Mit einem Bein im Knast: Hacker-Paragraf verunsichert IT-Branche

15.05.2008
Von 
Ina Hönicke ist freie Journalistin in München.

Der Vertrag muss den Auftrag sehr präzise beschreiben

Thomas Feil, Fachanwalt für IT-Recht: 'Unter Sicherheitsprofis ist eine erhebliche Unsicherheit zu spüren.'
Thomas Feil, Fachanwalt für IT-Recht: 'Unter Sicherheitsprofis ist eine erhebliche Unsicherheit zu spüren.'

Im September des vergangenen Jahres reichte das Unternehmen deshalb Verfassungsbeschwerde ein. Thomas Feil, Fachanwalt für IT-Recht in Hannover: "Auch wenn der Hacker-Paragraf bislang noch zu keiner strafrechtlichen Verurteilung geführt hat, so ist bei den Sicherheitsprofis doch eine erhebliche Rechtsunsicherheit zu spüren. Darüber hinaus fürchten viele Unternehmen, dass Mitbewerber Strafanzeigen wegen eines Verstoßes gegen den Paragrafen erstatten, um den Betroffenen zu diskreditieren. Hier kann jede Live-Hacking-Aufführung zum Risiko werden."

Oliver Heinz, Arago: 'Man ist heute sicher vorsichtiger, wo und wie man die Tools einsetzt.'
Oliver Heinz, Arago: 'Man ist heute sicher vorsichtiger, wo und wie man die Tools einsetzt.'

Bei der IT-Sicherheitsfirma Arago in Frankfurt am Main reagiert man gelassen. Bereichsleiter Systembetrieb und Security Oliver Heinz: "Der Hacker-Paragraf hat keinen echten Einfluss darauf, welche Tools Security-Consultants einsetzen. Man ist aber sicherlich vorsichtiger, wo und wie man die Tools benutzt." Eine Art von Security-Überprüfungen könne heute nicht mehr in der Form stattfinden, wie dies früher vom Kunden gefordert wurde: Ein kompletter "Blackbox-Test" auf ein überregionales Netzwerk oder Unternehmen, also ein Test, bei dem man nichts über die Netze oder Systeme des Kunden weiß, höchstens dessen Firmennamen kennt. Wer das tut, so der Arago-Vertreter, riskiert, verklagt zu werden. Zu ungenau könnten bei diesem Typ von Test die Randbedingungen definiert werden, zu groß sei das Risiko, Systeme unbeteiligter Dritter zu scannen. "Die IT-Consultants stehen vor dem Problem, dass nicht die Firma, sondern derjenige, der ein Security-Audit realisiert, verklagt wird", meint Heinz. Deshalb müsse der Vertrag präzise den Auftrag enthalten. Die Dokumentation sei nicht Sache des Vertrags, sondern die Firma müsse die Mitarbeiter zur Dokumentation aller Aktivitäten anweisen, damit im Falle einer Klage nachgewiesen werden könne, dass es sich nicht um kriminelle Aktivitäten gehandelt habe. Mit Floskeln wie "Prüfen Sie mal mein Netz" sollte sich seiner Meinung nach kein IT-Berater mehr zufriedengeben.

Ein weiteres Dilemma sieht der Arago-Vertreter darin, dass es sich bei einer möglichen Straftat um ein Offizial-Delikt handele, gegen das jeder Staatsanwalt im Bundesgebiet verpflichtet sei, zu ermitteln. Der Sicherheitsexperte: "Ohne jemandem zu nahe treten zu wollen, besteht die Gefahr, dass ein Staatsanwalt in einem ländlichen Gebiet nicht über ausreichende IT-Kenntnisse verfügt, um bei einem Hinweis die richtige Entscheidung treffen zu können. Wie soll auch ein Außenstehender zwischen einem guten und einem bösen Hacker unterscheiden können?" Nach seiner Ansicht muss hier grundsätzlich mehr Transparenz geschaffen werden.