Mit externer Hilfe günstig einkaufen

03.07.2006
Procurement-Outsourcing ist in den USA ein Trend, den sich auch hiesige Anwender näher anschauen sollten.
Der europäische BPO-Markt wird in diesem Jahr auf 10,98 Milliarden Euro geschätzt. 13,4 Prozent entfallen auf Procurement-BPO.
Der europäische BPO-Markt wird in diesem Jahr auf 10,98 Milliarden Euro geschätzt. 13,4 Prozent entfallen auf Procurement-BPO.

Der Markt für Business Process Outsourcing (BPO) wächst. Den Analysten von IDC zufolge ist die Zahl der Abschlüsse im vergangenen Jahr um 33 Prozent gegenüber 2004 gestiegen. Verbreitet sind dabei vor allem das Auslagern von Prozessen im Bereich Human Resources (HR) und Finanz- und Rechnungswesen (F&A) sowie CRM-Services (Customer-Relationship-Management).

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Procurement-BPO im Trend

Aber auch Abläufe rund um die Beschaffung von Gütern und Dienstleistungen werden inzwischen verstärkt nach außen gegeben. Laut IDC setzten die Anbieter von Procurement-BPO-Services 2005 weltweit 627 Millionen Dollar um. Dabei geht es zwar meist nur um das Hosting von Procurement-Anwendungen und entsprechende Beratungsleistungen. Die Analysten registrieren jedoch eine zunehmende Tendenz, auch weitere Bereiche - etwa Vertragsverhandlungen mit Lieferanten, die Bestellabwicklung sowie Helpdesk-Services im Einkauf - auszulagern.

Vor diesem Hintergrund soll der Markt in den kommenden Jahren im Schnitt um 22,3 Prozent per annum zulegen - auf 1,7 Milliarden Dollar im Jahr 2010. "Procurement-Outsourcing ist eines der am schnellsten wachsenden BPO-Segmente", konstatiert Shruti Yadav, Analystin bei IDC. "Immer mehr Firmen sehen darin ein strategisches Instrument, um die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und ihre Wachstumsziele zu erreichen."

Für das Auslagern von Beschaffungsprozessen sprechen handfeste Gründe. So verfügen externe Spezialisten über mehr Möglichkeiten und Erfahrungen im Procurement-Bereich und häufig auch über eine bessere technische Infrastruktur, um das komplexe Thema Einkauf effektiver zu gestalten. "Faktoren wie Compliance und Standardisierung werden für die Entscheidung, die Beschaffung auszulagern, immer wichtiger", so Yadav.

Das wichtigste Argument ist jedoch Kostensenkung. Ein Unternehmen, das seine Beschaffungsprozesse an einen externen Partner übergibt, kann die Ressourcen reduzieren und die Kosten variabel gestalten, indem es Schwankungen im Einkaufsvolumen Eins zu Eins bei seinem Dienstleister abbildet. Angesichts der dadurch entstehenden Skaleneffekte lassen sich erhebliche Einsparungen erzielen. "Procurement-Outsourcing ist ein transaktionsorientiertes Geschäft", fasst Stephan Kaiser, Berater bei Pierre Audoin Consultants (PAC), zusammen: "Irgendwann geht es zwar auch darum, die Prozesse zu verbessern, aber Einsparungen sind in der Regel das erste Motiv."

Unkritische Bereiche wie der Einkauf von Bürobedarf oder anderen so genannten C-Gütern sind geradezu prädestiniert für das Auslagern, da sie nicht zur Kernkompetenz von Unternehmen gehören, meint Kaiser: "Wenn ein Dienstleister das besser oder günstiger kann, dann raus damit." Vorsicht sei dagegen beim strategischen Einkauf geboten, wo es um Faktoren wie Wissenstransfer und Geschäftsbeziehungen gehe. "Wer den Einkauf seiner wichtigsten Zulieferer komplett herausgibt, setzt in langen Jahren aufgebaute Verbindungen aufs Spiel", warnt der Experte. Firmen, die den Einstieg in Procurement-BPO wagen, sollten daher zunächst mit geringwertigen Waren anfangen.

Standardisierung ist das A und O

Ein erfolgreiches Auslagern setzt voraus, dass der Dienstleister über hochstandardisierte Prozesse verfügt. Auch der Anwender sollte seine Abläufe im Beschaffungsbereich schon einmal optimiert haben. Hilfreich sind dabei Erfahrungen mit internen Shared-Service-Centern: Ein Unternehmen, das seinen kompletten Einkauf bereits gebündelt und weitgehend standardisiert hat, besitzt nach Ansicht von Kaiser eine gute Basis für die Zusammenarbeit mit externen Partnern. Für den Dienstleister wiederum biete es sich an, den Aufbau des Shared-Service-Centers zu begleiten, es zu verbessern und - wenn es erfolgreich läuft - später ganz zu übernehmen.

