Berufsstarter müssen in vielen Sätteln gerecht sein:

Mit EDV allein kein Blumentopf zu gewinnen

05.02.1982

MÜNCHEN - Berufsanfänger in der Branche haben keinen leichten Stand: Umschüler oder Schulabgänger nur mit Programmierkenntnissen und dem Traum von einer DV-Karriere sind spätestens nach den ersten ablehnenden Antworten auf ihre Stellenbewerbungen ernüchtert. Nicht viel besser ergeht es Akademikern aus den Bereichen Nachrichtentechnik oder Wirtschaftswissenschaften. Ohne einen nachweisbaren Studien- schwerpunkt im Gebiet EDV haben sie keine Chancen in der Industrie. Einzig Informatiker, Mathematiker und Physiker mit DV-Ausrichtung können sich noch aussuchen, welchen Job sie annehmen wollen.

"DV-Anfänger dürfen Berufs-Jungfüchse eigentlich nie sein", charakterisiert Gotthard von Törne vom Münchener Büro der Kienbaum Unternehmensberatung die Arbeitsmarktsituation für Branchen-Neulinge. So sollten sich Studenten schon während ihrer Hochschulausbildung darum bemühen, ein Praktikum in einem Rechenzentrum oder bei einem Hersteller zu erhalten. Dabei dürfe das Praktikum weniger als Job - "um das BAFÖG aufzubessern" - angesehen werden, vielmehr sei die Einstellung wichtig: "Wo lerne ich etwas und verdiene zusätzlich." Am besten wäre es, wenn schon begleitend zum Studium für Forschungsprojekte an der Uni oder beim Kunden problemlösend gearbeitet wurde. Denn "eine Stelle suchen zu müssen, ist immer schlecht". Für die sollte bereits während der Ausbildung gesorgt werden, indem der Kontakt mit potentiellen Arbeitgebern über Verbände oder Arbeitsgruppen gesucht wird.

Schwierigkeiten bescheinigt auch Paul Lieber von der AIS-Arbeitsmarktinformationsstelle in Frankfurt den reinen Newcomern. Die allgemeine Wirtschaftslage mache sich auch im DV-Bereich bemerkbar. Ohne Berufspraxis seien zur Zeit einzig Informatiker gefragt, aber die "gingen" auch nicht "unter zwei Programmiersprachen".

Der Weg zu einer Managementposition läuft, so betont Törne, heute nicht mehr "von der Pike auf ".

Grundlage sei ein qualifiziertes betriebswirtschaftliches Studium oder eine wirtschaftsingenieurmäßige oder mathematische Ausbildung. Vor allem Großunternehmen suchen sich Naturwissenschaftler oder Kaufleute, die sie dann zu Nachwuchsführungskräften trainieren.

Bei den Ford-Werken in Frankfurt muß sich Karl-Heinz Berger, er ist für die Personalbeschaffung zuständig, allerdings "kein Bein ausreißen". Der Kfz-Hersteller kann sich auf Spontanbewerbungen verlassen, die regelmäßig hereinkommen. So freut sich Berger: "Wir sind heute in der glücklichen Lage, gezielt Hochschulabsolventen zu finden, die direkt einsetzbar sind." Bevorzugt eingestellt werden hier Informatiker, Mathematiker und Physiker, seltener schon Wirtschaftswissenschaftler; denn "die haben keine EDV als Fach".

Zahlreiche Neuzugänge an DV-Frischlingen verbuchte im vergangenen Jahr die Gothaer Versicherungsbank in Köln. So zeigt sich Manfred Frasch von der Personalabteilung mit dem Andrang zufrieden: "Wenn sich bei uns 50 Nachwuchsleute bewerben, dann können wir vielleicht fünf unterbringen." Denn, um einen Mitarbeiter aufzubauen, benötigt der Betrieb freie Kapazität.

