Einsatzmöglichkeiten des neuen LAN-Verfahrens

Mit Gigabit-Tempo durch das Ethernet rauschen

18.07.1997

Die Nachfrage nach immer höheren Geschwindigkeiten hält ungebrochen an: Während das traditionelle Ethernet 1981 auf den Markt kam und mit seinen 10 Mbit/s dreizehn Jahre lang das Performance-Maß im LAN darstellte, treiben die Hersteller nun die Leistung in die Höhe: Zum dritten Geburtstag des mit 100 Mbit/s arbeitenden Fast Ethernet macht bereits die nächste Ethernet-Generation ihre Aufwartung. Ende 1997 sollen Informationen mit 1 Gbit/s durch die LAN-Leitungen flitzen.

Erste Entwicklungsvorhaben gehen auf den November 1995 zurück, als die IEEE 802.3 High-Speed Study-Group einführend über neue Geschwindigkeitsdimensionen im Ethernet diskutierte. Im Mai 1996 riefen die elf Hersteller 3Com, Bay Networks, Cisco, Compaq, Granite, Intel, LSI Logic, Packet Engines, Sun Microsystems, UB Networks und VLSI Technology die "Gigabit Ethernet Alliance" ins Leben, die der IEEE-Gigabit-Projektgruppe "802.3z" ihre Entwicklungen zur Standardisierung vorlegen sollte.

Ende 1996 wurde der erste Entwurf des künftigen Standards fertiggestellt, dem im Mai 1997 ein zweiter, ausgereifterer Vorschlag folgte. Die endgültige Version des IEEE-Standards für Gigabit Ethernet wird das Standardisierungsgremium voraussichtlich im ersten Quartal 1998 verabschieden. Erst dann können Anwender auf offene, interoperable Produkte hoffen.

Wer mit einer Migration auf Gigabit Ethernet liebäugelt, sollte die verschiedenen Verfahren kennen, die gegenwärtig ausgearbeitet werden. Die ersten Implementationen werden aller Voraussicht nach Glasfaser als Übertragungsmedium voraussetzen. "1000Base-SX" unterstützt dabei Multimode-Fiber-Kabel mit 50 und 62,5 Mikrometer, so daß sich die Leitungen über Distanzen zwischen 300 und rund 550 Metern erstrecken können.

"1000Base-LX" erlaubt in Verbindung mit Singlemode-Fiber-Kabel Entfernungen von bis zu drei Kilometern. Somit eignet sich 1000Base-SX zum Einsatz im Etagen- oder Gebäude-Backbone, während 1000Base-LX die Einrichtung eines unternehmensweiten Backbone gestattet.

Demgegenüber kommt "1000Base-CX" auch mit Kupfer (Copper)-Kabel zurecht. Da dieses Verfahren aber nur Distanzen von 25 Metern überbrückt, ist es für Einbauschränke zur Verbindung von Switches, Routern und Servern konzipiert. Die gegenwärtigen Planungen sehen vor, daß 1000Base-CX ungefähr zur selben Zeit wie die Glasfaser-Implementierungen standardisiert werden kann, also ebenfalls Anfang 1998.

Ein wenig länger dürfte der Standard Unshielded Twisted Pair (1000Base-T), die wohl kostengünstigste Form des 1 Gbit/s schnellen Ethernet, auf sich warten lassen. Hierfür wurde mit "802.3ab" eine eigene Projektgruppe geschaffen, die sich dediziert diesem Thema widmet. Entwicklungsziele stellen dabei Kabellängen von 100 Meter sowie ein Diameter von gut 200 Metern in Verbindung mit vierpaarigem UTP-Kabel der Kategorie 5 dar.

Die Arbeitsgruppe hat noch einiges vor sich: Während die Gigabit Ethernet Alliance für alle anderen Ausführungen von der Fibre-Channel-Technologie das Codierungs- beziehungsweise Decodierungsverfahren "8B/10B" übernommen hat, ist dieses für 1000Base-T ungeeignet oder bedarf zumindest einiger Modifikationen. Hinsichtlich konkreter Termine, wann der 1000Base-T-Standard abgeschlossen oder gar verabschiedet werden könnte, halten sich die Beteiligten bislang bedeckt.

