9. Trainingskongress: Qualifizierung in schwierigen Zeiten

Mit Instant-Trainings zum Erfolg

28.11.2003
BONN (hk) - Personalentwickler und Weiterbildungsverantwortliche haben sich den schwierigen Zeiten angepasst. Sie initiieren Trainingsprogramme, die einfach sind, sich schnell einführen lassen, nicht viel kosten und auf eine hohe Akzeptanz stoßen.

Die Stimmung auf dem 9. Trainingskongress war sicher besser, als sie momentan bei den meisten Schulungsanbietern ist. Immerhin 450 Teilnehmer zählte der Veranstalter, das Trainingsnetzwerk Synergie, was der Besucherzahl des Vorjahres entsprach. Das Programm deckte das Themenspektrum ab, das zurzeit in dieser Szene intensiv diskutiert wird. Gut besucht waren die Praxisberichte über die Einführung neuer Lernformen. So schult das Pharmaunternehmen Altana seine Vertreter mittels Web-based Trainings (WBTs) über neue Medikamente (siehe Seite 46: "Altana Pharma schult Vertreter online").

Im Mittelpunkt vieler Diskussionen stand die Frage nach der Wirtschaftlichkeit von Training. Immer wieder fiel das neudeutsche Stichwort Return on Investment (RoI). Sabine Erkens von der Victoria Versicherung bestätigte, dass die großen Firmen an Weiterbildungsaktivitäten sparen: Man verkürzt nicht nur die Dauer der Seminare, sondern verringert auch die Zahl der Trainer. Zudem habe sich herausgestellt, dass für E-Learning nicht immer die neuesten PCs notwendig seien.

Individuelle Betreuung ist nicht finanzierbar

Nachdem die Versicherung einige E-Learning-Projekte begleitet und die Ausgaben evaluiert hat, kann sie heute entsprechend an den Kostenschrauben drehen. Als Kostenfaktor Nummer eins nannte Erkens die Produktion und Pflege der WBTs. Anspruchsvolle Online-Programme mit aufwändiger Grafik haben schon so manchen Anbieter in den Ruin getrieben und einigen Personalentwicklungsabteilungen Minuspunkte bei der Geschäftsführung eingebracht. Laut Erkens lohnen sich WBTs dann, wenn die Zahl der Lernenden sehr groß ist und die Themen nicht zu schnell veralten - ansonsten seien die Pflegekosten zu hoch. Sie empfiehlt, ehrlich zu kalkulieren: "Es kommt auf die Zahl der wirklichen und nicht der angenommenen Nutzer an."

Sparen lässt sich nach Erkens'' Erfahrung auch bei der Betreuung der Online-Lerner. In einem Projekt hatte der Tutor jeden Teilnehmer per Telefon unterstützt. Danach stellte die Victoria Versicherung auf Gruppenbetreuung und E-Mail-Kommunikation um, und schon nahm sich die betriebswirtschaftliche Kalkulation günstiger aus. Erkens Fazit: "Permanente individuelle Betreuung ist nicht zu finanzieren." Die Hardware ist ebenfalls ein Kapitel, das genauer betrachtet werden sollte. 10000 PCs zusätzlich mit Soundkarten auszustatten sei eben nicht billig.

Auf der Suche nach der richtigen Lernplattform

Ob es unbedingt ein Lern-Management-System (LMS) sein muss, sollte ebenfalls ehrlich diskutiert werden. Mittlerweile bieten immer mehr Hersteller solche Plattformen an, mit denen sich komplette Bildungsprozesse von der Planung über die Verwaltung der Lernenden und der Inhalte bis zum Controlling organisieren lassen. Damit aber eine solche Lernplattform den erhofften Mehrwert bringt, muss sie in das bestehende Human-Resources-(HR)-System des Unternehmens eingebunden und mit den entsprechenden Informationen über die Mitarbeiter gefüttert werden. Manchmal scheitert ein Lern-Management-System an mangelnder finanzieller Planung: Auf den Fluren des Bonner Kongresses wurde die Geschichte eines Konzerns kolportiert, der ein sehr teures LMS erwarb, um hinterher festzustellen, dass danach kein Geld mehr für Lerninhalte übrig war. Nun hält man nach "billigen Lösungen" Ausschau.

Damit dies nicht passiert, bemüht sich der Automobilbauer Audi seit 18 Monaten, die richtige Lernplattform zu finden. Laut Projektleiter Thomas Fix entschied man sich bewusst gegen die klassische Vorgehensweise: sich zuerst informieren, Literatur studieren, Preise vergleichen und dann dem Billigsten den Zuschlag geben. Stattdessen untersuchte Audi zuerst die Situation im eigenen Unternehmen, so Fix: "Produkte blieben außen vor."

