in den technischen Möglichkeiten des Systems verspielt. Bei technischer Dokumentation kommt es auf den Inhalt an: Ein Handbuch muß vollständig, aktuell und klar strukturiert sein. Dies kann man erreichen durch die grafischen Möglichkeiten von DTP. Das läßt aber nicht den Schluß zu, daß mit DTP automatisch die Qualität steigt, denn die ist abhängig von den Mitarbeitern, die die Dokumentation herstellen. Die Mitarbeiter brauchen Sprachgefühl, müssen in der Lage sein, sich fachlich richtig auszudrücken, müssen einen Gesamtüberblick über das Problem haben und es dadurch überhaupt erst weitervermitteln können. Die Gefahr bei DTP liegt heute darin, daß man jemand bestimmt, der weiß, was ein Macintosh ist, so wie man früher jemand bestimmt hat, der gerade Zeit hatte.

- Das Problem wird also lediglich verlagert?

Es wird verschönert.

- Die schlechten Sachen sehen nur optisch ansprechender aus?

- Die schlechten Sachen schauen heute unter Umständen besser aus.

- Also steigt die Diskrepanz zwischen Form und Inhalt: Früher fiel es weniger auf, daß die Dokumentation didaktisch schlecht gemacht war, weil es sich ohnehin um Konvolute von Nadeldrucken handelte, einfach mit dem Fotokopierer vervielfältigt...

Wir müssen noch einmal in die ursprüngliche Datenverarbeitung zurückgehen. Wer 10 oder 20 Jahre Berufserfahrung in der DV hat, wurde mit Dokumentationen noch nie verwöhnt. Er ist daran gewöhnt, englische Unterlagen zu bekommen, gewöhnt auch daran, mit qualitativ und inhaltlich ungenügenden Unterlagen zu arbeiten. Der Anwenderkreis dieser Dokumentation war sehr eingeschränkt, die Software selbst war sehr teuer und die Dokumentation hatte wenig Verbreitung. Durch die Einführung von PCs und ihre weite Verbreitung sind aber Anwenderkreise damit in Berührung gekommen, die von Haus aus andere Ansprüche an eine Dokumentation stellen: Leute, die den PC als Werkzeug einsetzen wollen und sich nicht erst wochenlang in ein Programm einarbeiten wollen.

- Haben die Unternehmen inzwischen gelernt, daß sie didaktisch geschulte Mitarbeiter brauchen?

Man kann das nicht generalisieren. Aber es gibt einige Software-Unternehmen, die erkannt haben, daß eine gute Dokumentation für den erfolgreichen Vertrieb ihres Produkts eine unbedingte Voraussetzung ist.

- Reden wir nicht von den Softwarehäusern wie Ashton-Tate oder Micropro, sondern bleiben wir bei der Industrie, bei den intern entwickelten Anwendungen. Da wird es ja Dokumentationen mit kleinen Auflagen geben - vielleicht 150 Stück - die im Unternehmen zirkulieren.

In den wenigsten Betrieben ist wirklich etwas anders geworden. Nur die Mittel haben sich geändert, statt Papier wird DTP verwendet.

- Wird es das tatsächlich?

Es wird zum Teil verwendet, wobei ich aber den Eindruck habe, daß DTP heute in vielen Firmen als Statussymbol fungiert. Da gehört es ab einem gewissen Level einfach zum Status eines Mitarbeiters, ein DTP-System auf dem Schreibtisch zu haben. Wenn Sie heute bei größeren Firmen einen Rundgang machen, dann stehen die DTP-Systeme meist an Arbeitsplätzen, an denen sie nichts zu suchen hätten. Nämlich beim Abteilungsleiter, aber nicht bei einem Grafiker vielleicht oder bei einem Redakteur...

- ... den es im Unternehmen gar nicht gibt? Aber man sieht doch in der

letzten Zeit viele Stellenanzeigen für diesen Bereich. In den Stellenanzeigen macht die Industrie große Versucher geeignetes Personal zu finden. Doch ein Redakteur allein kann das Problem nicht lösen. Traditionell sind viel mehr Berufsgruppen an einer Dokumentation beteiligt: Redakteure, Übersetzer, Grafiker, Layouter,

Drucker... Heute will man mit einer Minigruppe von vielleicht ein, zwei Leuten in den verschiedenen Abteilungen diesen Prozeß in den Griff bekommen. Diese zwei Mitarbeiter sollen all die Fähigkeiten haben, die früher die Vertreter der verschiedenen Berufsgruppen hatten.

- Wurden denn diese verschiedenen Berufsgruppen wirklich in Anspruch genommen? Traditionell hat sich doch bei der Dokumentation niemand Mühe gegeben in typografischer und didaktischer Hinsicht.

Sicher. Die Dokumentationen waren immer schlecht, gerade in der DV. Den Firmen haben die schlechten Dokumentationen ja auch unheimlich viel Geld gekostet. Je schlechter die Dokumentation, desto geringer ist die Akzeptanz, desto wichtiger ist aber auch eine Hotline, die wiederum Kosten verursacht. Mit schlechter Dokumentation ist übrigens die Fülle an Schulungsunternehmen zu erklären, die im Laufe der Zeit entstanden sind...

- ... der Schulungsmarkt als Folge falscher Sparsamkeit!

In den wenigsten Firmen ist das Budget vorhanden, eine Abteilung mit den diversen Fachkräften aufzubauen, die nötig wären. Solch eine Dokumentationsabteilung müßte das ganze Jahr über ausgelastet sein, sie müßte sich stets mit den neuesten Produkten vertraut machen. Es bringt nichts, wenn man Projektgruppen temporär für eine Dokumentation zusammenstellt. So etwas funktioniert mit DTP erst recht nicht, wenngleich sich mancher Anbieter nicht scheut zu behaupten, daß damit die Dokumentationskosten um fünfzig, ja sogar um hundert Prozent reduziert würden.

- Dann würde es ja gar nichts mehr kosten! Aber im Ernst: Wie geht ein professionelles Serviceunternehmen vor, das von seinem Know-how auf diesem Gebiet lebt und auch für diverse DV-Hersteller arbeitet?

Wir bieten einen Komplettservice an, der nicht nur darin besteht, eine Dokumentation zu erstellen. Wir bieten Konzepte an; das heißt wir analysieren gemeinsam mit dem Kunden den gesamten Dokumentationsrahmen in Bereichen wie Marketing, Vertrieb, Technik. Da fällt viel an redundanter Dokumentation an. Wir ermitteln dieses Dokumentationsvolumen und erstellen die verschiedenen Dokumentationsmodule nur noch einmal. Durch diese Vorgehensweise sparen wir Kosten ein, weil nicht jede Arbeit drei- und vierfach gemacht wird.

Wir strukturieren Handbücher neu nach firmen-, produktlinien- oder versionsspezifischen Inhalten, so daß man auch längerfristig planen kann. Dann ändert sich ein Teil vielleicht alle drei, vier Jahre, ein anderer Teil jedes Jahr. Nur wenn die Dokumentation immer aktuell ist, kann die Aktualisierung der Produkte kostengünstiger vonstatten gehen. Des weiteren kann man durch Kenntnisse der verschiedenen Drucktechniken an so vielen Stellen immense Summen einsparen - durch geringfügige Änderungen, die nicht auf Kosten der Qualität gehen -, daß damit oft genug ein komplettes Handbuch finanziert wird.