Mit globaler Strategie den Home-Banking-Sektor im Visier Sun schliesst wichtige Abkommen mit Visa, Mastercard und Intuit

03.02.1995

MUENCHEN (jm) - Eigentlich sollten Sun-Konkurrenten Alarmanlagen installieren, die empfindlich und prophylaktisch auf gewisse Schachzuege des Workstation-Herstellers aus Kalifornien reagieren. Solche Vorwarnsysteme muessten dieser Tage einmal mehr Laut geben, denn das Unternehmen hat einige in die Zukunft weisende Abkommen mit wichtigen Finanzdienstleistern geschlossen.

Der Deal mit Visa sieht die Verquickung von Visa-SNA-Hosts mit der Sparc-Unix-Umgebung vor. Ziel ist, den boomenden Markt der sogenannten Home-Banking-Dienstleistungen auf weltweiter Basis zu bedienen.

Neben herkoemmlichen /370-Host-Systemen nutzt der Visa- Geschaeftsbereich Interactive Division bislang ausschliesslich Sun- Rechner fuer Geldtransaktionen. Die Unix-Plattform soll nun helfen, den wachsenden Bedarf an Rechenleistung fuer die digital gesteuerte Kommunikation zwischen Privathaushalten und Finanzdienstleister abzudecken.

Das Netz der Sun-Server und -Arbeitsplatz-Workstations wird gemaess Aussagen von Sun nicht nur Transaktionsverarbeitungsaufgaben und Datenbankfunktionen wahrnehmen. In Zukunft sollen Sun-Systeme als Kommunikations-Gateways zudem angeschlossenen Mitgliedsbanken Wege in Visas internationale Geschaeftsverzweigungen freimachen. Weltweit beliefert Visa Kunden ueber rund 19 000 Mitgliedsbanken mit Dienstleistungen.

Um die im Hintergrund operierenden Mainframes an das Unix-Netz anzukoppeln, bedient sich Sun der Hilfe von CNT/Brixton Systems Inc. Von diesem Anbieter stammt die Software fuer den Handshake zwischen SNA-Welt und Solaris-Umgebung.

Nach vorliegenden Meldungen konnte Visa Interactive allerdings bislang erst 30 Banken in den USA fuer das Home-Banking-Verfahren auf Basis der Sparc-Plattform interessieren. Gar erst zwei Banken, Bank IV und Nations Bank, signalisierten, das Sun-basierte heimgerechte Zahlungsverfahren einzufuehren.

Weltweiter Marktanteil von 90 Prozent

Ein dem Visa-Deal aehnliches Abkommen unterhaelt Sun bereits mit dem Joint-venture-Unternehmen Interactive Transaction Processing (ITP), in dem sich die Electronic Data Systems Inc.

(EDS), die France Telecom sowie der Telefonkonzern US West engagieren. Ziel auch dieses Gemeinschaftsunternehmens ist es, den ueber digitale Medien gesteuerten Zahlungsverkehr bis in Privatheime auszudehnen.

Unbestaetigten Informationen zufolge, die auch die "New York Times" bereits kolportierte, konnte Sun darueber hinaus einen weiteren dicken Fisch an Land ziehen: Die Mastercard International, Nummer zwei im weltweiten Kreditkartengeschaeft nach Visa, hat offensichtlich ebenfalls einen Vertrag mit der Mc-Nealy-Company abgeschlossen, um Sun-Rechner fuer das Home-Banking-Geschaeft einzusetzen.

Mit einem weiteren klugen Schachzug belegt Sun darueber hinaus, mit welcher umfassenden Strategie es den Home-Banking-Bereich in Beschlag zu nehmen gedenkt: Um private Finanztransaktionen bequemer abzuwickeln, schloss Sun nach eigenen Angaben ein Abkommen mit der Intuit Inc. Allerdings ist diese Zusammenarbeit noch nicht offiziell angekuendigt.

Intuit ist nicht nur bekannt, weil William H. Gates III sich das Softwarehaus nur zu gerne einverleiben wuerde. Dessen Tool "Quicken" ist mit weitem Abstand marktfuehrend im weltweiten Finanzdienstleistungssektor. Die Dresdner Bank etwa bietet Quicken fuer 89 Mark an, viele amerikanische Banken nutzen die Intuit- Software fuer ihr Home-Banking-Geschaeft. Insider glauben, dass Quicken einen Marktanteil von 90 Prozent auf sich vereint.