Im Zuge der Analyse der Bildungsprozesse und der Definition der Ziele stellte Fix fest, dass der Konzern eine "riesige Themenpalette" abzudecken hat, und zwar für unterschiedlichste Zielgruppen vom Händler über den Kundendienst zu den einzelnen Mitarbeitertypen. Deshalb war eine durchgängige Systemunterstützung nötig. "Transparenz und Vernetzung sind uns aus Kostengründen wichtig. Sie tragen dazu bei, doppelte Arbeit zu vermeiden." Synergieeffekte sollten auch bei der Erstellung der Inhalte genutzt werden: Ideal ist es, wenn die Dokumentation für einen Motor in Schulungen der Mitarbeiter wie der Vertragshändler eingesetzt werden kann.

Wenn E-Learning-Lösungen einfach und billig sind, setzen sie sich auch in anderen Branchen durch. Ein Beispiel dafür ist der Gesundheitssektor: Dieter Adam, in der bayerischen Ärztekammer für die Fortbildung der Mediziner zuständig, gab zu, dass er mit den ersten Internet-gestützten Kursen nichts anfangen konnte,weil sie alles andere als nutzerfreundlich waren. Seit nun das System umgestellt wurde, ist er begeisterter Online-Lerner.

Der Professor ist überzeugt, dass die Zahl der Ärzte, die sich mit dieser neuen Lernform auseinander setzen müssen, sprunghaft steigen wird. Zumal ein neues Gesetz die Mediziner verpflichtet, innerhalb von drei Jahren eine gewisse Anzahl Kurse zu absolvieren, die mit Punkten honoriert werden. Da Zeit immer knapp ist und auch die Pharmakonzerne ihre so genannten Fortbildungsreisen nach Teneriffa oder ähnlich konzentrationsfördernden Orten stark reduziert haben, ist der Arzt nach den Erfahrungen von Klaus Bock dankbar, wenn er von zu Hause aus via PC den Vortrag einer Medizinkoryphäe anhören kann.

Ärzte entdecken das Web als Lernmedium

Bock, der das Weiterbildungsinstitut "Medien und Medizin" betreibt, nimmt diese Vorträge auf und stellt sie ins Netz. Interaktivität ist hier nicht möglich. Die funktioniert in einem Projekt von Domomed: Der Gesundheitsdienstleister bietet an Wochenenden zweistündige Vorträge an, zu denen sich die Ärzte via Internet zuschalten und über Webcam und Kommunikationssoftware mit den Rednern sprechen können. Berührungsängste scheinen die Mediziner mit der neuen Art der Wissensvermittlung nicht zu haben: Ein Vortrag für Hausärzte über Regressschutz fand in den ersten zehn Tagen im Netz bereits 1000 Online-Zuhörer.

Training-Award

In diesem Jahr wurde zum siebten Mal der IT-Training-Award für das beste Schulungsprojekt verliehen. Ausgezeichnet werden Vorhaben, die durch eine starke Anwenderorientierung auffallen und erfolgreich dazu beitragen, die Unternehmensziele zu erreichen.

Der Sieger dieses Jahres ist Fujitsu-Siemens Computers mit einem Projekt, im Rahmen dessen das gesamte Ausbildungs- und Trainingsangebot für die Zielgruppe Marketing-, Vertriebs- und Servicemitarbeiter systematisch analysiert und neu organisiert wurde. Zentrale Frage war, welche Trainingsinhalte sich mit welchen Methoden vermitteln lassen, gemessen an den Kosten-/Nutzen-Relationen. Einbezogen wurden Anwender und Trainingsentwickler. Systematik und Konsequenz in der Vorgehensweise erschienen der Jury beispielhaft.

Den zweiten Platz belegt die Firma Avnet, ein internationaler Distributor für Halbleiter und elektronische Bauelemente, mit einem Blended-Learning-Modell zur bedarfsorientierten und schnellen Information und Schulung von IT-Anwendern in über 100 Standorten bei Neueinführung oder Release-Wechsel von in den Geschäftsprozessen eingesetzten IT-Verfahren.

Den dritten Platz teilen sich zwei Teilnehmer. Es sind dies die Zentralstelle für Weiterbildung im Handwerk mit einem Projekt zur "Ausbildung von Ausbildern" als Teil zur Meisterprüfung sowie der Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften zur Aus- und Weiterbildung von Fachkräften für Arbeitssicherheit. Beide Bewerber überzeugten mit komplexen, multimedialen Lernprogrammen, die sich als Blended-Learning-Lösungen an einen großen Nutzerkreis richten.