Eine Ausbildung ist nicht alles

Entscheidend bei der Bewerberauswahl sei jedoch in jedem Fall die Veranlagung, nicht nur die Kenntnisse. Diese ließen sich in kurzer Zeit erwerben.

Bei der DV-Stellensuche die Flinte ins Korn werfen, braucht indes auch ein Wirtschaftswissenschaftler oder- ingenieur nicht. Denn es gibt, so betont der Kienbaum-Mann Törne, in der Branche immer wieder Möglichkeiten. Ein Wirtschaftsingenieur aus dem Baubereich beispielsweise "mit dem notwendigen breiten Rücken, um sich hier durchsetzen zu können", kann zum Beispiel in einem baubezogenen Rechenzentrum seine DV-Karriere starten und die Strategie "learning by doing" verfolgen. "In einem Rechenzentrum kann man sich phantastisch entwickeln", lobt der Personalberater. Aber auch in einem Bauunternehmen oder Ingenieurbüro sei ein Bau-Jungfuchs mit Hang zur EDV gut untergebracht. Denn langfristig gehe der Trend zum "konfektionierten Bau". Dann seien Wirtschaftsingenieure mit DV-Praxis die gesuchten Spezialisten.

Weitere Einstiegschancen bestünden im Vertriebsbereich beim Hersteller: EDV-Vertrieb, Software-Vertrieb oder Anlagenvertrieb im CAD- System. Dort seien noch Leute gesucht, die etwas von Problemlösungen verstehen und sowohl technisches als auch betriebswirtschaftliches Know-how mitbringen. Allerdings muß hier eine Außenorientierung schon mitgebracht werden, ein gewisses "Faible" mit Menschen umzugehen. Im Service-Rechenzentrum dagegen dreht es sich mehr um Perfektionierung der Abwicklung und um komplexe Problemlösungen.

lnnerbetriebliche Förderung ist wichtig

Aber auch Umsteiger und Schulabgänger mit einer Ausbildung zum Anwendungsprogrammierer können unterkommen. So sucht Doornkaat in Norden einen jungen Programmierer mit "einer richtig schönen kaufmännischen Lehre und einer halbjährigen Ausbildung als Programmierer", die zur Not auch reichen würde. Alles weitere werde dann innerbetrieblich gelehrt.

Großen Wert auf Nachwuchsarbeit legen auch die Gothaer und die Ford-Werke: Abiturienten, höhere Handelsschüler, aber auch interessierte Sachbearbeiter aus den Unternehmen werden auf Verwaltungs-und Wirtschaftsakademien und DV-Ausbildungsstätten geschickt. Wobei allerdings - da sind sich die beiden einig - das Erlernen einer Computersprache keine Garantie dafür ist, später auch einmal programmieren zu können.

Doch vor allem in den Fachabteilungen werden dringend Mitarbeiter benötigt, die mit der DV vertraut sind. So gibt es bei dem Kfz-Hersteller in seiner "User-Area" Sachbearbeiter, die sich ständig weitergebildet und nun Verständnis für den Computer haben..

Personalentwicklung langfristig geplant

Auch Törne sieht hier den Weg nicht über den Markt, sondern über eine interne, langfristige vorausplanende Personalentwicklung. Ein Anwendungsprogrammierer müsse wissen, worum es bei Buchhaltung, Vertrieb oder Auftragssteuerung geht. "Der reine DV-Teufel sitzt langfristig sicherlich am kürzeren Hebel. " So rät der Personalberater Mitarbeitern aus den Fachabteilungen, auf ihr Fortbildungsprogramm beim Arbeitgeber zu dringen. Ein DV-kompetenter Sachbearbeiter könne sich nämlich auch schon mal mit Systemanalyse und Programmiervorschlägen selbst helfen. Für diese Mitarbeiter sei der Computer dann nicht "das Gespenst, das Arbeit wegnimmt oder erschwert": Die Arbeit selbst, das Umfeld der Arbeit werde transparenter, was letztendlich dem Unternehmen zugute komme.