Service-Provider (XSP)/Der Einfluss der technologischen Entwicklung auf das ASP-Portfolio

Mit EAI in neue Tiefen vordringen

01.11.2002
Das Thema ASP (Application-Service-Providing), vor zwei Jahren euphorisch gefeiert, wird mittlerweile nüchtern betrachtet. Anbieter von Services mit zweifelhaftem Unternehmensnutzen haben zumeist die Segel gestrichen. Neue, sich etablierende Techniken stellen das Bereitstellungs- und Nutzungsmodell für Software wesentlich realistischer und lukrativer dar. Von Anita Liess*

Die klassischen ASP-Komponenten, die seinerzeit zur so genannten ASP-Wertschöpfungskette beigetragen haben, waren die eigentliche Softwarelösung, die Konfigurations-, Integrations- und Hosting-Services sowie die Applications-Management- und TK-Dienstleistungen, die das komplette Angebot via Internet oder Virtual Private Network (VPN) zum Kunden transferieren sollten. Diese Komponenten basierten auf einer entsprechend leistungsfähigen, infrastrukturellen Technologieplattform (siehe Abbildung "Die ASP-Wertschöpfungskette"). Während die einzelnen Komponenten in der Vergangenheit allerdings häufig von unterschiedlichen Spezialanbietern erbracht wurden und der ASP-Kunde sich jeweils um die einzelnen Lösungen bemühen musste, stehen ASPs heutzutage für einen ganzheitlichen Ansatz.

XML leistet Integrationshilfe

Standards und Technologien wie zum Beispiel die Extended Markup Language (XML), das Simple Object Access Protocol (Soap) und die Java 2 Enterprise Edition (J2EE) zeigen neue Möglichkeiten in der Systemintegration. So können vor allem Applikationen, die in einer Internet-basierenden Entwicklungsumgebung wie etwa Sun ONE (J2EE) oder .NET entwickelt wurden, über XML-Schnittstellen und Application-Server prozessorientiert integriert werden. Diese neuen technologischen Entwicklungen können Unternehmensanforderungen, etwa die Berücksichtigung von Geschäftsprozessen im Rahmen einer Integrationsinitiative, ohne weiteres erfüllen.

Speziell ASPs profitieren von diesen neuen Entwicklungen und können derartige Lösungen gewinnbringend einsetzen. Im Gegensatz dazu müssen traditionelle Anbieter von Enterprise-Application-Integration-(EAI-)Tools diese Funktionen zur Geschäftsprozessautomation erst mühsam entwickeln und ihre Produktlinien entsprechend ergänzen. Die Integration auf Prozessebene ist neben der daten- und objektorientierten Integration die höchste Form der Einbindung. Sie berücksichtigt sowohl Applikations- als auch Daten-Schnittstellen und kann Systeme und Anwendungen prozessorientiert verbinden. Genau dies ist zurzeit die Herausforderung an EAI-Tool-Anbieter, die momentan im Markt positioniert sind.

Geschäfte im Internet sind meist noch nicht realisierbar, da die darunter liegenden IT-Infrastrukturen nicht prozessorientiert miteinander integriert wurden. Kunden geben ihre Bestellung online ab. Diese erreicht den Lieferanten über eine Web-Shop-Applikation und wird bestenfalls in einer Datenbank abgelegt - so weit, so gut. Doch meist kommt es dann zum Medienbruch. Die eingegebene Bestellung wird weder automatisch - also über einen Workflow-Mechanismus - einem Order-Entry-System übergeben, noch an ein transaktionsauslösendes System weitergeleitet. Dieses kann dann auch keine Buchung veranlassen und vor allem nicht dafür sorgen, dass die Ware tatsächlich pünktlich, korrekt und wie bestellt ausgeliefert wird. Solche Systeme sind nicht integriert und keinesfalls prozessorientiert miteinander verbunden.

ASPs sind hier ebenso gefragt wie klassische System- und Servicehäuser. Denn sie können für ihre Kunden als "Integration Broker" tätig werden und in dieser Funktion eine Plattform für unternehmensinterne und -übergreifende Integrationsanforderungen anbieten. Insbesondere der erst seit kurzem propagierte Application-Server-basierende Integrationsansatz kann von ASPs in hervorragender Art und Weise realisiert werden. Hier helfen ASPs ihren Kunden bei der Geschäftsprozessmodellierung, indem sie neue Standards wie die Web Services Definition Language (WSDL) oder auch die Business Process Modelling Language (BPML) von der www.bpmi.org nutzen. Damit lassen sich die notwendigen Geschäftsprozesse je nach Anforderung dynamisch auf- beziehungsweise abbauen und in Echtzeit abarbeiten.

Standardvielfalt ist problematisch

Der wohl populärste Standard, der sich in diesem Umfeld hervorhebt, ist XML. Die Beschreibungssprache entwickelt sich derzeit zum De-facto-Standard im Bereich der Schnittstellen-Formate (Interface Definition Standards). Microsoft geht mit der Entwicklung des Biztalk-Servers sogar noch einen Schritt weiter und versucht neben dem XML-Interface-Standard auch weitere, spezialisierte Document Type Definitions (DTDs) zu etablieren, wodurch ein Konkurrenzprodukt zu Message-Brokern und Application-Integration-Servern entwickelt wird. Ergänzend sollte hier hinzugefügt werden, dass das XML-Format bei weitem nicht nur in einer bestimmten Form auftauchen wird.