Treibende Kraft ist die Industrie

Wichtigster Abnehmer von Procurement-Services ist die verarbeitende Industrie, gefolgt von Handelsunternehmen, Finanzdienstleistern und Stromversorgern. "In diesen Branchen war der Kostendruck der letzten Jahre besonders ausgeprägt - BPO gilt da als attraktive Option", begründet IDC-Analystin Yadav. Hinzu kommt, dass die Industrie extrem hohe Anforderungen an den Einkauf stellt: "Ein Produktionsunternehmen hat ein wesentlich größeres Einkaufsvolumen und muss mehr Zulieferer steuern als Firmen aus anderen Branchen", begründet PAC-Berater Kaiser.

Treibende Kraft sind die Großunternehmen: Laut IDC wurden 90 Prozent der Procurement-BPO-Deals in den vergangenen Jahren von multinationalen Konzernen unterzeichnet. Entsprechend wird auch die Anbieterseite von den Big Playern dominiert: Klare Marktführer sind IBM und Accenture, in der zweiten Reihe folgen Hewlett-Packard (HP) und Capgemini sowie reine Procurement-Spezialisten wie Ariba und ICG Commerce. "Um den Einkauf von großen Unternehmen bündeln zu können muss der Dienstleister selbst eine kritische Größe haben und über globale Delivery-Center sowie standardisierte Prozesse verfügen", begründet Kaiser die Marktmacht der Branchenriesen.

Nach Beobachtungen von IDC drängen jedoch ständig neue Anbieter in den Markt. Vor allem Nischen-Player wie die auf die Beschaffung von Dienstleistungen spezialisierte Firma Provade sowie indische Offshorer - etwa Wipro oder Genpact - heizen den Wettbewerb an. Die Chancen der kleineren Anbieter, Kunden auf Augenhöhe zu gewinnen, stehen nach Einschätzung der Analysten gut, da inzwischen auch immer mehr Mittelständler das Potenzial des Procurement-BPO für sich entdeckten.

Doch so rosig die Marktaussichten auch sein mögen - die meisten Umsätze im Procurement-Oursourcing werden nach wie vor in den USA erzielt. In Deutschland ist die Dynamik dagegen noch sehr schwach. Einen richtig großen Deal konnte bislang nur Accenture an Land ziehen: Der IT-Dienstleister hat die Abwicklung des weltweiten nicht-strategischen Einkaufs der Deutschen Bank samt Zahlungsabwicklung mit einem geschätzten Volumen von sieben Milliarden Euro pro Jahr übernommen. Die Erfahrungen der Deutschen Bank mit dem Ende 2004 gestarteten Vorhaben sind eigenen Angaben zufolge durchweg positiv, auch was den Zeitplan betrifft. "Accenture ist dank seiner Größe und seiner optimierten Einkaufsmöglichkeiten in der Lage, die Economies of Scale an ein Riesenunternehmen wie die Deutsche Bank weiterzugeben", kommentiert PAC-Analyst Kaiser den Vorzeigeauftrag des hiesigen Procurement-BPO-Markts.

Abgesehen davon sind hierzulande jedoch noch keine nennenswerten Verträge zustande gekommen. PAC-Schätzungen zufolge lag der Anteil des IT-getriebenen Procurement-Outsourcings am deutschen BPO-Markt 2005 gerade einmal bei rund fünf Prozent. Firmen, die über das reine Hosting von Beschaffungssoftware hinaus keine weiteren Services anbieten, zählen nicht dazu: "Wir sprechen erst dann von BPO, wenn der Dienstleister für den Kunden einkaufen geht, das heißt, wenn er den kompletten Beschaffungsprozess abbildet und die Verantwortung sowie die Haftung dafür übernimmt", erläutert Kaiser.

Deutschland liegt noch hinten

Warum sich Procurement-BPO in Deutschland noch nicht durchgesetzt hat, liegt unter anderem daran, dass das Thema noch recht neu ist: "Bislang wurde wohl noch nicht genug Überzeugungsarbeit geleistet", vermutet Kaiser. Hinzu kommen Bedenken, durch das Auslagern Arbeitsplätze im Heimatland zu vernichten, sowie mentalitätsbedingte Hemmnisse: "Die Deutschen tun sich anfangs immer schwer damit, Verantwortung abzugeben", so der Berater. "Im anglo-amerikanischen Raum dagegen wird ein Manager nicht daran gemessen, wie viele Leute er unter sich hat, sondern wie innovativ er seinen Bereich gestaltet und wie er mit neuen Anforderungen zurechtkommt."

Kaiser ist dennoch überzeugt, dass sich das Auslagern von Procurement-Prozessen nach dem HR- und F&A-Outsourcing als drittes Standbein des BPO-Markts auch hierzulande etablieren wird, da es alle wesentlichen Voraussetzungen mitbringe: "Wir gehen davon aus, dass 2009 auf dieses Segment zehn Prozent des deutschen BPO-Geschäfts entfallen werden."