DEC bietet offene Systeme in drei Varianten an

Mit einem Mehrprozessor-PC soll der Unix-Markt erobert werden

09.11.1990

MAYNARD (CW) - DEC scheint sich entgegen früheren Äußerungen seines Präsidenten Ken Olsen nun doch heftig des Themas Unix anzunehmen: Neben dem Plan, RISC auf seine VAX-Plattform zu transportieren - womit allerdings vor allem das Prinzip offener Systeme betont wird hat das Unternehmen auch ein Mehrprozessor-System auf Intel-Basis vorgestellt, das unter SCO System V läuft.

Mit der Präsentation des "Application DEC 433MP"-Rechners - Codename "Calix" führt DEC das Betriebssystem nun in drei Varianten im Angebot: Neben Unix System V von SCO offeriert das Unternehmen sein eigenes Derivat Ultrix, außerdem verfügt der Anwender über die AT&T-Option.

Der Intel-Rechner 433MP gilt bei DEC als das am weitesten ausbaufähige System in der Angebotspalette. Dies bezieht sich in erster Linie auf die Erweiterbarkeit der CPU-Leistung: Von einer Zentraleinheit läßt sich der Rechner auf bis zu sechs 486-Prozessoren ausbauen. Damit kann der Computer Unternehmensangaben zufolge bis zu 128 Benutzer bedienen.

Die DEC-Entwickler haben den Multiprozessor-Rechner in Dual-Bus-Technik ausgelegt, so daß man bis zu sieben Peripherie-Subsysteme auf einem Bus anschließen kann, ohne daß der eigentliche CPU-Bus und die Zentraleinheit dadurch belastet würden.

Als Vorteile des nun offerierten Rechners hebt DEC dessen Fähigkeit hervor, gleichzeitig sowohl als Multiuser-Maschine und LAN-Server als auch als X-Window-Systemserver zu operieren. Auch bei den Applikationen könne der Anwender aus dem Vollen schöpfen, stünden ihm doch Programme aus den verschiedenen Betriebssystem-Umgebungen wie etwa Unix und DOS sowie Pick-Applikationen zur Verfügung.

Der nach Mitteilung der DEC-Sprecherin Theresia Wermelskirchen in Deutschland ab März zu Preisen zwischen 17 500 und 80 000 Dollar verfügbare Rechner soll nicht über den eigenen Vertrieb, sondern ausschließlich über Softwarehäuser und OEMs vertrieben werden.

Kannibalismuseffekt in den Low-end-Bereichen

"Calix" hat allerdings einen Nachteil, der von DEC-Anwendern schon gerügt wurde: Er unterstützt noch nicht Decnet. Entsprechend kritisch fällt das Urteil etwa eines Managers bei der Bechtel Corp. aus: "Da wir als weltweit operierendes Unternehmen unsere WANs und LANs eng über Decnet verknüpft haben, brauchen wir Maschinen, die dieses unterstützen."

Auch fragen sich Anwender, wie Digitals Haltung zu Unix zu verstehen ist: Einerseits hatte Boß Olsen die Bedeutung des Multiuser-Betriebssystems für DEC gelegentlich heruntergespielt. Andererseits scheint es zumindest momentan in Maynard in großen Lettern geschrieben zu werden.

Zudem wird sich zeigen müssen, ob DEC mit der neuen Multiprozessor-Maschine nicht in eigenen VAX-Gefilden wildert. Einige Marktbeobachter äußerten die Meinung, zumindest in den Low-end-Bereichen könnte durch den Intel-Rechner ein gewisser Kannibalismuseffekt auf treten. Bei DEC wertet man die Calix-Maschine als Ergänzung zum Produktspektrum. Wermelskirchen meinte außerdem, daß man sich nicht allein auf die installierte VAX-Basis verlassen wolle. "Hier ist nicht mehr viel Zuwachs zu erzielen. Wir brauchen deshalb den Unix-Markt als zusätzliche Einnahmequelle."

Digital tritt mit seinem neuen 433MP-System möglicherweise auch in Konkurrenz zu Compaqs Zwei-Prozessor-Rechner Systempro, NCRs 3345-Modell und IBMs Server-Modellen der RISC/6000-Serie.