Die Entwicklungsschritte des neuen Standards machen deutlich, wofür die Technologie gedacht ist: Zunächst dürften Anwender dazu übergehen, Gigabit- oder Fast-Ethernet-Switches miteinander zu verbinden, um im Back- bone-Bereich noch höhere Geschwindigkeiten erzielen zu können. Wer modulare Switches einsetzt, braucht im Idealfall nur ein Gigabit-Ethernet-Modul einzuschieben.

Um einen FDDI-Backbone abzulösen, reicht es nicht aus, den FDDI-Concentrator gegen einen Gigabit-Ethernet-Switch auszutauschen. Darüber hinaus müssen die Netzwerkkarten in den Servern ersetzt werden, die für die Anbindung an den FDDI-Backbone sorgten. Die Verkabelung über Glasfaser läßt sich meistens beibehalten.

Ein weiteres Anwendungsszenario ist es, Applikations-Server mit einer "Fat Pipe" zum Switch auszurüsten: Die Migration von Fast- auf Gigabit Ethernet hat erhebliche Auswirkungen auf die verfügbaren Bandbreiten im lokalen Netz. Ebenfalls interessant scheint die neue Technologie für Server-Cluster und Server-Farmen, die dann über High-speed-Verbindungen untereinander kommunizieren können.

Wenn auch Gigabit Ethernet wohl zunächst im Backbone-Bereich Erfolg haben wird, lassen die Hersteller keine Zweifel daran, Geschwindigkeiten von 1 Gbit/s auch zum Desktop bringen zu wollen. Wer bereits eine Glasfaserverkabelung besitzt, kann dies mit 1000Base-SX noch 1997 tun. Das Gros aller Desktops ist jedoch über UTP-Kabel mit einem Shared- oder Switched Hub verbunden, so daß sich ein Umstieg auf Gigabit Ethernet etwas schwieriger gestaltet: Noch ist offen, wann zum Standard 802.3ab kompatible Produkte auf den Markt kommen.

Des weiteren erfordert die Gigabit-Ethernet-Variante, daß bei der UTP-Verkabelung mit Kategorie-5-Kabel alle acht Adern beziehungsweise vier Adernpaare durchgängig verdrahtet sind. Das derzeit populäre 100Base-TX kommt dagegen mit vier Adern (zwei Adernpaaren) aus, so daß die Verkabelung unter Umständen angepaßt werden muß.

Obwohl noch nicht einmal auf dem Markt, konkurriert Gigabit Ethernet bereits heute mit ATM im LAN. Diverse Eckdaten sprechen für die Alternative: So erwarten Insider Kosten von unter 3000 Dollar pro geswitchtem Gigabit-Ethernet-Port, was unter dem Pro-Port-Preis von ATM-Switches liegt. Shared Hubs (Repeater) für Gigabit Ethernet werden zudem weitaus preiswerter zu haben sein. Neuartige, Know-how- und kostenintensive Implementationsformen, die ATM erforderlich macht, (etwa die LAN-Emulation), entfallen bei Gigabit Ethernet völlig, was viele Administratoren begrüßen. Einen weiteren Faktor stellt die Geschwindigkeit dar: ATM-Systeme mit 155 Mbit/s können kaum mit Fast Ethernet mithalten, und selbst die 622-Mbit/s-Ausführung von ATM dürfte nicht an Gigabit Ethernet herankommen.

Dafür muß Gigabit Ethernet im Hinblick auf Quality of Service (QOS) passen. Hier hat ATM eindeutig die Nase vorn, während Gigabit-Ethernet-Umgebungen auf IP-basierende QOS-Lösungen wie RSVP ausweichen müssen. Ob dieser Aspekt im Hinblick auf Multimedia-Anwendungen eine Hinwendung der Anwenderschar zu ATM bewirkt oder ob Gigabit Ethernet sich aufgrund der Performance-Vorteile durchsetzt, wird die Praxis zeigen.