Diese schon heute abzusehende Vielfalt stellt ein Problem dar. Denn die ursprünglich zur Bekämpfung des Wildwuchses an Applikationsformaten eingesetzte Technologie wird damit wirkungslos. Immerhin basieren alle XML-Formate auf einer zumindest in den Grundzügen identischen Struktur.

Die Grenzen von XML

Es ist unbestritten, dass XML einen maßgeblichen Einfluss auch im EAI-Umfeld haben wird. Allerdings ist und bleibt es Tatsache, dass die Beschreibungssprache weder heute noch in Zukunft Funktionen einer stabilen Messaging-Schicht anbieten kann. Insbesondere große, unternehmensinterne EAI-Projekte, die für die Transaktionsstabilität und Systemverfügbarkeit wichtig sind, werden von einer XML-basierenden, Komponenten-orientierten und meist Internet-basierenden Integrationsmethode absehen.

XML und damit das Serviceangebot von ASPs ist daher prädestiniert für Integrationsmaßnahmen im Frontend- oder Inter-Enterprise-Integration-(IEI-)Umfeld. Für den unternehmensinternen Integrationsbereich weist diese Lösung jedoch wie beschrieben unüberwindliche Unzulänglichkeiten auf.

Zudem bleibt die Akzeptanz hiesiger Nutzer eine offene Frage. Obwohl die EAI-Anbieter bereits seit knapp zehn Jahren im Integrationsmarkt aktiv sind, blieben EAI-Lösungen in Deutschland mit einem Einsatzgrad von etwa fünf Prozent eher selten. Als Grund gilt einerseits der bisher äußerst fragmentierte EAI-Anbietermarkt. Andererseits ist mit der hohen Marktdurchdringung von SAP R/3 in Deutschland ein in sich integriertes System weit verbreitet. Mit zunehmend komplexer werdenden Integrationsanforderungen, die nun zusätzlich über Unternehmensgrenzen hinweg gehen, müssen auch SAP-Anwenderhäuser EAI- und vor allem IEI-Lösungen genauer unter die Lupe nehmen. Hier kommt wiederum der innovative, Application-Server-gestützte Integrationsansatz ins Spiel. APSs werden ihr konsolidiertes und integriertes Portfolio beruhend auf einem kombinierten Integration- und Application-Server-basierenden Ansatz anbieten. Dienste rund um den Betrieb und der Wartung von EAI- und IEI-Plattformen runden den ganzheitlichen Ansatz ab.

Offensichtlich gibt es hier einige Unternehmen, die Internet-basierende Unternehmensanwendungen (ERP, SCM, CRM, E-Procurement) als Softwareservice nachfragen. Anbieter, die hier die anfängliche Euphorie mit der darauf folgenden Ernüchterung gut überstanden haben und sich gegen den allgemeinen Trend noch verbessern konnten sind beispielsweise Reisekosten.de, Salesforce.com, Employease.com und Netledger. Diese ASPs konnten sich in einer prozessorientierten Nische etablieren. Auch hierzulande bietet die T-Systems mit "Applications Online" Prozess-spezifische ASP-Lösungen an.

Horizontale Prozesse von ASP

Die Sieger im sich entwickelnden Markt sind vor allem die Anbieter, die es verstehen, ihre Lösungen als integriertes Portfolio zu positionieren. Sie verbindet die Netledger-Suite aus Komponenten für die Bereiche Enterprise Ressource Planning (ERP), Customer-Relationship-Management (CRM), Human Resources (HR), Business Intelligence (BI) und weitere Unternehmensanwendungen. Netledger versteht es, eine Reihe von horizontalen Prozessen nebeneinander via ASP anzubieten, hat zusätzlich einige vertikale Lösungen herausgearbeitet und im Zuge dessen die horizontalen Elemente prozessorientiert für die jeweilige Branchenlösung miteinander integriert. Das Zauberwort ist also Integration, denn genau dort liegt der geschäftsbezogene Mehrwert für viele Anwender. Nicht umsonst investiert Oracle, als strategischer Partner von Netledger so viel Geld in die Zukunft des innovativen und vielversprechenden ASPs. (jha)

*Anita Liess ist als Consultant im Bereich IT Product Vendor bei der Meta Group Deutschland GmbH München, tätig.

Neue Techniken

Die heutigen ASPs haben gegenüber früheren Angeboten ungleich bessere Startbedingungen:

- Die Lizenzpolitik der Softwareanbieter trägt dem Mietmodell Rechnung.

- Mit neuen Techniken im EAI-Umfeld ist eine tiefer gehende Integration von Geschäftsprozessen möglich.

- Insbesondere XML wird sich als wichtiger Standard für den Informationsaustausch erweisen.

- Letztlich werden sich Anbieter mit integrierten und funktionsübergreifenden Portfolios durchsetzen können.

Abb: Die ASP-Wertschöpfungskette

Bislang waren die einzelnen ASP-Komponenten nicht integriert. Neue Standards und Techniken sorgen für durchgängige Prozesse. Quelle: Gartner